Bochum. Kiffen ist jetzt legal. Dadurch steige die Gefahr seelischer Erkrankungen, befürchtet ein Psychiatrie-Professor. Die Drogenberatung widerspricht.

Die Teilfreigabe von Cannabis stößt bei Bochumer Medizinern auf erhebliche Vorbehalte. Insbesondere psychische Erkrankungen könnten zunehmen. Die Drogenberatung indes betont: Cannabis ist keine Einstiegsdroge.

Seit dieser Woche sind das Kiffen und der Cannabis-Anbau in Deutschland unter Auflagen erlaubt. Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm zum Eigenkonsum besitzen. Das könne „massive Folgen“ für die psychische Gesundheit haben, sagt Prof. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des Bochumer LWL-Universitätsklinikums und bundesweit renommierter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Klinik-Professor: Schizophrenie-Patienten sind meistens Kiffer

Seine Warnung ist eindringlich. „Neun von zehn Schizophrenie-Patienten in unserer Klinik sind Kiffer. Es ist wissenschaftlich belegt, dass regelmäßiger Cannabis-Konsum diese schwere Erkrankung, von der eine Million Menschen in Deutschland betroffen sind, triggert“, so Juckel.

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Ein erleichterter Zugang zum „Gras“ erhöhe zudem das Risiko für eine Psychose. „Die Menschen hören Stimmen, haben Wahnvorstellungen. Das sehen wir hier an jedem Wochenende.“

Weniger schädlich, gleichwohl bedenklich sei die „typische Kiffer-Mentalität mit null Bock auf gar nichts“. Ein Joint mache das Leben vermeintlich bunter, entspannter. Damit das so bleibt, müsse der nächste Joint her. „Das kann böse Konsequenzen für den Einzelnen, aber auch unsere Gesellschaft haben“, sagt Juckel. Sein Fazit: Die Gefahren von Cannabis für die Psyche würden vielfach unterschätzt.

Prof. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums in Bochum, warnt vor schweren psychischen Erkrankungen durch den Konsum von Cannabis.
Prof. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums in Bochum, warnt vor schweren psychischen Erkrankungen durch den Konsum von Cannabis. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Oberarzt erkennt erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle

Auch Prof. Simon Faissner, Oberarzt in der Klinik für Neurologie im Bochumer St.-Josef-Hospital, betrachtet das Cannabis-Gesetz kritisch. „Neben dem viel diskutierten Suchtrisiko gibt es negative Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit“, betont Faissner.

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In einer kürzlich erschienen US-amerikanischen Forschungsarbeit zeige sich – unabhängig vom Nikotinkonsum – zudem ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Der leichtere Zugang zu Cannabis gebe Anlass zur Sorge um „mögliche neurologische Folgeschäden“.

Bochumer Krisenhilfe: Cannabis ist keine Einstiegsdroge

Jan Gerrit Weweler, pädagogischer Leiter der Bochumer Krisenhilfe mit der Drogenberatungsstelle an der Viktoriastraße, widerspricht „der hartnäckigen These, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist und zwangsläufig in den Konsum von stärkeren Drogen wie zum Beispiel Heroin führt“.

Dies sei seit langem widerlegt, so Weweler. „Viele Menschen, die ,harte‘ Drogen konsumieren, rauchen auch Cannabis. Das stimmt. Der Großteil der Cannabis-Konsumenten raucht jedoch ausschließlich Cannabis.“

Die Krisenhilfe Bochum mit ihrer Drogenberatungsstelle an der Viktoriastraße (Foto) widerspricht der These, Cannabis sei der Einstieg für härtere Drogen.
Die Krisenhilfe Bochum mit ihrer Drogenberatungsstelle an der Viktoriastraße (Foto) widerspricht der These, Cannabis sei der Einstieg für härtere Drogen. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Drogenberater: Hilfs- und Bildungsangebote sind entscheidend

Die Annahme in Teilen der Bevölkerung und der Politik, dass die Teillegalisierung zu höherem Cannabiskonsum bei Jugendlichen und in Folge dessen zu mehr Konsum von stärkeren Drogen führen könnte, gehe aus Sicht der Krisenhilfe „am Thema vorbei“. Der Einstieg in eine Drogenkarriere und eine Abhängigkeit stehe in Verbindung mit vielen anderen Faktoren: der familiären, wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Situation eines Menschen.

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„Deshalb ist es für den Schutz und die Stärkung unserer Kinder und Jugendlichen viel entscheidender, welche Hilfs- und Bildungsangebote und Zukunftsperspektiven wir in unserer Gesellschaft anbieten“, bekräftigt Jan Gerrit Weweler. Weniger entscheidend sei, „ob Cannabis legal ist oder nicht“.

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