Bochum. Zeitgleich liefen am Mittwoch direkt nebeneinander eine pro-israelische und eine pro-palästinensische Demo in Bochum. Die Chronik des Abends.

  • In der Bochumer Innenstadt liefen am Mittwoch (18. Oktober) parallel zwei Demos zum Nahost-Konflikt
  • Vor dem Rathaus war eine „Kundgebung gegen Antisemitismus und Terror“ für Solidarität mit Israel
  • Direkt daneben, vor dem Citypoint, gab es zeitgleich eine pro-palästinensische Demo
  • Die Ereignisse des Abends in der Chronik

Zeitgleich und unmittelbarer nebeneinander ist es an diesem Mittwoch, 18. Oktober, in der Innenstadt von Bochum zu einer pro-israelischen und einer pro-palästinensischen Demonstration gekommen. Die Polizei mahnte im Vorfeld zur friedlichen Meinungsäußerung.

Zwei Demos in Bochum – die Ereignisse im Überblick

19.00 Uhr: Beide Demonstrationen sind beendet. Die Menschen laufen auseinander. Insgesamt 350 bis 400 Teilnehmer hat die Polizei am Ende bei der pro-israelischen Kundgebung vor dem Rathaus gezählt, etwa 200 bei der pro-palästinensischen Demonstration vor dem Citypoint. Die Bilanz: „Wir sind zufrieden“, so Polizeisprecher Frank Lemanis. „Es hat keine größeren Störungen und keine Konfrontationen gegeben. Damit endet auch die aktuelle Ticker-Berichterstattung der WAZ Bochum zu den beiden Demonstrationen.

18.48 Uhr: Die Kundgebung vor dem Rathaus nähert sich jetzt dem Ende. Es dämmert. Die Polizei macht jetzt mit ihren Bullys die Kreuzung dicht, so dass es keine Verbindung von Boulevard zum Rathaus gibt. Vor dem Rathaus spielt ein Bläserensemble die israelische Nationalhymne. Auf der Gegenseite werden weiter Parolen skandiert und palästinensische Flaggen geschwenkt. „Shalom Aleichem“ - Friede sei mit dir – singen einige Vertreter der Studentenorganisation. Auch auf der anderen Seite wird durchgesagt, dass die Demo vorbei sei.

„Hamas ist nicht Palästina!“, sagt ein Redner vor dem Rathaus

18.30 Uhr: Vor dem Rathaus ist zu hören: „Hamas ist nicht Palästina“, so ein Redner eines jüdischen Studentenverbandes. Die Hamas sei eine terroristische Organisation, die nicht unterstützt werden dürfe. Mit gezielten Falschinformationen, er spielt auf die Meldung von dem angeblich israelischen Angriff auf das größte Krankenhaus in Gaza an, sorge die Hamas dafür, dass weltweit Hass gegen Israel gesät werde.

18.20 Uhr: Auf der palästinensischen Seite bezeichnet ein Redner den Bochumer Oberbürgermeister als Feigling, weil dieser nach seiner Rede weggegangen sei. Der deutschen Bundesregierung und den Medien wirft er vor, die Wahrheit verschleiern zu wollen. Unter den Demonstranten sind viele junge Leute, viele junge Männer, aber auch Frauen und einige Kinder, von denen wiederum einige Bilder von Kindern in der Hand halten. „Augen auf, Augen auf, unsere Kinder gehen drauf“, tönt es.

Etwa 200 Menschen haben an der pro-palästinensischen Demo teilgenommen.
Etwa 200 Menschen haben an der pro-palästinensischen Demo teilgenommen. © FFS | Gero Helm

Redner beklagt Schweigen in der deutschen Zivilgesellschaft

18.10 Uhr: Ein Vertreter des Vereins Bagrut, Jannis Stenzel, spricht. Er zeigt sich enttäuscht über die geringe Teilnehmerzahl bei der pro-israelischen Kundgebung und sagt: „Es wird zu viel geschwiegen in der deutschen Zivilgesellschaft.“ Immer wieder gehen die Worte der Redner vor dem Rathaus unter, angesichts der lautstarken Äußerungen auf der anderen Straßenseite. Es sei ein Skandal, so der Bagrut-Vertreter, dass die Kundgebung parallel vor dem Citypoint genehmigt worden sei. Diesmal brandet auch Applaus auf dem Rathausvorplatz auf.

