Bochum. Während einer pro-israelischen Kundgebung in Bochum skandierten daneben pro-palästinensische Demonstranten ihre Parolen. Dazwischen: die Polizei.
Begleitet von einem Großaufgebot der Polizei haben am Mittwochabend in der Innenstadt von Bochum etwa 600 Menschen demonstriert: knapp 400 mit pro-israelischer Ausrichtung vor dem Rathaus und 200 mit pro-palästinensischer Position vor dem direkt daneben gelegenen Citypoint. Eine dichte Reihe von Mannschaftswagen der Polizei trennte beide Seiten, die Rathauskreuzung war mit Absperrungen abgeriegelt.
Beide Lager werden von Polizei-Mannschaftswagen getrennt
Weniger Teilnehmer als erwartet reihten sich zwischen 17.30 Uhr und 19 Uhr auf dem Rathausvorplatz ein. Jannis Stenzel, ein Vertreter des Vereins Bagrut, quittierte das am Mikrofon mit den Worten: „Es wird zu viel geschwiegen in der deutschen Zivilgesellschaft.“ Er zeigte sich enttäuscht über die geringer als erwartet ausgefallene Beteiligung an der Pro-Israel-Veranstaltung. Aus seiner Sicht ist es „ein Skandal“, dass die Gegendemonstration parallel vor dem Citypoint genehmigt wurde.
Eher ruhig ging es zu vor dem Rathaus, wo mehrere Redner ans Mikrofon traten, darunter auch Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD). Auf der anderen Seite skandierte die Menge vor dem Citypoint derweil fast durchgehend lautstark, so dass nicht alle Reden auf dem Rathausvorplatz deutlich zu verstehen waren.
Oberbürgermeister mahnt: „Wir dürfen nicht schweigen“
OB Eiskirch betonte zum Auftakt: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Terror bejubelt wird. Wer Terror bejubelt, tritt die Menschenrechte mit Füßen.“ Die Kundgebung vor dem Rathaus sei ausdrücklich keine gegen die Palästinenser. Die Demonstrierenden „stehen an der Seite aller unschuldigen Zivilisten“.
Der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Bochum, Grigory Rabinovich, verhehlte nicht, dass viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde derzeit Angst haben, als Juden erkannt zu werden. „Ich stehe mit Kippa auf der Bühne.“ Auf dem Heimweg aber werde er sie ablegen. In der Menge war ein Schild zu erkennen, dass eine Frau über dem Kopf hielt. Darauf stand: „Wo bin ich als Jüdin sicher?“
Lautstarke Parolen aus dem pro-palästinensischen Lager
Lautstark, bisweilen schrill ging es auf der anderen Straßenseite zu. Viele junge Leute – Männer, Frauen und einige Kinder, von denen wiederum einige Fotos von Kindern in die Luft reckten – standen in der Menge. Sie schwenkten die palästinensische Flagge. „Augen auf, Augen auf, unsere Kinder gehen drauf“, tönte es. Der deutschen Bundesregierung und den Medien warf ein Redner vor, diese wollten die Wahrheit verschleiern.
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Wenig später ging es auch auf der kleinen Bühne vor dem Rathaus um „Fake News“. Die Hamas selbst sorge mit gezielten Falschinformationen dafür, dass weltweit Hass gegen Israel gesät werde, sagte Student Mark aus Bochum, der die Kundgebung im Namen von GESH, dem jüdischen Studierendenverband Bochum, angemeldet hatte. Seinen Nachnamen wollte der Mittzwanziger nicht veröffentlicht wissen – Angst, sagte er, sei für Jüdinnen und Juden gerade ein zentrales Thema.
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Organisator bezeichnete Teilnehmerzahl als starkes Zeichen
Die Tatsache, dass die pro-palästinensische Demo in unmittelbarer Nähe genehmigt wurde, habe dazu beigetragen, dass 100 bis 200 Menschen nicht zur Kundgebung vor dem Rathaus gekommen seien. Die, die dennoch kamen, hätten ein „starkes Zeichen gesetzt“. Die Gegendemo mit ihren Parolen habe allerdings auch gezeigt, wie wichtig dies war.
Es gebe leider „sehr viele Leute, die von Propaganda überschwemmt werden“, sagte Jacob, ein Mitglied der Jüdischen Studierendenunion. „Auch wir trauern um tote palästinensische Zivilisten.“ Beide jüdischen Studenten vermissen Solidarität vonseiten der Hochschulen. „Wo sind die Unis?“, fragten sie. „Wir würden uns freuen, mehr solche Solidarität zu erfahren wie heute Abend.“
Polizei ist mit dem Verlauf beider Demonstrationen zufrieden
Die Polizei hatte im Vorfeld ein besonnenes Auftreten aller Demonstranten angemahnt: „Wir appellieren an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Zugleich hatte sie sich aber auch für mögliche Auseinandersetzungen gewappnet. „Bei Aktionen, die nicht mit dem Versammlungsrecht vereinbar sind, werden die notwendigen Maßnahmen konsequent getroffen“, hieß es vorab in einer Pressemitteilung.
Dazu sollte es nicht kommen. Trotz zum Teil unversöhnlicher Töne und lautstarker Attacken ging es friedlich zu in der Bochumer City. Ab 19 Uhr lösten sich beide Versammlungen zügig auf, zerstreuten sich beide Lager in der Innenstadt. „Wir sind zufrieden“, bilanzierte Polizeisprecher Frank Lemanis den Hergang beider Demonstrationen. „Es hat keine größeren Störungen und keine Konfrontationen gegeben.“
Mark, der Anmelder der Solidaritätskundgebung für Israel, sagte zum Abschied, er sei froh, mit dem Auto nach Hause zu fahren. Seine Kippa hatte auch er zu diesem Zeitpunkt wieder abgesetzt.