Sankt Augustin/Münster. Tierschützer dokumentieren heftige Tierschutz-Verstöße bei Westfleisch-Zulieferern. Verband fordert Verbot reiner Stallhaltung bei Schweinen.

Der Fleischkonzern Westfleisch mit Sitz in Münster steht wegen massiver Tierquälerei bei mehreren seiner Zuliefer-Betriebe in der Kritik. Der Verein „Deutsches Tierschutzbüro“ in Sankt Augustin bei Bonn hat Anzeigen gegen insgesamt sieben Schweine-Bauern gestellt. Bei jetzt veröffentlichten Undercover-Recherchen von Tierschützern seien 100 Stunden Videomaterial dokumentiert worden. Die Bilder zeigen kranke, stark mit Kot verdreckte oder gar tote Schweine in Ställen, wo Tiere für die Fleischproduktion bei Westfleisch gemästet werden.

Konkret beschuldigt das Tierschutzbüro sieben Westfleisch-Zulieferer, davon sechs in NRW und einen in Niedersachsen. Genannt werden u.a. ein Schweinemastbetriebe in Velen im Kreis Borken und weitere in Ibbenbüren, Kalletal, Salzkotten und Borgentreich.

Tierschutzbüro: Kranke Schweine in Ställen ohne tierärztliche Hilfe

„Die Bilder, die uns zugespielt wurden, zeigen in allen Mastbetrieben katastrophale Zustände und eklatante Verstöße gegen das Tierschutzgesetz“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros. So seien Schweine in Ställen angetroffen worden mit blutig gebissenen Schwänzen und Ohren, schweren Augenentzündungen oder eitrigen Wunden am Körper.

In mehreren Fällen seien kranke Tiere augenscheinlich ohne die notwendige tierärztliche Hilfe gehalten worden, lautet die Kritik. Auch tote Tiere hätten in den Ställen gelegen. Und es sei mit Hilfe versteckter Kameras dokumentiert worden, wie Schweine verbotener Weise mit Elektro-Schockern zum Transport in den Schlachthof getrieben worden seien, heißt es in einer Mitteilung, die am Mittwochmorgen verbreitet wurde.

Westfleisch: Sonderkontrollen in allen genannten Schweinemast-Betrieben

Bei Westfleisch erklärte ein Sprecher am Mittwoch, man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“ und gehen ihnen „mit aller Entschiedenheit nach.“ Die über 3000 Vertragspartner würden „generell hervorragende Arbeit“ leisten, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Damit diese „nicht in Misskredit“ gerate, will Westfleisch unter anderem sein Kontrollnetz erweitern. Zudem gebe es aktuell Sonderkontrollen in jedem der betroffenen Betreibe. Man behalte sich zudem „sanktionierende Maßnahmen bis hin zur Kündigung der Lieferverträge vor“, sagte der Sprecher.

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Bei Westfleisch erklärte ein Sprecher am Mittwoch auf Anfrage, man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“ und gehen ihnen „mit aller Entschiedenheit nach.“ Die über 3000 Vertragspartner würden „generell hervorragende Arbeit“ leisten, sagte der Sprecher. Damit diese „nicht in Misskredit“ gerate, will Westfleisch unter anderem sein Kontrollnetz erweitern. Zudem gebe es aktuell Sonderkontrollen in jedem der betroffenen Betreibe. Man behalte sich zudem „sanktionierende Maßnahmen bis hin zur Kündigung der Lieferverträge vor“, sagte der Sprecher.

Einer der größten Fleisch-Vermarkter in Deutschland und Europa

Laut Tierschutzbüro seien alle Fälle vor der Veröffentlichung den zuständigen Veterinärbehörden vorgelegt worden, die strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet hätten. Westfleisch selbst sei erst an diesem Mittwoch von den Tierschützern informiert worden, erklärt Peifer: „In der Vergangenheit haben Firmen wir Westfleisch dafür gesorgt, dass die Behörden nicht einen authentischen Einblick in die Betriebe bekommen haben bzw. die Missstände waren abgestellt bevor die Behörden diese feststellen konnten“, begründet er.

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Das Unternehmen Westfleisch wirbt damit, sein Fleisch „direkt vom Bauern“ zu beziehen. Westfleisch ist nach eigenen Angaben bei Schweinen „einer der größten Fleischvermarkter in Deutschland und Europa.“ Produkte würden laut Tierschutzbüro in allen Discountern und Supermarktketten verkauft, laut Tierschutzbüro schlachte Westfleisch im Jahr etwa acht Millionen Schweine. „Der gute Umgang mit Tieren entlang der Prozesskette ist für uns eine Selbstverständlichkeit“, behauptet Westfleisch in seiner online zu findenden „Leitlinie Tierschutzmanagement“.

