Bochum. Wegen einer Messerattacke auf seine Ex-Freundin soll ein Bochumer zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Hier die Plädoyers zu dem Verbrechen.
„Es ist ein medizinisches Wunder, dass sie die Tat überlebt hat.“ Das sagte am Dienstag Staatsanwalt Danyal Maibaum vor dem Bochumer Schwurgericht. Er meinte eine 24-jährige Bochumerin, die in Wattenscheid von ihrem Ex-Freund (26), von dem sie sich wenige Tage zuvor getrennt hatte, extrem schwer mit zwei Messern verletzt worden war. Maibaum forderte für ihn die Höchststrafe: lebenslange Haft wegen versuchten Mordes.
Die beiden waren seit 2020 ein Paar und zogen später zusammen in eine Wohnung an der Günnigfelder Straße. Man verstand sich gut. Dann aber bekam er erhebliche psychische Probleme und verlor seine Arbeit. Er wurde tablettensüchtig. „Ich war gestresst von der ganzen Situation, dass alles an mir hängenblieb, dass er immer nur auf dem Sofa lag. Er wirkte depressiv und antriebslos“, sagte die 24-Jährige, eine Auszubildende, im Prozess. Außerdem soll ihr damaliger Freund zuletzt sehr eifersüchtig gewesen sein und ihr Handy kontrolliert haben.
Aus Güte ließ die Bochumerin ihren Ex-Freund wieder bei sich einziehen, vorübergehend
Am Osterfest trennte sie sich von ihrem Freund. Er zog aus. Weil er aber keine feste Bleibe fand, bat er sie, vorübergehend wieder bei ihr wohnen zu können, bis er eine eigene Wohnung hat. Aus Güte erlaubte sie ihm das. Er nächtigte auf dem Sofa im Wohnzimmer. Gleichzeitig machte er sich Hoffnung, dass sie wieder ein Paar werden. Am 25. April machte sie ihm aber klar, dass daraus nichts wird.
In der darauffolgenden Nacht eskalierte alles. Während die Frau schlief, ging der Mann nach Überzeugung des Staatsanwalts gegen 5 Uhr in ihr Schlafzimmer und stach mit einem Messer „unter Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit“ überaus massiv auf sie ein. Die schwer verletzte Frau flüchtete ins Bad, wurde dort aber weiter angegriffen. Zwischenzeitlich besorgte der Mann sich ein zweites Messer. Maibaum spricht von mindestens 20 Stichen am ganzen Körper, an den Beinen und am Kopf.
„Sie war eigentlich zweimal tot und musste zweimal zurückgeholt werden“
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Gestoppt wurde die Bluttat erst, als die von Hilfeschreien alarmierte Familie, die im selben Haus wohnt, in der Wohnung erschien. Während der 26-Jährige festgenommen wurde, rettete ein riesiges Ärzteteam im Bergmannsheil die junge Frau. Weil zufällig gerade Schichtwechsel war konnte viel Personal helfen. Bis zu 30 Ärzte und andere Beschäftigte gleichzeitig waren im Einsatz. „Sie war eigentlich zweimal tot und musste zweimal zurückgeholt werden“, sagte Maibaum. 99 Prozent der Menschen mit solchen Verletzungen hätten nicht überlebt. Bis heute leidet die Frau stark unter den Tatfolgen.
Urteil wird am 12. Dezember verkündet
Das Urteil wird am 12. Dezember verkündet.
Eine psychiatrische Gutachterin hält den Angeklagten für voll schuldfähig, trotz seiner Tablettenabhängigkeit.
Das Opfer wurde im Prozess an zwei Tagen vernommen. Auch beim Plädoyer saß die junge Frau im Saal.
Eine Abmilderung der Höchststrafe in eine zeitlich begrenzte Haftstrafe (drei bis 15 Jahre) wäre zwar möglich gewesen, das hält der Ankläger aber nicht für angemessen. Der Angeklagte habe „derart massiv“ auf die Frau eingestochen; „dass er davon ausgehen musste, dass sie an den Verletzungen sterben wird“.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte erklärte, dass er sich in der Tatnacht selbst habe töten wollen, mit Tabletten, Alkohol und einem Messer. Plötzlich habe er in der Frau aber wahnhaft jemanden anderes gesehen, der ihn bedrohe, und sich gewehrt. Verteidigerin Victoria Grenz spricht von „Verwirrtheit“, in der er die Arg- und Wehrlosigkeit (Mordmerkmal) nicht habe erkennen können. Sie fordert eine „milde Strafe“.
„Es tut mir furchtbar leid“, sagte der Angeklagte. Das Urteil wird am 12. Dezember verkündet.