Bochum. Gäste werden beleidigt, Personal bedroht: In der Innenstadt gibt es Probleme mit Bettlern. In Essen hat man reagiert. Das sagen Bochumer Wirte.

Neulich am Bratwursthaus. „Habt ihr Geld?“, fragt ein Obdachloser die Gäste an den Außentischen. Einer zeigt Herz und drückt ihm einen Euro in die Hand. „Haste keinen Schein, Alter? Verpiss dich!“, beschimpft der Obdachlose den Spender, der von seiner Partnerin nur mit Mühe zurückgehalten werden kann, sich seinen Euro zurückzuholen. Aggressives Betteln verärgert Besucher des Bermudadreiecks. Dem Beispiel Essen mögen die Gastronomen aber noch nicht folgen. Dort sind jetzt private Sicherheitskräfte im Einsatz.

Bermudadreieck: Beleidigungen und Bedrohungen nehmen zu

„Eins für alle“: So wirbt Bochums Ausgehviertel mit seinen mehr als 80 Betrieben und jährlich vier Millionen Partygängern. Auch Bettler (offiziell: „Nichtsesshafte“) sind allabendlich auf der Kortum- und Brüderstraße unterwegs. Die allermeisten seien fried- und freundlich, sind vielfach als Straßenmusiker gern gesehen, betont Ronald Gottwald, Vorstandsmitglied der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG).

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Doch immer häufiger – so beobachten Stammgäste – kommt es zu Beleidigungen und Bedrohungen. Sogar von Schlägen ins Gesicht und Spuckattacken wird berichtet. Die ISG erkennt bei einzelnen Personen einen Zusammenhang zur Krisenhilfe, unweit gelegen an der Viktoriastraße. Schon seit Jahren beklagen die Bermuda-Wirte „unhaltbare Zustände“ rund um die Drogenberatung, fordern die Stadt auf, einen anderen Standort zu finden. Bislang ohne Ergebnis.

Bochumer Sicherheitsverordnung regelt, was erlaubt ist und was nicht

Was erlaubt und was nicht, regelt die Bochumer Sicherheitsverordnung. Sie untersagt das „aggressive Betteln“. Was damit gemeint ist? Die Verordnung klärt auf: „Wenn die bettelnde Person die angebettelte Person anfasst, festhält, bedrängend verfolgt, hartnäckig anspricht, Tiere als Druckmittel einsetzt oder sich (...) in den Weg stellt, legt oder setzt.“

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Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes sind laut Stadt täglich in der Innenstadt im Einsatz, um die Vorgaben zu überprüfen. Regelmäßig würden Platzverweise erteilt. Streetworker stünden für Hilfe und Beratung bereit.

In der Bochumer Innenstadt gehören Bettler zum Straßenbild. Die meisten sind fried- und freundlich. Doch auch das aggressive Betteln nimmt zu.
In der Bochumer Innenstadt gehören Bettler zum Straßenbild. Die meisten sind fried- und freundlich. Doch auch das aggressive Betteln nimmt zu. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Wirte in Bochum setzen noch auf den kommunalen Ordnungsdienst

Das helfe im Alltag oft, aber nicht immer, weiß man auf der Partymeile. Es gibt Probleme mit aggressiven Bettlern, gerade in der Außengastronomie, bekräftigt Ronald Gottwald: nicht nur für die ISG, sondern auch für das Bratwursthaus, dessen Geschäftsführer er ist.

Noch setze man auf die städtischen Ordnungshüter, wenn‘s ernst wird auch auf die Polizei. Verschärfe sich die Lage, stehe man der Idee eines privaten Sicherheitsdienstes aber offen gegenüber, so Gottwald auf WAZ-Anfrage.

Einzelhandelsverband begrüßt Modellprojekt in Essen

Rund um den Kennedyplatz in der Essener Innenstadt sind im Rahmen eines Modellprojekts für drei Monate sogenannte Gastro-Streifen auf Kontrollgang. Sie sollen in Abstimmung mit Polizei und Ordnungsamt aggressive Bettler auf Distanz halten. Die Kosten teilen sich die Gastronomen und die Essen Marketing Gesellschaft (EMG). Bedarf gebe es reichlich, heißt es in der Nacharstadt. Nicht nur Gäste würden belästigt. Auch Servicekräfte hätten immer wieder Stress mit Bettlern. Es sei schon zu Handgreiflichkeiten gekommen.

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Marc Heisterkamp, Chef des Einzelhandelsverbandes Ruhr, begrüßt die Initiative in Essen als „gutes Beispiel für ein konstruktives Miteinander zum Nutzen der gesamten Innenstadt“. In Bochum zeigt man sich zurückhaltend. Auf WAZ-Anfrage erklären die Stadt und die Bochum Marketing GmbH gleichermaßen, dass in der City „nichts Derartiges geplant ist“.

Passant am Hauptbahnhof musste ins Krankenhaus

Das könnte sich ändern, wie ein Vorfall kürzlich am Bochumer Hauptbahnhof zeigt. Ein 51-jähriger Mann wird abends von einem Bettler (37) nach Geld gefragt. „Ich habe keines dabei“, sagt der Passant. Der Bettler schlägt ihm laut Polizei mit der geballten Faust auf den Hinterkopf. Der 51-Jährige muss mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Der Bettler kann wenig später von der Polizei festgenommen werden.