Bochum. Der Bochumer Norbert Lammert hat gewarnt, die Demokratie für eine Selbstverständlichkeit zu halten. Er sprach bei einem Kanzlei-Jubiläum.

Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (74) aus Bochum hat davor gewarnt, die Demokratie in Deutschland als selbstverständlich hinzunehmen. In einer rhetorisch und intellektuell hochklassigen Festrede mit dem Titel „Demokratie braucht Demokraten“ sprach er zum 75-jährigen Bestehen der Bochumer Anwaltskanzlei Aulinger vor 350 geladenen Gasten in der Bochumer Jahrhunderthalle.

Seit dem Mauerfall sei die Zahl der „ernstzunehmenden Demokratien“ in der Welt kleiner geworden; es gebe heute nur noch zwei Dutzend. Die vergangenen 30 Jahre seien keinesfalls ein Siegeszug der Demokratien gewesen, sondern „ein Siegeszug des Populismus“.

„Die Zukunft war früher auch besser“

Anlässlich des Gründungsjahres der Bochumer Großkanzlei – 1948 – zitierte er den Kabarettisten Carl Valentin, denn der war in diesem Jahr verstorben: „Die Zukunft war früher auch besser.“ Was scheinbar lustig klinge, habe er aber einen ernsten Sinn. „Auch heute gibt es die Besorgnis, dass wir die besten Zeiten hinter uns haben könnten“, so Lammert.

350 Gäste waren zum Jubiläumsfest der Bochumer Kanzlei Aulinger in die Jahrhunderthalle geladen.
350 Gäste waren zum Jubiläumsfest der Bochumer Kanzlei Aulinger in die Jahrhunderthalle geladen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Die heutigen Herausforderungen für die Gesellschaft seien enorm: Klimawandel, Migrationsströme, die Digitalisierung auch in den Informations- und Kommunikationsprozessen und nicht zuletzt die Einführung der Künstlichen Intelligenz (KI). „Vielleicht ist die treuherzige Begeisterung dafür so groß, weil die Erfahrung mit der natürlichen Intelligenz so ernüchternd ist“, sagte der CDU-Politiker.

Vom Gastgeber, dem Anwalt, Notar und Kanzlei-Manager Markus Haggeney, wurde Lammert als „Bochumer Urgestein“ begrüßt. Den Gründer der Sozietät, den Anwalt Josef Hermann Dufhues, hat Lammert noch persönlich erlebt.

Kanzlei Aulinger startete in einer Wohnung an der Schillerstraße in Bochum

Dufhues, der von 1958 bis 1962 Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident in NRW war, arbeitete anfangs zunächst von seiner Wohnung an der Bochumer Schillerstraße aus. 1961 wurde der Bochumer Leonhard Aulinger sein Partner, ein Fachmann für Wirtschafts- und Steuerrecht. „Er hat mit Fleiß, Einsatzbereitschaft und Beharrlichkeit Maßstäbe gesetzt“, sagte Haggeney.

Die Sozietät ist heute ein mittelständiges Unternehmen und gilt eigenen Angaben zufolge als eine der traditionsreichsten führenden wirtschaftsberatenden Kanzleien in Deutschland. Rund 130 Menschen arbeiten dort, davon rund 100 am Gründungsstandort in Bochum, die übrigen in einer Villa in Essen.

Unter ihnen sind 46 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie 13 Notare. Ihr Geschäftsgebiet ist das Wirtschaftsrecht mit allen Spezialgebieten, etwa Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Immobilienwirtschaftsrecht, das Infrastrukturrecht, Energiewirtschaftsrecht, Planungs- und Umweltrecht sowie das Kartell-, Vergabe- und Beihilferecht.

Seit 2014 befindet sich die Kanzlei neben dem Justizzentrum am Ostring, in einem von Fiege vermieteten fünfgeschossen Neubau.