Bochum. Ein Sachverständiger hat im Fall der tödlichen Hausexplosion in Bochum mehrere Versäumnisse der Angeklagten festgestellt. Hier seine Erklärungen.
Im Bochumer Prozess um die tödliche Gasexplosion in Linden/Dahlhausen sind die beiden angeklagten Arbeiter (51, 30) am Montag stark belastet worden. Ein Sachverständiger (62) für Gasleitungen hat mehrere Versäumnisse festgestellt.
Am 10. Januar gegen 17 Uhr wurde im Bereich Keilstraße/Auf dem Pfade bei einer Horizontalbohrung in etwa 1,20 Meter Tiefe eine 43 Jahre alte Gasleitung mit 20 Zentimeter Durchmesser von einem Bohrkopf getroffen. Die je fünf Millimeter dicken Stahlwände des Rohres wurden vorn und hinten komplett durchtrennt. Die Löcher waren je 15 Zentimeter groß. Die Baufirma bohrte Kabelkanäle für Glasfaserleitungen. Die Gasleitung hätte aber bereits vor dem Bohrvorgang aus Sicherheitsgründen freigelegt werden müssen, meinte der Gutachter. „Das hätte das Ereignis verhindern können.“
„Ein blindes Bohren in Richtung Gasleitung ist nicht regelkonform“
Leitungspläne der Stadtwerke lagen der Tiefbaufirma zwar vor, doch dort war aber die Tiefe der Gasleitung nicht exakt angegeben. Lediglich ein Bereich zwischen 0,5 und zwei Metern wurde genannt. Eine örtliche Einweisung in den Leitungsverlauf durch die Stadtwerke wurde von der Baufirma nicht angefordert. Der Sachverständige sagte aber: „Ein blindes Bohren in Richtung Gasleitung ist nicht regelkonform.“
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Erst recht nachdem ein weiterer Arbeiter „Gas! Gas! Gas!“ gerufen haben soll, hätte eine „Suchschachtung“, eine kleine Baugrube ausgehoben werden müssen, um zu prüfen, ob etwas beschädigt worden sei. Schließlich sei der Bohrer zweimal auf deutliche Widerstände getroffen. Tatsächlich hatte der 51-jährige Angeklagte den Bohrer in diesem Moment auch gestoppt und wieder etwas zurückgezogen.
Bereits zuvor soll ihm der 30-jährige Angeklagte beim Bohren gesagt haben: „Wir sind jetzt auf einer Höhe, die nicht gut ist wegen der Gasleitung.“ Laut Gutachter hätte man wissen müssen: „Da muss etwas passiert sein.“
Gutachter: Bauarbeiter hätten sofort eine Baugrube ausheben müssen
Die Angeklagten hatten die Baustelle aber verlassen, ohne eine „Suchschachtung“ zu veranlassen oder
die Stadtwerke oder die Feuerwehr zu alarmieren. Nach geschätzt 15 Minuten, so der Gutachter, wäre dann das Gas abgeriegelt worden.
Die Angeklagten versichern, damals kein Gas gerochen zu haben; sie hätten daher keine Veranlassung zu einer „Suchschachtung“ gesehen. Laut ihren Messungen waren sie offenbar davon ausgegangen, dass sich der Bohrer unterhalb der Gasleitung durchwühlt; was ein Irrtum war. Der Gutachter sagt dazu aber: „Das Freilegen der Leitung beseitigt alle Unklarheiten.“ Auch wenn das den Nachteil zusätzlicher Kosten habe.
Der 62-Jährige sprach außerdem von einer „sehr unglücklichen Verkettung von Umständen“. Der Bohrkopf habe die Gasleitung aus reinem Zufall genau mittig und im rechten Winkel getroffen. Das sei wie beim Dartspiel – voll ins Schwarze. Bei einem nur geringfügig anderen Auftreffwinkel wäre der Bohrer seitlich abgerutscht.
Ölheizung soll Gas mit der Außenluft angesaugt haben
Gleichzeitig könne man von Glück sagen, dass es sich nur um eine Niederdruckleitung gehandelt habe. Bei einer Gasleitung mit Hochdruck hätte eine Explosion „ein Bild der Verwüstung erzeugt“, wie der Sachverständige meinte.
Aber auch so war der Explosionsdruck gewaltig. Nachdem im Untergrund etwa viereinhalb Stunden lang
Bauleiterin ist gelernte Gymnastiklehrerin
Offenbar für Erstaunen hat bei Gericht die Ausbildung der Bauleiterin der eingesetzten Tiefbaufirma gesorgt. Die 43-Jährige ist gelernte Gymnastiklehrerin und als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Jahrelang hatte sie aber auch als Bauleiterin gearbeitet.
„Ich weiß nicht, ob das Bestandteil einer Gymnastikausbildung ist“, kommentierte der Sachverständige.
Der Prozess wird fortgesetzt. Es gibt Termine bis 27. Oktober.
das Gas aus dem Leck austrat und das ganze Erdreich sättigte, krachte das komplette Einfamilienhaus an der Keilstraße 60 zusammen. Eine Bewohnerin (61) im Haus wurde von den Trümmern erschlagen.
Das Haus hatte gar keinen Gasanschluss. Doch der Gutachter vermutet, dass die Ölheizung im Keller der Grund war, dass trotzdem so viel Gas ins Gebäude eindrang. Die Heizung habe Luft von außen angesaugt. 35 Kubikmeter Luft seien in den Stunden zwischen dem Durchbohren und der Hausexplosion im Kellergeschoss ausgetauscht worden. Eine elektrische Zündquelle wie das Anspringen des Ölheizungsbrenners oder eine Waschmaschine könnten ausgereicht haben, um das Gas zu entzünden.