Bochum. Nur jede zehnte Lehrkraft an Bochums Grundschulen ist männlich. Khaled Alatmah ist eine davon. Warum er sich für den Beruf entschieden hat.
„Guten Morgen Herr Alatmah.“ Die Klasse 1b der Grundschule Dahlhausen startet gemeinsam mit ihrem Lehrer in den Tag. Eine ganz normale Situation, wie sie sich in Bochums Klassenzimmern täglich hundertfach abspielt. Und doch ist nicht alles an ihr gewöhnlich. Vorne an der Tafel steht ein Mann. Die Ausnahme an der Grundschule Dahlhausen und generell eine Seltenheit im ganzen Stadtgebiet.
810 Frauen unterrichten an den Grundschulen in Bochum – und 78 Männer. Das macht einen Anteil von 91 Prozent, sprich: Nur jede zehnte Lehrkraft ist männlich – Schulleitungen und Vertretungen sind hier nicht eingerechnet. Diese Zahlen nennt die Bezirksregierung Arnsberg auf Anfrage der WAZ. Zum Vergleich: Betrachtet man Grund- und weiterführende Schulen zusammen, liegt der Anteil der Männer bei immerhin 27 Prozent. Auch in Leitungspositionen gibt es verhältnismäßig mehr Männer.
Kaum Männer an Grundschulen in Bochum: Was sind die Gründe?
Woran liegt das? Dass deutlich weniger Männer an Grundschulen arbeiten, sei historisch gewachsen. „Die pädagogische Arbeit mit Kindern wird bis heute mit Weiblichkeit assoziiert und Frauen zugeschrieben“, lautet eine Erklärung von „Dissens“, ein Institut für Bildung und Forschung. Es hat sich mit der Frage beschäftigt, wie eine Geschlechtervielfalt in Kollegien von Grundschulen erreicht werden kann.
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Khaled Alatmah, Klassenlehrer der 1b an der Grundschule in Dahlhausen, ist nicht den typischen Weg gegangen, den die meisten einschlagen, um Lehrer zu werden. Der 37-Jährige ist vor acht Jahre aus Syrien geflohen, lebt mittlerweile in Essen. In seiner alten Heimat arbeitet er als Englisch-Lehrer mit älteren Kindern, ganz klar ist für ihn die ganze Zeit: Auch in Deutschland möchte er als Lehrer arbeiten. „Das war immer mein Plan.“
Zuerst macht er Sprachkurse und arbeitet nebenbei in ganz anderen Jobs, unter anderem bei der Post, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Schließlich folgen Bewerbungen, wann immer er eine offene Stelle entdeckt, an weiterführenden Schulen, aber auch an Grundschulen. Doch immer wieder überzeugen am Ende andere Bewerberinnen oder Bewerber. „Also habe ich mir überlegt, dass ich das deutsche Schulsystem besser kennenlernen muss.“
Khaled Alatmah arbeitet als Grundschullehrer: „Dafür habe ich seit Jahren gekämpft“
Alatmah arbeitet fortan als Integrationshelfer. „Manchmal muss man andere Wege gehen, um für seinen Traum zu kämpfen“, erzählt er. Dann erfährt er von der Stelle an der Grundschule Dahlhausen und bekommt schließlich die Zusage. Die Freude ist groß: „Dafür habe ich seit Jahren gekämpft.“
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Der 37-Jährige, der in Essen lebt, geht den Weg des Seiteneinsteigers. Ab November besucht er für ein Jahr zweimal pro Woche ein Seminar, ist danach vollausgebildeter Grundschullehrer. „Ich bin sehr zufrieden hier“, berichtet Alatmah. Auch wenn er sich ebenfalls an Haupt- und Realschulen beworben hat und an einer weiterführenden Schule wohl auch mehr Geld als an der Grundschule verdienen würde.
Genau das ist auch ein grundlegendes Problem, das gerade Lehrer dazu bewegt, nicht an eine Grundschule zu gehen: die Gehaltsunterschiede. Bisher wurden sie in die Besoldungsgruppe A12 eingruppiert. Wer hingegen in der weiterführenden Schule unterrichtet, startet mit A13. Brutto kommt es so schon bei Berufseinsteigern schnell zu Gehaltsunterschieden von mehr als 500 Euro.
Lehrkräfte an Grundschulen verdienen noch immer weniger Geld
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert das seit Jahren, im November 2016 startete sie die Kampagne „JA 13 – weil Grundschullehrerinnen es verdienen“ eingesetzt. Ein Argument lautete darin, dass die ungleiche Bezahlung auch eine Diskriminierung des Geschlechts sei, da von der niedrigen Einstufung trotz meist gleichwertiger Qualifizierung mehrheitlich Frauen betroffen seien.
Nun tut sich tatsächlich etwas: „Zum 1. August 2026 werden schließlich alle Lehrkräfte (...) in die Besoldungsgruppe A13 überführt“, so die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Das Angleichen der Gehälter hat bereits begonnen und findet in fünf Schritten statt.
Khaled Alatmah wünscht sich, dass künftig ungefähr gleich viele Frauen wie Männer an den Grundschulen unterrichten. „Das ist auch wichtig für die Kinder.“ Er ist die einzige männliche Lehrkraft an der Grundschule Dahlhausen. „Ich fühle mich sehr wohl, alle Kolleginnen sind sehr nett und hilfsbereit.“ Seine erste Klasse unterrichtet er voraussichtlich bis zum Ende der Grundschulzeit. Er will auch dauerhaft an der Schule bleiben.