Bochum.

„Nora oder Ein Puppenheim“ von Henrik Ibsen ist das letzte Stück, das der scheidende Intendant Elmar Goerden in Bochum zeigt. Premiere ist am 29. Mai. Ein Besuch bei den Proben.

Die Probe ist gerade beendet. Die Hauptdarsteller Marina Frenk und Marco Massafra wirken erschöpft. Zum ersten Mal haben sie soeben das Ende von Henrik Ibsens „Nora“ gespielt. Das Finale, wenn Nora Helmer ihren Mann Thorvald Helmer verlässt.

Jenes berühmte Theaterende, von dem aus das Drama vornehmlich gelesen und gedeutet wurde. Als Endpunkt einer Emanzipationsbewegung, als logische Konsequenz einer Unterdrückung, als Aufbegehren gegen das die Luft zum Atmen nehmende Bürgertum.

Besetzungscoup

Doch diese Lesart mag Regisseur Elmar Goerden nicht. „Ich habe kein Interesse daran, das Bürgertum an die Wand zu nageln“, sagt er. Und er erklärt, dass er es nicht leiden kann, wenn ein Stück vom Ende her inszeniert wird.

Die letzte Inszenierung des scheidenden Intendanten in Bochum, Premiere ist am 29. Mai, überrascht zunächst mit einem Besetzungscoup. Frenk und Massafra sind scheinbar zu jung für das Ehepaar, das acht Jahre verheiratet ist. Doch was Goerden vorschwebt, ist ein junges Paar. Was dieses Paar dazu gebracht hat zu heiraten, „zu sagen ‘das ist mein Mann’ und ‘das ist meine Frau’“, das interessiert den Regisseur. Und: „Wie ist das: ein Paar? Wie leben die zusammen?“. Er sieht schließlich in „Nora“ sogar ein „rätselhaftes Stück über die Liebe“. Kein Stück also, das denunziert. Sondern eines, das gesellschaftliche Konflikte in den Blick nimmt, ohne Kategorien wie gut und böse überzustülpen.

Eine Beziehung von heute

Und eine Liebe, die in prekäres Koordinatensystem eingebunden ist. Arbeit, Sicherheit, Karriere sind eminent wichtige Faktoren für alle Figuren, der ökonomische Druck ist immer da. Eine Beziehung in schwierigen Zeiten. Eine Beziehung von Heute.

Die beiden Schauspieler, die schon vor einem Jahr mitgeteilt bekommen haben, dass sie diese Rollen spielen sollen, sind beeindruckt vom Text. Sie habe mehr Verständnis gewonnen für Paare in ihrer Umgebung, berichtet etwa Marina Frenk. Und Massafra sieht darin immer wieder Momente der Wahrhaftigkeit, die ihn als Schauspieler dazu bringen, Dinge zu tun, die er sonst niemals tun würde.

Wenn die drei über die Probenarbeit erzählen, wirkt das ernst und konzentriert. Energiegeladen sogar. Doch nicht in einer konfrontativen Weise: „Jeder spielt auf sinnliche Weise alleine“, beschreibt der Regisseur das etwas paradox. Damit drückt er die schwierige Beziehung aus, die zwischen dem eigenen Wissen, dem privat Erlebten, dem zu spielenden Stoff und den Anderen liegt. „Persönlich, nicht privat“, sei die künstlerische Arbeit.

Ist das Glück

Als privat lässt sich aber dann eine andere Aussage verstehen. Nach der Bedeutung dieser letzten Arbeit seiner Bochumer Zeit gefragt, meint Goerden: „Ich frage mich manchmal, ist das jetzt Glück?“. Und es ist ihm anzusehen, wie er diese Frage für sich beantwortet hat.

Die Inszenierung sei nicht „testamentarisch“ zu verstehen, doch ihm sei bewusst, dass es die letzte ist, dass sie entsprechend nicht „wie immer ist“. Und so genieße er . „So rückhaltlos wie möglich.“

Das Team hat es sich hier oben unter dem Dach im Malersaal durchaus gemütlich gemacht. Die Bühne ist ein minimalistisches Wohnzimmer nebst Küche. Die ist sogar voll funktionstüchtig und benutzbar. Für die Familie Helmer aus dem Geiste Ibsens und für die Theaterfamilie im 21. Jahrhundert. Und es steht dort ein Klavier. „Dafür können wir Ibsen dankbar sein, das steht im Text“. Dankbar deshalb, weil damit Marina Frenk vielleicht ihre musikalischen Fähigkeiten ausspielen könnte. Ob und wie, das ist aber noch ein Geheimnis.