Bochum.

Als Abschlussinszenierung am Schauspielhaus Bochum zeigt der scheidende Intendant Elmar Goerden Henrik Ibsens „Nora“: Premiere ist am kommenden Samstag. Goerden versucht eine neue Sicht auf den Klassiker.

Natürlich hört Intendant Elmar Goerden keine imaginäre Glocke, die regelmäßig davon kündet, dass sich die Zeit seiner Bochumer Intendanz dem Ende zuneigt. Und doch: „Wir arbeiten in einem ungemein luftigen Raum“, beschreibt er die Atmosphäre während der Proben zu Ibsens „Nora“. Alle, die daran beteiligt sind, würden sich „kompromissloser verhalten als wir es vorher getan haben“, so der Intendant. Theater sei ein „sehr vergnügliches Gewerbe“ und das zeige sich im Moment „noch einmal aufs Schönste“. Bekanntlich geht Elmar Goerden seine Bochumer Intendanz sehr viel unverkrampfter an, seit er verkündigt hat, „nach fünf Jahren ist Schluss!“. Diese Lockerheit scheint sich bis zum Ende seiner Ära fortzusetzen.

Gewisse Faszination

Es liegt für ihn eine gewisse Faszination darin, dass „wir das Stück nur einige wenige Male zeigen werden“. Und immer wieder dämmert bei ihm die Erkenntnis herauf, dass „wir über all die Ressourcen, die wir hier haben, nur noch über kurze Zeit werden verfügen können.“ Will heißen: Die Möglichkeiten, die die Intendanz des Bochumer Schauspielhauses in sich birgt, werden für Elmar Goerden mit Ende des Monats Juni zur Vergangenheit gehören.

Die letzte Inszenierung eines Intendanten erzählte in der Vergangenheit stets ein wenig über das Selbstverständnis des jeweiligen Theaterleiters: Steckel probte Hamlet ein, Leander Haußmann schloss mit „Peter Pan“. Und so wird auch Ibsens „Nora“ am kommenden Samstag nicht rein zufällig als letzte Inszenierung des Intendanten Goerden zu sehen sein. Goerden hat mit Nora ein Stück „aus der unmittelbaren Nachbarschaft“ ausgewählt, mit einem „gültigen Befund über die bürgerliche Gesellschaft, wie sie mir bekannt ist“. Ihn interessiere die „Psychologie von Menschen in Drucksituation“ und was die Menschen in einer solchen Lage „miteinander machen“. So reizt Elmar Goerden an „Nora“ nicht der hinlänglich bekannte Emanzipationsaspekt: „Diese Schlacht ist geschlagen.“

Große Angst vor Verlust

Er spüre in seiner Inszenierung dagegen der Frage nach, „wie lebt ein junges Paar zusammen, wie kriegen sie das hin?“ Eigentlich müsste das Stück bei ihm heißen: Nora und Thorwald.

Alle Personen des Stücks hätten „große Angst vor den Verlust ihrer Existenzgrundlage“. In dieser Hinsicht bilde das Stück eben kein „fernes Bürgertum“ ab, sondern es zeige etwas, „das mit mir zu tun hat, „sehr nah, sehr verwandt“. Das Stück sei für ihn „ein lebendiger Spiegel mit Eigenleben“.

Noch einmal bekräftigt Goerden sein Unbehagen an den Stückezertrümmeren: Mit dem Castorf-Stil würde man heutzutage „niemand hinter dem Ofen hervorlocken“. Der „Mainstream am Theater“ habe sich völlig gedreht: „Frank Castorf ist heute Mainstream.“ Das bedeute nun natürlich nicht, das man die Klassiker aus dem Reclam-Heft „abnudeln“ solle. Elmar Goerden: „Wir müssen uns die Klassiker erarbeiten“.Und diese neue Sicht auf die alten Stücke, „das vertragen diese Textkörper schon“. Jedenfalls sieht Goerden in jenen Theatermachern, die behutsam mit den Stücken umgehen, „die heutige Avantgarde“.