Bochum. Vor 170 Jahren wurde Schlegel in Bochum gegründet. Warum die Brauerei vor über 40 Jahren dicht machte – das Bier aber bis heute verkauft wird.

„Bochumer Dreiklang, merk‘ ihn dir: Kohle, Eisen, Schlegel-Bier.“ Klaus Joachim Schlegel geht der 100 Jahre alte Werbespruch flüssig über die Lippen. Stolz ist der Bochumer auf ein Jubiläum, für das sein Urgroßvater den Grundstein legte. Vor 170 Jahren nahm die Schlegel-Brauerei ihren Anfang. Das Unternehmen ist längst Geschichte. Das Bier gibt‘s noch immer.

Bochum und Schlegel: Das scheint zusammenzugehören wie Krupp und Stahl. Dabei liegen die Wurzeln in Bayern, genauer: in Mittelfranken. In seinem Heimatort Rothenburg ob der Tauber erlernt der 1821 geborene Johann Joachim Schlegel die hohe Kunst des Bierbrauens. Mit 29 Jahren kommt er nach Bochum. Mit seinem untergärigen bayerischen Bier will der Bajuware den Durst im industriell aufstrebenden Ruhrgebiet löschen.

Johann Joachim Schlegel war vor 170 Jahren Gründer der Schlegel-Brauerei in Bochum. Der Braumeister kam damals aus Bayern ins Ruhrgebiet.
Johann Joachim Schlegel war vor 170 Jahren Gründer der Schlegel-Brauerei in Bochum. Der Braumeister kam damals aus Bayern ins Ruhrgebiet. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Schlegel-Brauerei wurde im Keller des Gasthauses Hasselkuss gegründet

1854 macht sich Schlegel im Keller des Gasthauses Hasselkuss an der Alleestraße (heute Willy-Brandt-Platz, zuletzt firmierte hier das „Game“) selbstständig. Unten wird das Bier gebraut, oben wird gezecht und gezahlt. Besser könnte der Standort kaum sein: Ebenfalls 1854 nimmt gleich in der Nähe der Bochumer Verein den Betrieb auf.

Wo man Bier braut, da lässt sich’s gut leben: Der Trinkspruch ebnet die Expansion der Export-Brauerei. Schlegel braucht bald mehr Platz, erwirbt 1859 das Grundstück gegenüber dem Wirtshaus. Dort wächst die Schlegel-Brauerei mithilfe von (siehe oben) „Kohle und Eisen“ und Tausenden neuen Arbeitsplätzen zur Großbrauerei heran.

Markenzeichen zeigt Küferhämmer aus dem Familienwappen

1890 verstirbt Johann Joachim Schlegel. Neun Jahre später wandeln seine Nachfahren den Familienbetrieb in eine Aktiengesellschaft um, die nach dem Ersten Weltkrieg mit der Bochumer Brauerei Scharpenseel verschmilzt. Zu dieser Zeit ist das Logo schon weit über Bochum hinaus bekannt: drei aneinander stoßende Küferhämmer, die aus dem Wappen der fränkischen Brauer-Dynastie stammen, mit dem traditionellen Bergbau-Schlägel nichts gemein haben, als Markenzeichen aber prima ins Revier passen.

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Schlegel vereinnahmt in den folgenden Jahrzehnten sechs kleinere Brauereien in der Region, in Bochum unter anderem die Victoria-Brauerei. Weithin sichtbar ist der 1927 errichtete, 58 Meter hohe Siloturm gegenüber dem vier Jahre später fertiggestelltem Rathaus.

