Bochum. .
Nach der Inszenierung im Prinz Regent Theater sind Mouawads viel diskutierte „Verbrennungen“ nun auch bei der Ruhr Triennale zu sehen.
Horrortrip und antike Tragödie, Thriller und Familiendrama, Kriegstagebuch und Liebesversuch – was hat man nicht alles schon an Attributen gelesen, die Wajdi Mouawads Theaterstück „Verbrennungen“ zu umschreiben versuchten. In jedem Fall ist es ein Stück, das Aufsehen erregt. Kein Wunder, denn es handelt von Obsessionen, von Krieg, Tod und Verfolgung. Und von der Radikalität des Menschlichen zwischen den extremen Polen Liebe und Mord.
In Bochum ist nun der seltene Fall gegeben, dass man zwei ganz unterschiedliche Einrichtungen des viel diskutierten Theaterschockers sehen kann. Um somit Vergleiche zu ziehen, für die man sonst weit reisen müsste. Etwa nach Wien, wo „Verbrennungen“ in der Inszenierung von Stefan Bachmann schon seit drei Jahren gespielt wird. Bis zum Wochenende ist die Aufführung des Akademietheaters anlässlich der Triennale in der Jahrhunderthalle zu sehen; Premiere heute Abend, 23. September, weitere Vorstellungen am 24., 25., 26. September, jeweils 20 Uhr. Im spröden Industrieambiente spult sich die Geschichte von Jeanne und ihrem Zwillingsbruder Simon ab, die unvermittelt aus ihrem friedlichen Leben gerissen werden. Das merkwürdige Testament ihrer toten Mutter Nawal zwingt die Beiden, sich auf die Suche zu machen nach einem Vater, von dem sie glaubten, er sei während des Krieges im Heimatland der Mutter getötet worden - und nach einem Bruder, von dessen Existenz sie bisher rein gar nichts ahnten. Widerwillig reisen Jeanne und Simon in den (fiktiven) Libanon. Dort führt das Graben in der Vergangenheit ins Zentrum des Geheimnisses ihrer eigenen Herkunft – und mitten hinein in das Grauen des Krieges der späten 70er Jahre.
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„Ein großartiges Stück – und großartig hat es Bachmann inszeniert. Er stellt die Tragödie komödiantisch vor. Das ist eine Stärke der Inszenierung. Und er hat viele eindrückliche Bilder geschaffen“, notierte die bürgerlich-liberale „Presse“ nach der Premiere 2007.
Der Bochumer Vergleich ergibt sich insofern, als dass „Verbrennungen“ aktuell auch im Prinz Regent Theater gespielt wird (nächste Termine 2. und 3. November). Inszenatorisch verkleinert, auf vier Personen reduziert, hat Direktrice Sibylle Proll-Pape das fulminante Werk zu einem kritischen Masse verdichtet, in der die Schauspieler förmlich explodieren. Wolfram Boelzle, Anika Pinter, Bettina Schönenberg und Sebastian Thrun sprengen in multiplen Rollen die Enge des Zimmertheaters, weiten die von Mouawad halluzinierte Familientragödie zu einem universellen Schmerzensbild sich stetig aufbauender Katastrophen aus.