18.05 Uhr: Grigory Rabinovich, langjähriger Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Bochum, spricht. Er berichtet, dass viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde aktuell Angst haben, als Juden erkannt zu werden. Er steht mit Kippa auf der Bühne, sagt aber, diese habe er jetzt symbolisch auf, auf dem Heimweg werde er sie ablegen. In der Menge ist ein Schild zu erkennen, dass eine Frau über dem Kopf hält. Darauf steht: „Wo bin ich als Jüdin sicher? Grigory Rabinovich erzählt, er sei vor 30 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, um ein gutes Leben für seine Kinder zu haben, weil Deutschland ein freies Land sei. Auch die Menschen auf der anderen Seite des Rathausplatzes seien aus dem Ausland nach Deutschland gekommen, lebten in einem freien Land, wollten sich aber nicht an dessen Gesetze halten. Und: „Wir sind nicht gegen Palästinenser, wir möchten, dass unsere Kinder mit ihren Kindern in die Schule gehen. Aber unsere Kinder werden von ihren Kindern gemobbt.“

Bochums OB Eiskirch: „Dürfen nicht schweigen, wenn Terror bejubelt wird“

17.50 Uhr: Bochums Oberbürgermeister betont, dass die Kundgebung vor dem Rathaus ausdrücklich keine gegen die Palästinenser sei. Die Demonstrierenden „stehen an der Seite aller unschuldigen Zivilisten“. Auffällig ist: Während die Menschen auf dem Rathausvorplatz eher still sind und der Musik lauschen, die immer wieder eingespielt wird, ist es vor dem Citypoint laut. „Schämt euch“, rufen die Teilnehmer dort.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch spricht bei der pro-israelischen Demo vor dem Rathaus Bochum. Seine Botschaft: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Terror bejubelt wird. Wer Terror bejubelt, tritt die Menschenrechte mit Füßen.“
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch spricht bei der pro-israelischen Demo vor dem Rathaus Bochum. Seine Botschaft: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Terror bejubelt wird. Wer Terror bejubelt, tritt die Menschenrechte mit Füßen.“ © FFS | Gero Helm

17.40 Uhr: Etwas überraschend sind zu diesem Zeitpunkt mehr Menschen an der pro-palästinensischen Demo beteiligt als an der pro-israelischen Veranstaltung. Nach Schätzungen der Polizei stehen etwa 150 Demonstranten vor dem Rathaus und 175 vor dem Citypoint. Mit einer Reihe von Mannschaftswagen hat die Polizei beide Gruppierungen voneinander getrennt. Abgesperrt sind außerdem Bongard- und Viktoriasstraße. OB Eiskirch ruft den Menschen vor dem Rathaus zu: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Terror bejubelt wird. Wer Terror bejubelt, tritt die Menschenrechte mit Füßen.“

Oberbürgermeister Eiskirch spricht vor dem Rathaus

17.33 Uhr: Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) spricht zu Beginn der pro-israelischen Demo. Zu hören sind seine Worte in der Menge kaum, weil auf der anderen Straßenseite lautstark skandiert wird.

17.25 Uhr: Auch der Rathausvorplatz füllt sich. Aktuell sind aber jetzt dort deutlich weniger als die angekündigten 500, gegenüber deutlich mehr als die erwarteten 50. Jetzt wird schon skandiert: „Free, free, Palestine!“ und: „Zionisten sind Faschisten“.

17.15 Uhr: Eine viertel Stunde bevor die beiden Demonstrationen beginnen, ist der Rathausvorplatz, auf dem die Pro-Israel-Demo ausgetragen wird, noch weitgehend leer. Vor dem Citypoint haben sich schon einige Menschen versammelt. Einige haben die palästinensische Flagge um den Hals, andere Palästinenser-Tücher um den Kopf. Die Kreuzung vor dem Rathaus wird abgeriegelt. Schon jetzt ist die Polizei mit einem massiven Aufgebot vertreten.