Dieses Archiv-Luftbild zeigt die damalige Schlegel-Brauerei in der Bochumer Innenstadt. In den 1960er Jahren war sie die achtgrößte Brauerei in Deutschland.
Dieses Archiv-Luftbild zeigt die damalige Schlegel-Brauerei in der Bochumer Innenstadt. In den 1960er Jahren war sie die achtgrößte Brauerei in Deutschland. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

In den 1960er Jahren war Schlegel eine nationale Brauerei-Größe

In den 1960er Jahren ist man mit einem Jahresausstoß von mehr als 500.000 Hektolitern und über 700 Mitarbeitern die Nummer acht in Deutschland. „Das war die Hoch-Zeit. Danach ging‘s bergab“, sagt Urahn Klaus Joachim Schlegel (88), der selber mehr als 40 Jahre in der Brauwirtschaft tätig war: zunächst als Personalchef bei Schlegel, zuletzt als Pressesprecher der Dortmunder Union-Brauerei. Im Ruhestand macht er sich als mehrfach ausgezeichneter „Botschafter des Bieres“ und Ehrenpräsident der Stiftergesellschaft für das Brauerei-Museum in Dortmund stark.

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In den 1970er Jahren beginnt der Siegeszug des Pils in Deutschland. Exportbier ist auf dem Rückzug. Die Bochumer schlüpfen unter das Dach der Dortmunder Union, um ihren „Bierbezugsverpflichtungen“ (Klaus Joachim Schlegel) nachzukommen. Doch das Aus ist nicht mehr abzuwenden. 1980 wird die Produktion in Bochum stillgelegt. Die Landesentwicklungsgesellschaft lässt die meisten Teile der Brauerei später abreißen und neu bebauen. Übrig bleiben der „Schlegelturm“ und weitere Gebäude als modernisiertes Geschäfts- und Dienstleistungszentrum.

Mit diesen Anzeigen wurde einst Werbung für das Bochumer Schlegel-Bier gemacht. Die drei Küferhämmer unten rechts sind bis heute das Markenzeichen.
Mit diesen Anzeigen wurde einst Werbung für das Bochumer Schlegel-Bier gemacht. Die drei Küferhämmer unten rechts sind bis heute das Markenzeichen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Nachwuchs schlägt mit „Kultur-Club“ den Bogen zur Jugend

Der Bogen zur jungen Generation ist geschlagen. 2022 haben Felix Hauschulz, Jakob Hartung und Jakob Kröner an historischer Stätte den „Schlegel Kultur-Club“ an den Start gebracht. Der urige Keller samt einstiger Brauerei-Küche bietet an Wochenenden die stylische Kulisse für den 300-Quadratmeter-Partytreff mit House, Techno und DJ-Sets zwischen High-Class-Soundsystem und Retro-Mobiliar (Infos auf schlegel-club.de).

Und auch Schlegel als Bier ist nach wie vor erhältlich. 2002 sicherten sich Martin Zünkeler und Dirk Link die Markenrechte. Nach Originalrezept ließen sie das Bochumer Exportbier in einer Schwelmer Brauerei produzieren. „Inzwischen wird Schlegel Urtyp als Flaschenbier von Stauder in Essen gebraut“, berichtet Klaus Joachim Schlegel und spricht von einer „nostalgischen Liebhaberei. Pro Jahr werden einige tausend Hektoliter unter anderem für den Fachmarkt ,Getränkewelt‘ hergestellt. Das ist nichts mehr, was massenhaft zu verkaufen ist. Das schenkt der Enkel seinem Opa.“

Unter Sammlern sind Schlegel-Utensilien heiß begehrt. 2021 stellte die WAZ in Bochum Ulf Glißmann vor, der unter anderem eine ungeöffnete Schlegel-Bierdose aus dem Jahr 1969 besitzt.
Unter Sammlern sind Schlegel-Utensilien heiß begehrt. 2021 stellte die WAZ in Bochum Ulf Glißmann vor, der unter anderem eine ungeöffnete Schlegel-Bierdose aus dem Jahr 1969 besitzt. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

„Bochumer Dreiklang“ ist vielen älteren Bochumern noch präsent

Groißvater hat beim Zuprosten vielleicht noch den Jahrzehnte gültigen Werbespruch im Kopf: „Bochumer Dreiklang, merk‘ ihn dir: Kohle, Eisen, Schlegel-Bier.“