Bochum. .

Fußball und Kultur – bis vor wenigen Jahren lagen sie weiter voneinander entfernt, als die Kreisklasse von der Champions League. Kultur tauchte im Fußball allenfalls in Form des Kulturbeutels auf, den Spieler in der Kabine mit sich herumschleppten. Dann kam Ben Redelings.

Ihm verdanken wir Anekdoten wie die des ehemaligen Schalke-Präsidenten Günter Eichberg. Der erzählte bei Redelings, dass er mit Vereins-Unikum Charly Neumann regelmäßig ein Restaurant besucht habe und Neumann seinem verwöhnten Hündchen jedes Mal drei Schnitzel bestellte, schnauzenfertig angerichtet. Bis der Fiffi eines Hundstages die Schnitzel nicht mehr schnuppern konnte. Fortan orderte Charly Neumann drei Rumpsteaks.

Fußballfan als Vollzeitjob

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    Ben Redelings (34) lockt aus Fußballlegenden Geschichten, die keiner kennt. Bei dem Bochumer ist jeder verbale Schuss ein Treffer. Er war in seinen Anfängen im Jahr 2001 einer der ersten Vertreter einer neuen Form von Fußballunterhaltung, die nicht auf dem Rasen stattfand, sondern auf der Bühne. Redelings ist Erfinder der Scudetto-Abende, bei denen in der Bochumer Halle „Riff” Fußballpromis wie Eichberg antreten, um ihre Anekdoten abzuschießen.

    Es gibt zuverlässige Lieferanten: „Vier Abende mit Peter Neururer, und meine Festplatte ist voll”, sagt Redelings, der eigentlich Lehrer für Deutsch und Niederländisch werden wollte.

    Dass alles anders kam, verdankt er einem Uni-Seminar in Zusammenarbeit mit dem VfL Bochum. Dabei wurde der Vorläufer von Scudetto geboren. Redelings, noch Student, hatte seine wahre Berufung gefunden. Wie die aussieht, erklärt dieser Satz: „Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben, es ist das Einzige.“ Diesen Titel bekam auch ein Roman, den er 2008 geschrieben hat.

    In den fast zehn Jahren von Scudetto hat manche ehemalige Spieler- oder Trainergröße Geschichten ausgeplaudert, die weit über dieses Gehechel nach einem Schlusspfiff hinausgehen. Also kein „Ja gut, ich sag’ mal . . .” Es gibt eine Stamm-Mannschaft, die immer wieder aufläuft. Fußballplapperer Peter Neururer gehört dazu. Aktive Spieler eher nicht: „Die sagen ja nichts.” Im Gegensatz zu Trainer Hermann Gerland, der ganz aus dem Häuschen war: „Ihr müsst mich nur einfliegen, dann mach ich euch die Show hier.”

    Zuerst sei es nicht einfach gewesen, die Leute zum Erzählen zu bewegen. Doch es hat sich herumgesprochen, dass Ben Redelings ein fairer Mitspieler ist. Er ist Autor diverser Fußballbücher und Fußballfilmemacher, also ein Sachverständiger.

    Ben Redelings.
    Ben Redelings.

    Durch Szenekenner wie ihn, Magazine wie „Elf Freunde” oder Sendungen wie „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs” spielen die einstigen Rivalen Fußball und Kultur nun einen Doppelpass. Fuß­ballaffin und geistvoll – es passt zusammen. Erst recht seit der WM 2006, bei der Menschen den Fußball für sich entdeckt haben, die ihn vorher eher fußballa-balla gefunden hatten.

    Gerne erinnert sich der Scudetto-Gastgeber an den Auftritt von Ex-Stürmer Frank Mill. Mit einem kauzigen Vogel hatte Redelings gerechnet, „aber Mill hat alle überrascht und einen Zettel mit Stichwörtern ausgepackt.” Oder „Ata” Lameck. Der ehemalige Star des VfL Bochum hatte sich nie in der Rolle einer öffentlichen Plaudertasche gesehen. „Er hat mir erzählt, während seiner Laufbahn keine Fernsehinterviews gegeben zu haben, sondern unter den Kameras durchgelaufen zu sein”, sagt Redelings. Zu ihm ist er trotzdem gekommen.

    Immer wieder Neururer

    Andere funktionieren anders: Neururer, immer wieder Neururer. Der Kulttrainer hat viele Qualitäten, darunter die Redseligkeit. Ob auch Autofahren dazu gehört, kann man so oder so sehen. Redelings hat auf Neururers Beifahrersitz gesessen und weiß jetzt, was ein Gesprächspartner meinte, als er sagte, Neururer fahre nicht Auto, er schleudere Auto. Die Sommerpause hat Ben Redelings für ein anderes Projekt genutzt: Er hat „Halbzeitpause”, eine Fußball-Klo-Lektüre, zusammengestellt mit Anekdoten und Rätseln. Zum Beispiel Frisurenraten mit Werder Bremen. Spielerköpfe aus den 80er-Jahren sind als Umrisse zu sehen. Wer steckt dahinter? So viel sei verraten: Jeder Spieler hat zwei Frisuren. Eine auf dem Kopf und eine über der Oberlippe.