„Überall das gleiche Bild“ von Missständen in Schweine-Ställen

Beim Tierschutzbüro hält man die dokumentierten Verstöße nicht für Einzelfälle sondern für eine Folge des „Systems“ von Massenhaltung und „Billigfleisch“. Die genannten Aufnahmen seien zwischen Februar und Juni diesen Jahres gemacht worden, sagt Jan Peifer auf Anfrage, die Strafanzeigen gegen die betroffenen Betriebe seien im gleichen Zeitraum gestellt worden. Letztlich habe man sich über die zu sehende Tierquälerei nicht mehrwundern können: „Seit Jahren veröffentlichen wir immer wieder erschreckendes Bildmaterial aus Schweinemastbetrieben“, sagt Tierschutzbüro-Vorstand Jan Peifer. Die sieben genannten Betriebe seien „wahllos“ herausgepickt worden - in allen haben sich das „überall gleiche Bild“ von Missständen gezeigt.

Tierschutzbund kritisiert, Gesetzgebung lässt schlimme Zustände zu

Auch der Deutsche Tierschutzbund hält die gezeigten Bilder für „systemimmanent“, sagt Präsident Thomas Schröder in einem am Mittwochmittag verbreiteten Statement: „Auch der gutwilligste Landwirt kann an diesen tierschutzwidrigen, jedoch per Gesetz zulässigen Gegebenheiten einer Warmstallhaltung nichts nachhaltig verbessern“, meint Schröder. Denn dazu fehle es an Kontrollmechanismen durch Veterinärbehörden, behandelnde Tierärzte bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel, kritisiert der Verband.

Bei Westfleisch legt man den Fokus in erster Linie auf Kontrolen. Und dabei sieht man sich nicht nur selbst in der Verantwortung, Missstände in der Tiermast aufzudecken, sagt der Sprecher: „Die Veterinärämter kontrollieren die betroffenen Betriebe nach unserer Kenntnis engmaschig.“ Es lägen in Bezug auf die zur Anzeige gebrachten Fälle bis dato im übrigen „keine Informationen zu einer amtlichen Sperre vor“, sagt Westfleisch. Das kann aber auch daran liegen, dass die örtlichen Behörden vor Ort noch gar nicht konkret tätig sind.

Tierschutzbüro: „Seit 20 Jahren ändert sich nichts“

In einem Bericht des ZDF-Magazins „Frontal 21“, der am Dienstagabend ausgestrahlt wurde, stellte sich einer der beschuldigten Landwirte den Vorwürfen. Er sprach davon, er habe zeitnah auf die Krankheitsfälle unter seinen Schweinen reagiert, auch der Tierarzt sei „von Anfang an“ eingebunden gewesen. Mehrere Maßnahmen, u.a. Futter-Umstellung, habe der Landwirt veranlasst, schließlich sogar auf eine andere Schweinerasse umgestellt, seitdem laufe es besser im Stall. „Kein Landwirt hat Interesse daran, kranke Tiere im Stall zu haben“, wird der Landwirt zitiert.

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Der Verein Deutsches Tierschutzbüro hat die genannten Fälle dokumentiert und zeigt auf seiner Website (externer Link) Auszüge aus den genannten Videoaufnahmen. Sie zeigen Schweine in laut Tierschutzbüro eindeutiger „Qualzucht“, gegen die Tierschützer seit Jahrzehnten zu Felde ziehen.

Verbraucher ist gefordert - Tierschützer raten zur veganen Lebensweise

„Seit 20 Jahren ändert sich einfach nichts“, beklagt Peifer. So sei es seit 20 Jahren gesetzlich erlaubt, ein Schwein auf 0,75 Quadratmeter Fläche zu halten. „99 Prozent der Schweine in Deutschland werden in der Massentierhaltung auf Spaltenböden ohne Auslauf gehalten“, kritisiert Peifer: „Das sind unglaubliche Zustände.“

Als Konsequenz sieht man beim Tierschutzbüro zwar auch Politik und Handel gefordert, für eine bessere Schweinehaltung zu sorgen, die auch Anreize schafft, dass Bauern sich ihr öffnen. Vor allem aber steht laut Peifer der Verbraucher im Fokus: „Wir können daher den Menschen nur noch die vegane Lebensweise empfehlen.“

Verbot von „tierschutzwidriger Warmstall-Haltung von Schweinen“ gefordert

Unterdessen versichert man bei Westfleisch, „transportunfähige und schlachtunfähige Tiere wurden und werden in Westfleisch-Betrieben definitiv nicht zur Schlachtung angenommen.“ Jedes zur Schlachtung angelieferte Tier werde „bereits beim Entladen der Vieh-Lastwagen untersucht“, heißt es in einem Westfleisch-Statement zu den Vorwürfen des Tierschutzbüros. Fielen Tierschutzverstöße auf, würde „unverzüglich amtliche Maßnahmen“ erfolgen, wie etwa Anzeigen. Laut Westfleisch „müssen Aufnahmen wie die aktuellen endgültig der Vergangenheit angehören.“

„Eine reine Stallhaltung von Schweinen ist Tierquälerei. Das muss die Politik endlich erkennen und dementsprechend handeln“, sagt Tierschutzbund-Präsident Schröder - „das muss die Politik endlich erkennen und dementsprechend handeln.“ Um die Lebensbedingungen für Tiere in der Schweinemast zu verbessern, müsse die „tierschutzwidrige Warmstall-Haltung von Schweinen per Gesetz verboten werden“, fordert Schröder. Ansonsten seien Zustände, wie die vom Tierschutzbüro dokumentierten fälle, auch in Zukunft „programmiert“.