Bochum. Kurz vor dem Flug nach Taiwan gibt das Orchester ein umjubeltes Konzert im Musikforum Bochum. Mahlers „Fünfte“ reißt das Publikum von den Sitzen.
Da werden die Taiwanesen spitze Ohren bekommen: Die gewaltige Symphonie Nr. 5 von Gustav Mahler bringen die Bochumer Symphoniker in der kommenden Woche in der Heimat ihres Generalmusikdirektors Tung-Chieh Chuang im fernen Taiwan zur Aufführung. Das Bochumer Publikum durfte das Werk bereits bei zwei „Von Herzen“-Konzerten im Musikforum in Bochum erleben – und spendete am Samstagabend stehende Ovationen und laute „Bravo“-Rufe.
Bravo-Rufe für die Bochumer Symphoniker im Musikforum
Die Symphonie ist für eine Gastspielreise clever gewählt: Von der ersten Trompetenfanfare bis zum mächtigen Schlussakkord ist das vielschichtige Werk dermaßen prall gefüllt und von einer solch überbordenden Energie, dass die Zuhörer zwischen Bochum und Fernost etwa 70 Minuten lang auf ihren Sitzen schier durchgerüttelt werden. Das ist in Sachen Präzision und Timing wohl kaum besser zu musizieren und dürfte auch im fernen Taiwan Eindruck machen.
Erstaunlich: So schwer die Symphonie zu spielen ist und so viel Können sie jedem einzelnen Musiker abverlangt – so leichtfüßig wirkt das Ergebnis. Beinahe jede Instrumentengruppe bekommt ihren großen Moment: etwa die Cellisten, deren gewitztes Intermezzo im zweiten Satz („Stürmisch bewegt“) dem Dirigenten auf dem Pult ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert. Oder der erste Hornist Raúl Roque Tavares, dessen leidenschaftliches Solo im dritten Satz vom Publikum am Ende mit besonders herzlichem Beifall belohnt wird.
Dabei ist Mahlers „Fünfte“ wesentlich sperriger und herausfordernder als etwa die wundervolle dritte Symphonie, mit der Tung-Chieh Chuang am Ende seines ersten Bochumer Jahres die Herzen der Konzertbesucher eroberte. Das Werk bewege sich „an der Grenze zur Atonalität“, wie es im Programmheft der Bosy heißt. Mit anderen Worten: Es fordert Orchester und Zuhörer gleichermaßen. Erst im abschließenden Adagietto, dem elegischen Spiel von Streichern und Harfe, kommt die Symphonie langsam zur Ruhe.
Pianist Bruce Liu spielt in schwindelerregendem Tempo
Nicht unerwähnt bleiben darf die Weltklasseleistung im ersten Teil des Abends: Der erst 26-jährige Pianist Bruce Liu, der gerade von Konzerthäusern in aller Welt umworben wird, spielt das Konzert für Klavier und Orchester von Camille Saint-Saëns in einem solch schwindelerregenden Tempo, dass selbst die flinken Symphoniker Mühe haben zu folgen. Unglaublich, wie präzise er die Noten in die Tasten seines Flügels hämmert, wie seine zehn Finger (oder sind es 20?) von einer Seite zur nächsten fliegen. Die Schweißperlen wischt er sich zwischendurch mit einem schwarzen Tuch von der Stirn und schaut am Ende scheu, fast demütig in die jubelnde Runde.
Ein großer Abend! „Gute Reise“, ruft jemand ganz zum Schluss.