Bochum. Zum Jahresende wird die Mehrwertsteuer angehoben, 2024 werden die Preise wohl wieder steigen. Um wie viel? Bochumer Gastronomen rechnen vor.
„Was auf uns zukommt, wissen wir noch nicht“, sagt Mario Oliveri (55), Inhaber vom „La Piazza“ am Alten Markt in Bochum-Wattenscheid. Zum neuen Jahr soll die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder angehoben werden. Dass die Preise in seinem Restaurant 2024 steigen werden, sei nicht ausgeschlossen.
Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz für Speisen im Restaurant von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Das galt zuvor nur für Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung. Ende 2023 läuft diese Regelung allerdings aus, nachdem sie wegen der Energiekrise mehrmals verlängert wurde. Gastronomen aus Bochum schlagen nun Alarm.
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Mehrwertsteuererhöhung: „Vielen Gastronomen in Bochum droht das Aus“
Bleibe es dabei, „wären wir als Gastronomen gezwungen, unsere Preise zu erhöhen“, erklärt Gastronom Christian Bickelbacher, Sprecher der Immobilien- und Standortgemeinschaft Bermudadreieck (ISG). Das wolle man den Gästen nicht zumuten. Ohnehin sei es aktuell schwierig, hohe Kostensteigerungen für Energie, Lebensmittel und Personal in Teilen an die Gäste weiterzuleiten. Eine Mehrwertsteuererhöhung um zwölf Prozentpunkte würde das Problem unweigerlich verstärken. Bickelbacher betont: „Esskultur muss bezahlbar bleiben!“
Restaurantschließungen im Bermudadreieck wären für die komplette Stadt – und weit darüber hinaus – eine absolute Katastrophe“, sagt Bickelbacher. Die Mehrwertsteuer müsse dauerhaft gesenkt bleiben. „Sonst droht auf Dauer vielen Gastronomen das Aus“, sagt er. Das sei die logische Konsequenz.
Im „La Piazza“ soll es nicht direkt zum 1. Januar eine Preiserhöhung geben, im Frühjahr und Sommer sei das aber gut möglich, so Inhaber Oliveri. Schließlich müsse man auch die Miete und Löhne weiterhin zahlen. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer gingen mehrere Tausend Euro verloren, die dem Betrieb natürlich fehlen.
„Wir müssen nicht nur an uns denken, sondern auch an die Gäste“
Ein Mittelweg sei zu finden. „Wir müssen nicht nur an uns denken, sondern auch an die Gäste“, sagt er Oliveri. Bisher seien die Preissteigerungen in seinem Restaurant noch moderat. Bei Nudelgerichten beispielsweise hätten sich die Preise seit Corona um etwa 15 Prozent erhöht. „Ein Getränk und ein Nudelgericht bekommt der Gast aber noch für ungefähr 15 Euro“, schildert er.
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Ein- bis zweimal pro Woche ist Dieter Kanneberg (79) zu Gast im „La Piazza“. Der Rentner aus Höntrop sagt: „Da macht man sich schon Sorgen, dass das die Preise erhöht. „Noch können wir uns das erlauben“, schildert ein Ehepaar, 73 und 77 Jahre alt, aus Wattenscheid. Jeden Sonntag gehen sie in ihrem Stammlokal essen, er nimmt gern das Wildschwein, sie eines der verschiedenen Nudelgerichte. Auf die Mehrwertsteuererhöhung blicke man aber ebenfalls mit Skepsis. „Wollen wir mal sehen“, sagt der 77-Jährige.
Inhaber Oliveri versichert: Sein Restaurant bleibe auf jeden Fall dem Standort, wo es sich seit fast 20 Jahren befindet, auf jeden Fall erhalten. Aber: „Man macht sich schon Gedanken“, sagt er. Noch mehr müsse sich aber die Politik Gedanken machen.
Schnitzel kostet bald fünf Euro mehr als vor Corona
Das sieht auch Heinz Bruns, Inhaber vom Haus Kemnade und Vizepräsident beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Westfalen so. Er fordert dauerhaft sieben Prozent Mehrwertsteuer. „Mittlerweile kann ich es nicht mehr verstehen. Es wird so viel an sozialer Struktur kaputtgemacht“, sagt er mit Blick auf die Erhöhung.
18,50 Euro hat das Schnitzel mit Bratkartoffel vor Beginn der Corona-Pandemie gekostet. Aktuell sind es 19.50 Euro – noch. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer werde der Preis voraussichtlich auf 23,50 Euro steigen. Auch eine Suppe, die aktuell sieben bis acht Euro kostet, wird dann wohl bei zehn Euro liegen. Bruns macht ganz deutlich: „Welcher Gastronom seine Preise nicht um 20 bis 25 Prozent erhöht, wird am Ende des Jahres nicht mehr im Wettbewerb stehen.“
Erhöhte Mehrwertsteuer: Weniger Restaurants, mehr Dönerläden?
Auf den Gast wirke das schnell so, als würde der Gastronom daran mitverdienen. „Doch nicht ein Cent davon wandert in unsere Tasche.“ Im Gegenteil: Kostensteigerungen durch Inflation und erhöhte Energiepreise seien gar nicht eins zu eins an die Kunden weitergegeben worden. Bruns: „Es bleibt nicht mehr das übrig, was vor Corona übriggeblieben ist.“
Der Inhaber des Haus Kemnade ist sicher, dass sein Betrieb auch die aktuelle Situation übersteht. „Ich kenne aber ganz viele, die das Potenzial nicht haben.“ Eine Konsequenz: Noch mehr Restaurants, die schließen, und dafür weitere Imbisse mit Döner oder Pizza.