Beide Demos beginnen um 17.30 Uhr direkt nebeneinander

Zur „Kundgebung gegen Antisemitismus und Terror – Solidarität mit Israel“, so der Titel, hat der „Jüdische Studierendenverband Bochum“ für 17.30 Uhr auf den Rathausvorplatz geladen. Unmittelbar daneben vor dem Citypoint, an der Ecke Bongardstraße/Hans-Böckler-Straße, und ebenfalls um 17.30 Uhr hat eine Privatperson eine pro-palästinensische Kundgebung angemeldet. Bereits am Dienstagabend waren etwa 200 Teilnehmer bei der Veranstaltung „Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen“ vor dem Rathaus zusammen gekommen.

500 Teilnehmer werden zur Pro-Israel-Veranstaltung erwartet

500 Teilnehmer wurden zur Pro-Israel-Veranstaltung erwartet, 50 zu der Gegendemonstration. „Wir appellieren an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, so die Polizei in einer Pressemitteilung vorab.

Gleichzeitig kündigte sie an, mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort zu sein und in beiden Fällen das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung zu schützen. „Bei Aktionen, die nicht mit dem Versammlungsrecht vereinbar sind, werden die notwendigen Maßnahmen konsequent getroffen.“

An der pro-israelischen Demo sollten auch mehrere Organisationen, wie das Aktionsbündnis gegen Antisemitismus RUB, der Evangelische Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid und demokratische Parteien teilnehmen.

Solidarität mit Israel: Viele Organisationen rufen zur Teilnahme auf

In dem Aufruf hieß es unter anderem: „Seit dem Morgen des 7. Oktober 2023 wird Israel von verschiedenen islamistischen Organisationen, allen voran der Hamas, angegriffen. An keinem Tag nach der Shoa wurden mehr Jüdinnen und Juden ermordet als an diesem Samstag. Weitere Tausende wurden verletzt, Hunderte Kinder, ältere Menschen und ganze Familien verschleppt, Frauen vergewaltigt und Ermordete öffentlich von der Hamas zur Schau gestellt.“

Die Veranstalter appellierten: „Als Bochumer Zivilgesellschaft, als Bochumer Bürgerinnen und Bürger, solidarisieren wir uns in tiefer Trauer mit den Menschen in Israel, die angegriffen wurden, Angehörige und Freundinnen und Freunde verloren haben oder weiterhin um deren Wohlergehen fürchten müssen, sowie mit allen Betroffenen von Antisemitismus - auch hierzulande. Die Angriffe der Hamas und ihrer Unterstützer sind eine Gefahr - auch für in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden.“

  • Diese Organisationen haben den Aufruf zur Kundgebung unterzeichnet: Bagrut, Bonem e.V. - Bochumer Netzwerk Migrantenorganisationen, Grünen-Kreisverband Bochum und Wattenscheid, Grünen Kreisverband Herne, CDU Bochum und Herne, Christuskirche Bochum, Demokratischer Salon Bochum, DGB Ruhr-Mark, Die Linke Bochum, Evangelischer Kirchenkreis Bochum, Evangelischer Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid, Essen stellt sich quer, FDP Bochum und Herne, Gemeinde der Eziden Bochum, GESH Bochum, GEW Bochum, Grüne und alternative Student*innen Bochum, Grüne Jugend Bochum, Grüne Jugend Herne, Hamraa Essen, IG Metall Mittleres Ruhrgebiet, JAtiD Dortmund, Jüdische Studierenden Union Deutschland, JSV NRW, Junges Forum Ruhr, Junge Union Bochum, Jusos Bochum und Herne, Junge Liberale Bochum und Herne, Jüdische Hochschulgruppe Bonn, Katholische Kirche Bochum und Wattenscheid, Kulturfabrik Bochum, Kulturell-Alternatives Zentrum Herne, Linke Liste an der RUB, Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum, SPD Bochum und Herne und ZIVA – Zusammen für Integration und Vielfalt.