Bochum. Im Prozess um ein explodiertes Haus in Bochum kam heraus, dass drei weitere Gebäude nur aus Glück verschont geblieben sind. Hier die Neuigkeiten.

„Bitte nicht! Ich wollte es nicht glauben.“ So schilderte am Donnerstag ein Vermessungstechniker (46) den Moment, als er am Morgen des 11. Januar davon hörte, dass in Bochum ein Einfamilienhaus explodiert und eine Bewohnerin (61) von den Trümmern erschlagen worden war. Im Radio hatte er das mitbekommen, dann aber zunächst keine Verbindung zu seiner Baustelle an der Keilstraße/Auf dem Pfade an der Grenze zwischen Linden und Dahlhausen gezogen. Tatsächlich war aber seine Baustelle gemeint.

„Ich habe alles stehen- und liegengelassen“, sagte er den Richtern der 7. Strafkammer. Er sei im Büro zu seinem PC gerannt und habe alles studiert, so schnell ich konnte. Ergebnis: „Ich konnte nicht nachvollziehen, wo der Fehler war.“

Der Bohrer und die Gasleitung: „In vollem Umfang einmal durch“

Der Bohrkopf und die durchbohrte Gasleitung nach der Explosion des Wohnhauses in Bochum.
Der Bohrkopf und die durchbohrte Gasleitung nach der Explosion des Wohnhauses in Bochum. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Bis heute ist ungeklärt, warum am 10. Januar gegen 17.10 Uhr ein unterirdischer, horizontal vordringender Bohrer in rund 1,20 Meter Tiefe eine Gasleitung von 20 Zentimeter Durchmesser komplett durchlöchert hatte. „In vollem Umfang einmal durch“, wie Richter Josef Große Feldhaus sagte. Und hinten wieder raus.

Zwölf Stunden lang, auch noch deutlich nach der Explosion, strömte Gas im Untergrund aus und drang, wohl durch Hohlräume in der Kanalisation, in umliegende Wohnhäuser ein. „Mit viel Glück sind nicht drei weitere Häuser explodiert, da war auch Gas im Keller“, erklärte der Richter.

Angeklagt sind ein Vorarbeiter (51) und ein Arbeiter (30) einer Essener Tiefbaufirma. Beide hatten das Bohrgerät bedient, das im Untergrund der Straße Auf dem Pfade in Richtung Keilstraße einen dünnen Stollen für Kabelkanäle schaffen sollte. Darin sollten Glasfaserkabel eingezogen werden.

Wo der Fehler lag, konnte der Prozess bisher nicht klären

Den Auftrag hatte Vodafone erteilt. Über eine Essener Planungsfirma, zu der auch der Vermessungstechniker gehört, wurde auch die Essener Tiefbaufirma engagiert. Im Dezember gab es zwei Ortstermine, am 10. Januar begannen die Bohrungen.

Gegen 17.10 Uhr – der Bohrer hatte sich im Erdreich schon gut 130 Meter nach vorn bewegt – soll ein weiterer Bauarbeiter „Gas! Gas! Gas!“ gerufen haben. Wie erst tags darauf herauskam, hatte der Bohrkopf in etwa 1,20 Meter Tiefe die Gasleitung getroffen. Warum das passiert ist, konnte der Prozess bisher nicht klären. „Tja, kann ich nicht sagen“, sagte die Bauleiterin (43) der Tiefbaufirma, als der Richter sie fragte.

Die Trümmer des Hauses Keilstraße 60 in Bochum.
Die Trümmer des Hauses Keilstraße 60 in Bochum. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die Angeklagten hatten Pläne von den Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, Abwasser, Telefon, Gas). Waren sie nicht präzise genug? Das Messgerät für die Höhe des Bohrkopfes soll 1,65 Meter angezeigt haben: Wurde die Messung durch elektromagnetische Felder an den vorhandenen Leitungen verfälscht? Oder haben die Angeklagten zu schludrig gearbeitet? Der 30-Jährige hatte gar keine Ausbildung fürs Bohren, war nur angelernt. Der 51-Jährige hatte allerdings einen „Lehrgang“ zum Bohrmeister gemacht.

Angeklagter kurz nach dem Durchbohren: „Der Boden ist beschissen“

Das ist im Prozess weiter geplant

Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.Auf der Zeugenliste an den nächsten neun Sitzungstage steht auch der Sohn des Opfers; er war zum Zeitpunkt der Explosion im Obergeschoss und wurde wie durch ein Wunder nur leicht verletzt.Das Gericht wird auch einen technischen Sachverständigen hören.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, damals dem Gas-Verdacht nicht gründlich genug nachgegangen zu sein. Er habe kein Gas gerochen, rechtfertigt sich der 51-Jährige, obwohl er extra ein paar Kontrollen gemacht habe. Eine „Suchschachtung“ – eine Öffnung der Verdachtsstelle in der Tiefe – wurde allerdings nicht gemacht. Stattdessen Feierabend gemacht, wie es in der Anklage heißt. Viereinhalb Stunden später stürzte ein ganzes Wohnhaus ein.

Gegen 17.30 Uhr hatte der 51-Jährige noch mit jenem Vermessungstechniker telefoniert. „Der Boden ist beschissen“, soll er ihm gesagt haben. Weil dort offenbar viel Fels und Stein vorkommt. Am nächsten Morgen müsse er wohl den Bohrkopf wechseln.

Dazu kam es nicht mehr.