Bochum. Im Streit um ein Obdachlosenheim in Bochum-Gerthe greift Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auch Vertreter seiner Partei an – mit klarer Ansage.

In die Diskussion um ein mögliches Obdachlosenheim in Bochum-Gerthe mischt sich nun auch Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ein – und bezieht klar Stellung. Dabei macht er auch vor der eigenen Partei nicht Halt. Denn auch in der SPD gibt es Stimmen, die sich gegen die geplante Unterkunft für Wohnungslose positionieren. Eiskirch findet das „beschämend“.

Obdachlosenheim in Bochum: OB nennt Reaktionen „beschämend“

Im ehemaligen Seniorenwohnheim „Haus Gloria“ an der Lothringer Straße 21a in Gerthe sollen 42 Plätze für obdachlose Frauen und Männer eingerichtet werden. So der Plan der Stadt. Gegen den Standort formierte sich schnell Protest, liegt er doch zwischen zwei Kitas. Nicht nur aus Anwohnerschaft und Kita-Umfeld kommt Kritik, auch aus dem SPD-Ortsverein Gerthe.

„Wir sind fassungslos, wie sozial unsensibel die Sozialdezernentin Britta Anger (Grüne) vorgeht“, meldete sich der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Keven Forbrig zu Wort. Eine solche Einrichtung genau zwischen die zwei Kindertageseinrichtungen „Bethanien“ und „Lütjeland“ setzen zu wollen, sei niemandem erklärbar. Vor allem gegenüber den Kindern sei dies nicht zu verantworten. „Wir fordern die Verwaltung auf, ihr Vorhaben an dieser Stelle fallen zu lassen.“

An diesem Standort in Bochum-Gerthe plant die Stadt eine Unterkunft für Obdachlose.
An diesem Standort in Bochum-Gerthe plant die Stadt eine Unterkunft für Obdachlose. © Sabine Vogt

Bisher hatte sich der OB öffentlich aus der Diskussion herausgehalten. Jetzt aber platzte es aus ihm heraus. Beim Stadtteilspaziergang durch den Bochumer Süden stand er mit vielen Bürgern am Unibad in Querenburg und diskutierte über die Entwicklung rund um Hustadt und Ruhr-Universität, als er plötzlich und unvermittelt auf das Obdachlosenheim in Gerthe zu sprechen kam.

Beim Blick auf das große Wohnhaus gegenüber dem Uni-Bad zog er den Vergleich mit Gerthe. Was viele nicht wissen: Dieses Gebäude ist das Wohnheim Hustadtring der Diakonie. Eine Einrichtung für Abhängigkeitskranke, die nicht mehr oder noch nicht wieder in der Lage sind, in einer eigenen Wohnung zu leben. „Hier klappt das Miteinander reibungslos“, sagt Eiskirch.

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Etwas, was er sich auch für den Standort in Gerthe vorstellen könnte. „Ich hätte da eine eine andere Haltung erwartet“, stellt der OB klar. „Auch innerhalb der SPD.“ Manche Reaktion sei „beschämend“. Er stehe zu dem Vorhaben, an der Lothringer Straße 21a wohnungslose Menschen unterzubringen. „Das Thema Obdachlosigkeit geht uns alle an.“

Und man solle es auch gar nicht von den Kindern komplett fernhalten, findet Eiskirch. „Man sollte Kindern nicht suggerieren, dass die Welt nur heil ist. Stattdessen sollte man das Thema lieber aufgreifen.“

Das Wohnheim der Diakonie (Mitte) liegt zwischen Unibad und Studentenwohnheimen in Bochum-Querenburg.
Das Wohnheim der Diakonie (Mitte) liegt zwischen Unibad und Studentenwohnheimen in Bochum-Querenburg. © Gernot Noelle

Die ablehnende Haltung der Gerther SPD hallt auch innerhalb der Genossen im Bochumer Norden noch nach. „Diese Aussagen ärgern uns sehr“, sagt Snezana Curuvija, Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Nord. „Die SPD im Norden hat nicht diese Haltung. Das passt auch nicht zu unseren Grundsätzen“, ist sie um Abgrenzung bemüht. Darüber werde man in der kommenden Woche in der Stadtbezirksvorstandssitzung zu reden haben. „Zuvor wollen wir diesen Punkt aber schon am Dienstag, 12. September, in der Sitzung der Bezirksvertretung klarstellen.“

Bis dahin will man sich auch mit dem grünen Koalitionspartner auf ein gemeinsames Vorgehen einigen – „in welcher Form auch immer“. Man werde sich als Bezirksvertretung „nicht dagegen sperren, dass Obdachlose in unseren Stadtbezirk kommen“. Gleichwohl halte aber auch die Koalition den Standort an der Lothringer Straße 21a nicht für optimal – wegen des Umfelds, so Curuvija. Eventuell käme ja auch noch ein anderer Standort in Betracht.

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Darauf zielen auch die Grünen ab. „Wir möchten, dass alternative Standorte geprüft werden, wie das Nordbad und das Bochumer Gäste- und Tagungshaus am Rosenberg“, sagt Christian Schnaubelt. Auch sei seine Partei dafür, nicht gleich mit einer Unterkunft für 40 Menschen zu planen, sondern erst einmal klein anzufangen. Auch müsse das Ganze „vernünftig kommuniziert werden, um eine höhere Akzeptanz zu erlangen“. Dies sei im Vorfeld versäumt worden.

Bürgerversammlung am Montag

Nachdem eine erste Informationsrunde der Stadt zum geplanten Obdachlosenheim in Gerthe aus Sicht vieler Beteiligter unbefriedigend verlief, gibt es nun am Montag, 11. September, um 16 Uhr eine nächste Runde für die Bürger. 100 Haushalte wurden nach Auskunft der Verwaltung angeschrieben. Sozialdezernentin Britta Anger kündigt außerdem einen „Tag der offenen Tür“ an, wenn die Einrichtung an der Lothringer Straße 21a in Betrieb geht.

Ob dies so kommt, wird am 20. September im Haupt- und Finanzausschuss entschieden. Bereits geklärt ist nach WAZ-Informationen, wer Träger der Einrichtung werden soll. Demnach hat sich der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales für die Arbeiterwohlfahrt entschieden.