Bochum. Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Schlachthof Bochum. Der Verdacht: Tierquälerei. Der Betreiber und das Veterinäramt haben bereits reagiert.

6500 Rinder und Bullen werden jeden Monat im Schlachthof Bochum getötet und zerlegt. Und womöglich geschieht dies nicht immer unter Einhaltung der Tierschutzbestimmungen. Die Tierschutzorganisation Soko Tierschutz jedenfalls erhebt schwere Vorwürfe gegen den Betreiber des Schlachthofs. Sie hat Videomaterial vorgelegt, das deutliche Verstöße dokumentiert.

Video zeigt Rinder, die mit Elektroschocks traktiert werden

Es sind schockierende Bilder, die die Tierschützer 2023 und 2024 nach eigenen Angaben in dem Betrieb an der Freudenbergstraße in Hofstede verdeckt aufgenommen haben und die der WDR am Mittwochabend in seiner Sendung „Markt“ gezeigt hat. Zu sehen sind Rinder, die im sogenannten Treibgang mit langen Stäben geschlagen und mit Elektroschocks traktiert werden. Gezeigt werden auch Aufnahmen, auf denen ein Rind zu sehen ist, das durch einen Bolzenschuss offenbar nicht vollständig betäubt wurde.

Der dazu befragte unabhängige Veterinär Dr. Kai Braunmiller spricht von einer „fraglichen Betäubung“ und dass Tiere, die so behandelt werden, „noch ein Empfinden haben. Der Sinn ist, eigentlich, dass man diese Wahrnehmung ausschaltet“. Aus seiner Sicht handelt es sich um Verstöße nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes, es erfülle einen Straftatbestand.

Im betreffenden Gesetz heißt es dazu: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“

Gutachter wertet für Staatsanwaltschaft Bochum Videomaterial aus

Auch der Staatsanwaltschaft Bochum liegt Videomaterial vor, wie ein Sprecher auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt. „Es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter dieses Schlachthofs wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz.“ Die Ermittlungen stehen noch am Anfang, derzeit werde das Videomaterial von externen Gutachtern ausgewertet. Die ermittelnde Staatsanwältin gehe davon aus, dass diese Auswertung noch einige Wochen in Anspruch nehme.

Die Bochumer Fleisch GmbH, ein Unternehmen des Schlachthofbetreiber Willms Fleisch, hat noch am Mittwochabend auf den Filmbeitrag reagiert. „Im Rahmen der Berichterstattung sind uns Inhalte bekannt geworden, die nicht unserem Anspruch an den Umgang mit Tieren und den Werten des Unternehmens entsprechen“, heißt es darin.

Schlachthof Bochum hat etwa 200 Beschäftigte

200 Personen seien derzeit im Schlachthof Bochum beschäftigt, davon 60 in der Schlachtung, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion. „Auf der Grundlage weiterer Erkenntnisse im Rahmen der bereits laufenden internen Aufklärung werden wir bei individuellem Fehlverhalten von Mitarbeitern auch arbeitsrechtliche Schritte einleiten“, so Firmensprecher Daniel Metten.

Schleierhaft ist dem vom WDR befragten Veterinär Dr. Braunmiller, warum die in Rede stehenden Verstöße überhaupt geschehen konnten. „Wieso sehen das die Betriebsverantwortlichen nicht?“, fragt er. „Wenn es einen Tierschutzbeauftragten gibt, wieso sieht er das nicht? Und wieso sieht das auch die Überwachungsseite nicht, dass dieser Treibgang in der Form rechtswidrig ist? Das kann und muss man besser machen.“ Auf Anfrage habe die Bochumer Veterinärbehörde geantwortet, in den vergangenen Jahren lediglich vereinzelt „leichte Verstöße“ gegen den Tierschutz festgestellt zu haben.

Stichwort Aufsicht: Stadt versichert, amtlicher Tierarzt ist jeden Tag vor Ort

Gegenüber dieser Redaktion äußert sich die Stadt Bochum zum Kontrollverfahren so: „Von der Anlieferung des ersten Rindes, bis zur Schlachtung des letzten Rindes an jedem Schlachttag ist ein amtlicher Tierarzt/eine amtliche Tierärztin vor Ort, führt die Schlachttieruntersuchung und alle zugehörigen Tätigkeiten aus, hierzu gehört auch die (stichprobenweise) tierschutzrechtliche Überwachung von Zutrieb, Betäubung und Entblutung.“ In Anwesenheit des städtischen Personals seien die in Rede stehenden Verstöße nicht erfolgt.

Was die städtische Kontrolle angeht, so bleibt es offenbar bei dem jetzigen Verfahren. Von Beginn bis Ende sei an jedem der in der Regel fünf Schlachttage in der Woche ein amtllicher Tierarzt vor Ort. „Aufgrund der Fülle der Aufgaben und der räumlichen Aufteilung ist es unmöglich, alle Tätigkeiten zur selben Zeit durchzuführen“, so die Verwaltung auf Anfrage dieser Redaktion.

Stadt strengt an, Mitarbeitern den Sachkundenachweis zu entziehen

Der in den Aufnahmen gezeigte enge Treibgang, durch den die Tiere geführt werden, „ist seit Jahren vorhanden und wurde so von der vorgesetzten Behörde zugelassen“, so die Stadt. Seit Anfang Mai erfolgten aber zusätzliche Anpassungen, auch bei der Betäubungsfalle (Neigungswinkel, Rutschfestigkeit des Bodens, Rücklaufsperre…). Weitere Änderungen wie z. B. die „Einhausung“ der Betäubungsfalle seien vom Schlachthof bereits beauftragt worden.

Mitarbeiter des Schlachthofs, „die anhand des Videomaterials identifiziert werden konnten, wurden von Tätigkeiten, für die eine Sachkunde gemäß Tierschutzschlachtverordnung erforderlich ist, ausgeschlossen“, so die Auskunft der Stadt. „In einem zweiten Schritt werden wir Verfahren zum Entzug der Sachkundenachweise gegen die identifizierten Mitarbeiter einleiten. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.“

Schlachthof setzt weiteren Tierschutzbeauftragten ein

Der Schlachthofbetreiber führt derweil an: „Wir haben zum 21. Mai 2024 zu den bereits vorhandenen Tierschutzbeauftragten einen zusätzlichen Tierschutzbeauftragten eingesetzt, der direkt an die Geschäftsführung berichtet.“