Bochum. .

Der Finanzskandal um die Sterbekasse Gerthe wird ab kommendem Montag vor dem Bochumer Landgericht verhandelt. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende soll 1,3 Millionen Euro veruntreut haben - für Steuerschulden seiner Klienten und seine Scheidung.

Ein seltsamer Fall von Untreue wird ab nächsten Montag vor dem Bochumer Landgericht aufgeklärt. Der Ex-Vorstandsvorsitzende (61) der „Gerther Versicherungs-Gemeinschaft“, eine Sterbekasse, soll riesige Summen dieser Kasse heimlich abgezweigt haben. Er war hauptberuflich Steuerberater mit eigenem Büro in Bochum und soll mit der Beute hohe Steuerschulden seiner Klienten bezahlt haben.

Laut Anklage hat er 1,3 Millionen Euro von 2004 bis Ende 2008 veruntreut, in 20 Einzelfällen. Die Ermittler gehen aber noch von einer viel höheren Beute aus früheren Jahren aus - 3,5 Millionen Euro. Diese mutmaßlichen Taten wären aber verjährt.

Auch interessant

Der Fall ist ein Skandal. Er betrifft wohl alle 10 000 Kassen-Mitglieder, die vor allem in Bochum, Herne und Castrop-Rauxel leben. Sie verlieren fast komplett ihre Boni, sagte am Freitag der jetzige Vorstand.

Selbstanzeige

Als eines Tages interne Prüfungen liefen, hielt der damalige Vorstandschef den Druck wohl nicht mehr aus. Im März 2009 zeigte er sich selbst an. Was er dem Staatsanwalt erzählte, ist Grundlage der Anklage. Wie ein Gerichtssprecher gestern auf WAZ-Anfrage sagte, habe er der Angeklagte berichtet, dass er es nicht ertragen habe, seinen Steuer-Klienten die schlechte Nachricht einer Steuernachforderung zu übermitteln. Er habe deshalb gar nicht mehr schlafen können. Er habe die Kunden nicht verlieren wollen. Da soll er das Geld für die fremden Steuerschulden aus der Sterbekasse abgeschöpft haben. Die Steuerkunden will er gar nicht eingeweiht haben. Das Geld aus der Sterbekasse soll er sich auf verschleierten Wegen über ein Unterkonto erschlichen haben. Großartige Kontrollen gab es offenbar nicht.

325.000 Euro für die Ehescheidung

Aber auch für die Finanzierung seiner eigenen Ehescheidung soll der Bochumer in die Sterbekasse gegriffen haben - 325 000 Euro. Auch seine Büromiete soll er teilweise aus der Sterbekasse bezahlt haben. Die Einzelabhebungen waren fünf-, einmal sogar sechsstellig: 153000 Euro.

Der Dortmunder Rechtsanwalt der Sterbekasse, Kay U. Koeppen von der Sozietät Spieker & Jaeger, traut den Angaben der Angeklagten nicht so ganz. Der WAZ sagte er am Freitag: „Eine der Fragen, die uns im Moment am meisten umtreibt, ist die nach dem Verbleib der Gelder. Wir können uns nur sehr schwer vorstellen, dass von dieser erheblichen Summe nichts mehr übrig sein soll.“