Bochum. Seit Jahren werden in der Krisenhilfe Bochum junge Menschen beraten, die Probleme mit Drogen haben. Welche Konsequenzen hätte legales Kiffen?

„Legalize It“ sang und forderte die Reggae-Größe Peter Tosh in den 70ern und ließ sich für das Cover des damals hoch politischen Albums genüsslich an einer Pfeife ziehend mitten in einer Cannabis-Plantage ablichten. Den damals verrückt-schillernden Wunschtraum der Kifferszene hierzulande scheint jetzt die Ampel-Bundesregierung Wirklichkeit werden zu lassen. In Bochum, so zeigen es auf unsere Stadt heruntergerechnete Bundes-Zahlen, haben knapp 2000 Jugendliche (10,1 %, dieser Altersgruppe) zwischen 12 und 17 Jahren und mehr als 13.000 junge Menschen (41,4 %) zwischen 18 und 25 Jahren bereits mindestens einmal gekifft.

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Was im Koalitionsvertrag steht

So heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel unter der Überschrift Drogenpolitik:

„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzenverhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“

Das Gesetz soll nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen überprüft werden. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderungermöglichen bauen sollen aussgebaut werden heißt es zudem dort einwenig nebulös.

Wie aktuelle Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) dokumentieren, war die Zahl junger Cannabis-Konsumenten seit 2004 rückläufig, seit 2016 nimmt sie jedoch stetig zu. Wenn vermutlich noch in diesem Jahr der kontrollierte Verkauf von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken (siehe Infobox) unter bestimmten Bedingungen erlaubt wird, bedeutet dies nicht nur für die Nutzer Konsequenzen: Was sagt die Bochumer Drogenberatung Krisenhilfe, die junge Konsumenten und Konsumentinnen berät, zu diesen Plänen?

In den Räumen der Beratungsstelle „Inechtzeit“ wird über die Gefahren von Drogen informiert. Ellen Buchholz leitet die Einrichtung. Sie sieht im Prinzip die Entkriminalisierung von Cannabis positiv. 
In den Räumen der Beratungsstelle „Inechtzeit“ wird über die Gefahren von Drogen informiert. Ellen Buchholz leitet die Einrichtung. Sie sieht im Prinzip die Entkriminalisierung von Cannabis positiv.  © WAZ | Weeke

Die Beratungsstelle „Inechtzeit“, die sich bei der Krisenhilfe um Cannabis kümmert, hat bereits vor einiger Zeit in einer Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss des Landes NRW deutlich gemacht. Damals ging es um die mögliche Einrichtung eines Modellprojektes: „Grundsätzlich steht die Krisenhilfe eine Entkriminalisierung und Legalisierungstendenzen von Cannabis positiv gegenüber.“ Leiterin Ellen Buchholz macht jedoch ganz deutlich, dass hierbei der Jugendschutz eine wichtige Rolle zu spielen habe.

Je jünger, desto höher die Gefahren

„Wir wissen heute, dass, je jünger Jugendliche beim Erstkonsum sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Suchtentwicklung und auch die Risiken von körperlichen oder psychischen Schäden“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin.

Gravierende Auswirkungen auf die Arbeit der Beratungsstelle seien sicher. So kamen etwa 2019 insgesamt 365 Jugendliche und junge Erwachsenen (meist) aufgrund von Cannabiskonsum zu Beratungen. Ein Viertel davon allerdings wegen einer Auflage des Gerichtes. Häufig werden aktuell in Urteilen eine Beratung oder Kurse zur Pflicht gemacht, wodurch das Strafmaß geringer ausfalle.

Bei Beratung ist die Motivation manchmal nicht hoch

Dabei beobachten die Fachleute, dass bei solchen Menschen natürlich die Motivation nicht unbedingt hoch sei. Eine Entkriminalisierung könnte so auch die Motivation steigern. Buchholz: „Wenn der Konsum nicht mehr verboten ist, könnte die Bereitschaft zunehmen, darüber zu sprechen .“ Denn die Strafandrohung ließe oft noch zögern, offen etwa über den eigenen Cannabiskonsum zu sprechen.

Was die Krisenhilfe in diesem Zusammenhang ebenso beschäftigt, sei die Tatsache, dass der Konsum der legalen Drogen Alkohol und Nikotin in den letzten Jahren zum Teil sehr drastisch zurückgegangen sei, die Zahl der Cannabis-Konsumierenden jedoch in den letzten 20 Jahren auf ähnlichem Niveau liege – zuletzt mit klar steigender Tendenz.

„Da fragt niemand nach dem Ausweis“

Max Lucks von den Grünen sitzt neu für Bochum im Bundestag. Seine Partei setzt sich seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis ein, doch ist das auch seine Auffassung? „Entschieden ja. Wenn ich etwa in Bochum nachts an bestimmen Stellen vorbeilaufe, könnte ich auch heute schon jederzeit Cannabis kaufen, und da würde mich niemand nach dem Ausweis fragen.“ Dies sei aber wichtig. Mit einer Legalisierung, so der 24-Jährige, lasse sich der Jugendschutz effektiver gestalten und zumindest ein Teil der illegalen Handelswege werde so empfindlich gestört.