Bochum. Wattenscheid soll einen Gesundheitskiosk bekommen. Obwohl das teurer wird als erwartet, bleibt es bei der Einführung. Was es damit auf sich hat.

In Wattenscheid sollte im April der erste Gesundheitskiosk in Bochum eröffnet werden. Aus Sicht der Stadt soll er dazu beitragen, „die gesundheitliche Lage der Wattenscheiderinnen und Wattenscheider nachhaltig zu verbessern“. Allerdings drohte das ambitionierte Projekt schon vor dem Start zu scheitern?

Gesundheitskiosk steht nicht mehr im Gesetzentwurf

Denn: Die Bundesregierung hat die Einführung von Gesundheitskiosken aus dem Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) genommen. Bleibt es dabei, hätte das schwerwiegende Folgen. Dann bliebe ein größerer Teil der Finanzierung an den Kommunen hängen. Die Frage ist: Können und wollen sie sich das leisten?

Bochum hat schnell eine Antwort auf diese Frage gefunden. Die Stadt wird „weiter an dem Projekt Gesundheitskiosk in Wattenscheid festhalten“, heißt es in einer Mitteilung. Gesundheitskioske seien ein erfolgversprechender Ansatz, um Bürgerinnen und Bürgern eine verbesserte Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Der Vorwurf von Kritikern der Beratungsstellen, die Einführung würde zu unnötigen und teuren Doppelstrukturen führen, sei falsch. „Die Gesundheitskioske sind vielmehr ein fehlendes Puzzlestück in der komplexen Gesundheitsversorgung und bieten denjenigen, die Schwierigkeiten im System haben, eine Möglichkeit der Teilhabe“, so die Stadt.

Stadt und AOK teilen sich die Finanzierungskosten

Allerdings hat diese Haltung ihren Preis. Wären die Gesundheitskioske Teil des neuen Gesetzes, müsste die Stadt lediglich 20 Prozent der derzeit geschätzten Kosten von 400.000 Euro jährlich tragen, also 80.000 Euro. Zunächst haben sich die beiden Kostenträger – Bochum und die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) – darauf geeinigt, dass jeder 200.000 Euro pro Jahr übernimmt. Und das würde wohl auch so bleiben, sollten die Gesundheitskioske nicht gesetzlich eingeführt werden.

Im nicht-öffentlichen Teil der jüngsten Ratssitzung hat die Politik nach Informationen dieser Redaktion einem Vertrag mit der Betreibergesellschaft „sowie einer ebenfalls an der Finanzierung beteiligten gesetzlichen Krankenkasse“, wie es heißt, zugestimmt. Die Vereinbarung gilt zunächst für 22 Monate. „Und danach muss man gucken, ob es doch noch im Gesetz verankert wird“, sagt Sozialdezernentin Britta Anger.

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Mit ihrer Haltung steht die Stadt Bochum nicht allein da. Die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitskioske Nordrhein-Westfalen (LAG GK NRW) argumentiert, „Gesundheitskioske fungieren als Brückenbauer und Berater, um insbesondere Menschen mit sozialen Benachteiligungen den Zugang zum Gesundheitssystem zu erleichtern.“ Dort, wo sie in den vergangenen Jahren eingerichtet wurden, „haben sie sich bereits nach kurzer Zeit als effektive Instrumente zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung erwiesen.“ Das zeige sich auch in anderen Ländern wie Finnland, den USA und Kanada.

Befürworter sprechen von erheblicher Kostenentlastung

Nach Auffassung der LAG führten Gesundheitskioske zudem zu einer erheblichen Kostenentlastung im Gesundheitswesen, da sie teure Fehlsteuerungen vermeiden helfen. Ein Grund mehr, sie einzuführen. Dass Haushaltspolitiker in Berlin sie verhindern wollen, sei zudem unverständlich, weil Kosten gar nicht durch den Bundeshalt getragen werden, sondern von Kommunen und Krankenkassen.

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Gute Erfahrungen mit dem Gesundheitskiosk in Essen und Aachen

Aus Sicht der Stadt sei es „total enttäuschend“, dass die Gesundheitskioske nun doch Teil der Gesetzgebung werden sollen. Anger: „Wir halten sie für sehr wichtig. Und die Erfahrungen in Essen und Aachen zeigen auch, dass man damit die Bevölkerung gut erreicht.“

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In den Kiosken werden Menschen nicht medizinisch behandelt, sondern beraten; z. B. könnte es darum gehen, „eine Diagnose in einem Arztbrief zu erklären, die man selbst als Normalbürger ja manchmal kaum versteht“, so die Sozialdezernentin in einem früheren Gespräch mit dieser Redaktion. Einen Standort für die neue Einrichtung gibt es bereits; in dem schmucken Neubau der VBW an der Ecke Voedestraße/Friedrich-Ebert-Straße. Bis zum offiziellen Start bietet das Gesundheitsamt dort bereits Beratungsleistungen etwa zu Familienhebammen, zahnärztlicher Prophylaxe, sozialpsychiatrische Hilfen und zu sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten.

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