Bochum. 895 von 900 Punkten: Antonino Vinciguerra aus Bochum hat fast das perfekte Abitur hingelegt. Nun verfolgt er sein nächstes Ziel.
Es gibt Menschen, bei denen sich andere fragen: Wie um Himmels willen schafft der das alles? Antonino Vinciguerra ist so ein Mensch. Dreimal die Woche Fußballtraining, Ehrenamt im Jugendzentrum, Minijob. Und jetzt auch noch: Abitur 1,0.
Abi auf dem zweiten Bildungsweg - das geht
Der 22-jährige Bochumer hat sein Abi auf dem zweiten Bildungsweg gemacht, auf einem Weiterbildungskolleg, das jeweils im Februar und nach den Sommerferien einen Jahrgang starten lässt. Im Dezember hat er seine Ergebnisse bekommen. Und es ist nicht irgendein 1,0, das Vinciguerra da hingelegt hat – im Winterabitur ist er mit 895 von 900 möglichen Punkten bundesweit der beste Abiturient.
"Rechnerisch würde mein Schnitt eigentlich 0,69 entsprechen", sagt er. Auch mit Blick auf das gesamte Jahr ist Vinciguerra eine Top-Platzierung schon garantiert. "Hier liegen die Auswertungen aber noch nicht vor", sagt er.
Bochumer verliert nur bei der Mathe-Prüfung einen Punkt
Zwei Jahre lang stand er in jedem Fach 15 Punkte, also "sehr gut plus". "Den einzigen Punkt habe ich in der schriftlichen Abiturprüfung in Mathe verloren, dort bin ich auf 14 Punkte gekommen", sagt er. Übersetzt heißt das immer noch: "sehr gut" – eine Note, von der viele im Fach Mathematik wohl träumen dürften. Doch weil die Punkte in den Abiturprüfungen fünffach gewertet werden, landete er am Ende bei 5 Punkten weniger als rechnerisch möglich.
Dass Vinciguerra einen zweiten Anlauf fürs Abitur unternommen hat, kam so: Vor mehreren Jahren besuchte der Bochumer die Erich-Kästner-Schule, brach aber nach der 12. Klasse ab und begann eine Ausbildung als Kaufmann für Versicherungen und Finanzen. Sein eigentliches Ziel aber, schon seit Kindheitstagen, ist ein anderer Beruf: Vinciguerra möchte Medizin studieren, Arzt werden.
Antonino: „Noten hätten damals nicht gereicht“
"Meine Noten hätten damals nicht gereicht und ich habe mich nicht genug ins Zeug gelegt", sagt er rückblickend. Als ihm dann, nach fertiger Ausbildung, ein Job angeboten wurde, lehnte Vinciguerra ab. "Für meine Familie war das erstmal ein Schock", sagt er. Ein sicheres und gutes Gehalt ausschlagen, um das Abitur nachzuholen? Vinciguerra stieß auf Skepsis.
Doch er ging seinen Weg und meldete sich am Westfalen-Kolleg in Dortmund an. "Ich bin der Erste in meiner Familie, der Abitur gemacht hat", sagt er. Bildung sei in seiner Familie nie besonders anerkannt gewesen und er sei in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. "Umso stolzer und glücklicher ist meine Familie jetzt", sagt der 22-Jährige.
Nach dem Super-Abi: Klares Ziel vor Augen
Derzeit macht er ein Praktikum im Bergmannsheil in Bochum, 90 Tage lang. "Das brauche ich für mein Medizinstudium. Man kann es entweder während des Studiums machen oder bereits vorab", sagt er. In welchen medizinischen Bereich er später gehen möchte, das weiß er jetzt noch nicht genau. "Aktuell interessieren mich die Orthopädie und die Unfallchirurgie", verrät er. Aber auch Forschungstätigkeiten im Bereich der Neurowissenschaften könnte er sich vorstellen.
"Ich habe mich für ein Medizinstudium eingeschrieben und hoffe auf eine Zusage für die Universität Münster in den nächsten Tagen", sagt er. Dass er ein Ziel vor Augen hatte, hat den Bochumer unheimlich motiviert. "Das war mein größter Antrieb beim Lernen", sagt er. Seine Abiturfächer waren Mathe und Erdkunde sowie Biologie und Spanisch.
Abi mit 0,7er-Schnitt: Wie Antonino gelernt hat
Gepaukt hat Vinciguerra übrigens täglich, etwa eine Stunde lang. Zeit für Freizeit blieb so trotzdem ausreichend. "Außerdem habe ich die Ferien für Vorbereitungen genutzt", verrät er. Die Lehrpläne hat er online eingesehen, um zu wissen, welche Themen im nächsten Schuljahr auf ihn zukommen. "So habe ich vorgearbeitet", sagt er. Ein Tipp, den er auch anderen Schülerinnen und Schülern geben würde.
Anfangs hätten ihn Mitschüler beäugt. Selbst Lehrer wunderten sich: Wie kann die Klassenarbeit so nah am Lösungsvorschlag liegen? "Ich wurde bei Klassenarbeiten sogar einzeln hingesetzt", sagt Vinciguerra und lacht. Seine Mitschüler hätten schnell gemerkt, dass er kein typischer "Streber" ist, der seine freie Zeit nur mit Lernen verbringt.
Für sein Medizinstudium will sich der 22-Jährige auch für ein Stipendium bewerben. Wenn es so weiterläuft wie bisher, dürfte dem nichts im Weg stehen.
>>> Info: Mehr Einser-Abis als vor einigen Jahren
Zum Bestehen des Abiturs braucht man mindestens 300 Punkte (Durchschnitt: 4,0). Maximal gibt es 900 Punkte. Die Note 1,0 steht bei einer erreichten Punktzahl ab 823 auf dem Zeugnis.
Eine 1,0 gibt es heute bundesweit öfter als noch vor einigen Jahren. 2022 machten in NRW 2.430 Schülerinnen und Schüler ein Abitur mit der Bestnote 1,0. Das sind 3,2 Prozent aller Abiturientinnen und Abiturienten. 2019 waren es noch 1,9 Prozent.