Bochum. .

Hartz-IV-Bezieher als Mieter? Warum nicht, sagen sich viele Eigentümer. Sie meinen, dass die Zahlung sicher sei. Aber die Zahl der Fälle, in denen die öffentliche Leistung für Unterkunft nicht weitergeleitet wird, steigt. Ein Beispiel aus Bochum.

Karl-Heinz Binder ließ im Früjahr Herz und Verstand walten: „Hartz-IV-Bezieher als Mieter? Warum nicht? Auch sozial schwache Mitbürger brauchen eine vernünftige Bleibe. Und die Mietzahlung ist durch die ARGE gesichert.“ Ein halbes Jahr später ist der Vermieter um zwei schlechte Erfahrungen reicher - und sieben Monatsmieten ärmer. Kein Einzelfall, so der Haus- und Grundeigentümerverein.

In Hofstede besitzt Karl-Heinz Binder (61) zwei Mehrfamilienhäuser. „Jahrzehntelang gab’s keine Probleme, auch nicht mit Hartz-IV-Mietern. Erst im März begann die Misere“, schilderte er am WAZ-Lesertelefon. Binder vermietete zwei Wohnungen an Kunden der Bochumer ARGE. „Der erste Mieter stellte im Mai seine Mietzahlungen ein. Von dem anderen Bewohner sah ich seit Juni kein Geld mehr.“

Glück für Binder: Beide Hartz-IV-Empfänger kamen einer Kündigung zuvor und zogen im Sommer aus - „leider ohne ihre Mietschulden zu begleichen“, ärgert sich der Eigentümer, der einen Schaden von ca. 2500 Euro beklagt.

Ausstehende Mieten kann nur der Eigentümer einfordern

Binders Hoffnung, die ARGE könne helfen, bleibt unerfüllt. „Als Behörde stehen wir ausschließlich in einem Rechtsverhältnis zu unserem Kunden, nicht aber zu dessen Vermieter. Ausstehende Mieten können die Eigentümer daher nur direkt von ihren Mietern einfordern. Wir haben unsere Leistung ja erbracht“, erklärt der Sprecher der Bochumer ARGE, Johannes Rohleder.

In der Regel werden die Kosten für die Unterkunft (Grundmiete und Nebenkosten) an den Hartz-IV-Bezieher ausgezahlt. Der ist verpflichtet, das Geld an seinen Vermieter weiterzureichen. „Mit diesem Vorgehen verfolgen wir das Ziel, unsere Kunden zu selbstständigem und wirtschaftlichem Handeln zu bringen“, sagt Johannes Rohleder.

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Eine Direktzahlung an den Vermieter komme nur infrage, wenn der ARGE-Kunde dies wünscht oder „die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder nicht sichergestellt ist“. Rohleder: „Dieser Passus gilt, wenn die Mieten mehrere Monate ausbleiben. Der Vermieter kann uns dann informieren. Wir fordern von unseren Kunden Quittungen. Wird die Miete immer noch nicht gezahlt, überweisen wir die Leistung fortan an den Eigentümer.“ Ausstehende Mieten werden von der ARGE aber „keinesfalls übernommen“.

Karl-Heinz Binder hat die Mieten abgeschrieben

38.184 Bochumer leben in rund 20 000 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften. 83,2 Mio. Euro hat die ARGE 2009 für Unterkunfts-Kosten aufgebracht. Wie häufig die Probleme mit der Miete sind, darüber gibt es keine Statistiken. Gleichfalls nicht mit Zahlen, wohl aber mit Erfahrungswerten kann der Bochumer Haus- und Grundeigentümerverein aufwarten. „Die große Mehrheit der Hartz-IV-Mieter ist ehrlich und zuverlässig“, betont Timurs Melamuds von Haus & Grund. „Fakt ist aber auch: Mit ARGE-Kunden gibt es deutlich mehr Schwierigkeiten als mit anderen Personenkreisen. Uns werden immer mehr Fälle bekannt, bei denen Hartz-IV-Empfänger die Miete einbehalten und offenbar für sich ausgeben. Die Vermieter sind die Dummen.“

Binder hat die ausstehenden Mieten abgeschrieben. „Der Klageweg ist teuer, der Erfolg zweifelhaft.“ Immerhin: Die Wohnungen konnte er neu vermieten. An einen Schreiner und - eine Hartz-IV-Familie. „Sehr nette Leute. Das Herz hat gesprochen. Ich hoffe, ich werde nicht wieder enttäuscht.“