Bochum. .
Der Prozess um den Fußball-Wettskandal am Landgericht Bochum kommt nicht so richtig in Gang. Die Verteidiger haben am zweiten Sitzungstag einen weiteren Befangenheitsantrag gestellt. Die Sitzung wurde ohne Verhandlung in der Sache beendet.
Der Bochumer Prozess zum europäischen Fußball-Wettskandal kommt überhaupt nicht in Gang. Es gab auch am Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, großen Ärger um die Besetzung der 13. Strafkammer. Der Vorsitzende Richter Carsten Schwadrat sagte nach vierstündigem Hin und Her um diverse Verteidigeranträge und auch zwei Befangenheitsanträge gegen mehrere Richter die Verhandlung für den weiteren Donnerstag ab. Auch der für Freitag (15. Oktober) geplante Sitzungstag wurde aufgehoben. Jetzt soll es erst am 27. und 28. Oktober weitergehen. Ob dann aber mit der von der Fußballwelt seit langem erwarteten Aufklärung des Skandals begonnen wird, ist immer noch nicht sicher, denn das Landgericht hat über die Befangenheitsanträge noch keine Entscheidung verkündet.
Außer bei der Verlesung der Anklageschrift am ersten Sitzungstag am 6. Oktober ist in der Sache noch fast kein Wort vor Gericht gesprochen worden. Der Staatsanwalt wirft den vier Angeklagten (32 bis 55) Manipulationen von 32 Fußballspielen im In- und Ausland durch „korrupte“ Spieler und Schiris und eine Betrügerbande vor. Betrugsgewinn laut Anklage: rund 1,5 Millionen Euro. Doch die Angeklagten konnten sich dazu bisher nicht äußern, beziehungsweise das Gericht hat sie dazu bisher nicht befragen können.
Stattdessen wurde stundenlang äußerst zäh über mehrere Verteidigeranträge beraten und debattiert, die sich gegen diesen Prozess insgesamt richten. Antrag, Pause, Entscheidung über Antrag, neuer Antrag, Pause, Entscheidung... - dies war der Prozessrhythmus sowohl am ersten als auch am zweiten Sitzungstag.
Zwei Befangenheitsanträge
Bereits am 6. Oktober hatten fast alle Verteidiger die 13. Strafkammer als möglicherweise befangen abgelehnt. Denn unmittelbar zuvor hatten die Richter andere Anträge der Verteidigung (sie rügte zum Beispiel die örtliche Zuständigkeit des Gerichts) zurückgewiesen. Über die mögliche Befangenheit musste eine „Vertreterkammer“ entscheiden. Unglücklicherweise hat jetzt aber eine Richterin dieser Kammer vor wenigen Tagen einen Reitunfall gehabt. Zu allem Überfluss wurde auch eine zweite Richterin der Vertreterkammer krank.
Ersatzweise musste der anfangs dafür gar nicht vorgesehene Vorsitzende Richter der Vertreterkammer über die mögliche Befangenheit seiner Kollegen mitentscheiden. Dieser Richter, Volker Talarowski, ist gleichzeitig aber auch Pressesprecher des Landgerichts. Deshalb sei er mit der Materie des Falles bereits befasst gewesen und somit eventuell ebenfalls voreingenommen, meinten die Verteidiger am Donnerstag. Sie setzten noch eins drauf: Das Gericht solle jetzt der Verteidigung „sämtliche Presseverlautbarungen“ und Interviews vorlegen, die Talarowski zum Prozess gegeben habe - in allen Zeitungen und allen Sendern. Das wolle man dann „auswerten“. Wie Talarowski über den Befangenheitsantrag gegen die 13. Strafkammer entschieden hat, wurde aber wegen der neuen Anträge am Donnerstag noch gar nicht bekannt gegeben.
Sammeln für eine mögliche Revision
Die Situation ist vertrackt, das Klima gereizt. Richter Schwadrat selbst nannte die Situation „kompliziert“. Einmal sprach er von „prozessualem Durcheinander“. Es herrscht „Strom in der Tapete“, wie ein früherer Bochumer Richter in ähnlichen Situationen zu sagen pflegte. Einmal schüttelte der Staatsanwalt den Kopf, als ein weiterer Antrag eines Verteidigers kam. Schwadrat hatte den Verteidigern am Donnerstag wegen ihrer vielen Angriffe gegen den Prozess zwar gesagt: „Wir meinen, das hat keinen prozessualen Sinn.“ Notfalls müsse eben der Bundesgerichtshof in der Revision über die Anträge entscheiden - aber NACH einem Urteil. Das fiel bei den entsprechenden Verteidigern aber nicht auf fruchtbaren Boden; danach gab es nämlich jenen zweiten Befangenheitsantrag. Mit den vielen Anträgen gegen den Prozess wollen sie möglicherweise Material für eine spätere Revision sammeln, falls ihre Mandanten verurteilt werden sollten.
Alle vier Angeklagten sitzen seit fast elf Monaten in U-Haft. Zwei sollen bereits im Ermittlungsverfahren geständig gewesen sein, die anderen beiden aber nicht.
Fast zwei Millionen Euro Wetteinsatz laut Anklage
Laut Anklage sollen die vier Angeklagten 17 Spiele in Deutschland ab der 2. Liga abwärts und 15 Spiele in der Schweiz, Ungarn, Kroatien und Belgien manipuliert oder dies zumindest versucht haben, indem sie angeblich Spieler und Schiris kauften. Rund 350.000 Euro Bestechungsmittel sollen geflossen sein. Ein Schiri nahm - so der Anklagevorwurf - 60.000 Euro an, um ein U21-Länderspiel der Schweiz gegen Georgien zu verpfeifen.
Nach den mutmaßlichen Absprachen soll eine Bande Wetten in verschiedenen Wettbüros platziert und dabei insgesamt fast zwei Millionen Euro eingesetzt haben.