Bochum. Ein Ex-Seniorenheim in Bochum soll als Obdachlosenunterkunft genutzt werden. Das sorgt für Proteste bei Anwohnern. Ein Info-Abend löst das nicht.
Im ehemaligen Seniorenwohnheim „Haus Gloria“ an der Lothringer Straße 21a in Bochum-Gerthe sollen 42 Plätze für obdachlose Frauen und Männer eingerichtet werden. Bedenken und Ängste, die u. a. von zwei nahen Kita-Einrichtungen geäußert wurden, wollte die Stadtverwaltung eigentlich mit einem Informationsgespräch am Montagabend ausräumen. Das ist aber offenbar nicht geglückt.
Obdachenlosenheim: Kritiker und Befürworter bleiben bei ihrer Haltung
„Es war ganz unbefriedigend. Eine Werbeveranstaltung“, sagt Mireille Barra, die Leiterin der Kita Lütjeland. Es sei um die Rechte von Menschen gegangen, von Obdachlosen, von Sozialarbeitern. „Nur von den Rechten der Kinder war keine Rede.“ Die in einem Offenen Brief formulierten Sorgen und Ängste von Eltern seien nicht thematisiert worden. Auch sei es nicht um mögliche alternative Standorte gegangen.
Die hatte im Vorfeld auch Keven Forbrig, der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bochum eingefordert. Er hält weiterhin an seiner Kritik fest, wie er gegenüber dieser Redaktion bestätigt, steht damit aber im Widerspruch zur SPD-Fraktion im Rat. Deren Vorsitzender Burkart Jentsch spricht von einer „Einzelmeinung“. Er sehe sowohl die Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirk Nord als auch den SPD-Unterbezirk mit Serdar Yüksel an der Spitze an seiner Seite.
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Streit innerhalb der SPD über das Obdachlosenheim
Entgegengesetzter könnten die Meinungen innerhalb der Partei nicht sein. Für Wirbel habe, so Keven Forbrig, auch die Pressemitteilung von SPD- und Grünen-Fraktion im Rat gesorgt, in der sie ihr Unverständnis über die Kritik an der Standortentscheidung und über die Kritiker zum Ausdruck gebracht haben. Dennoch betont er: „Das ist kein Streit, wir sind eben unterschiedlicher Meinung.“ Forbrig hofft, dass Jentsch und Yüksel der Einladung zur Sitzung des Bezirksvorstands nächste Woche folgen, um über das Thema zu sprechen.
In der Sache wird das offenbar nicht zu einer Umkehr führen. „Es bleibt dabei“, sagt Burkart Jentsch. „Der Bedarf nach Sozialunterkünften ist ja auch nicht zu ändern. Dass wir dieses Gebäude brauchen, daran besteht überhaupt kein Zweifel.“
Verwaltung will Bürger am nächsten Montag informieren
Die Bürger sollen darüber am kommenden Montag, 11. September, um 16 Uhr informiert werden. 100 Haushalte wurden nach Auskunft der Verwaltung angeschrieben. Sozialdezernentin Britta Anger kündigt außerdem einen „Tag der offenen Tür“ an, wenn die Einrichtung in Betrieb geht.
Sie sagt: „Ich verstehe die Sorgen. Ich glaube aber, und das zeigt auch die Erfahrung in Höntrop, dass keine große Gefahr von den Menschen ausgeht.“ Womöglich gingen Kritiker von falschen Voraussetzungen aus. „Die Leute haben das Bild eines Obdachlosen vor Augen, der betrunken und mit vielen Tüten beladen in der Fußgängerzone sitzt und der nun in die Lothringer Straße kommt. Das ist aber nicht der Fall. Wenn man die Perspektive hat, wieder eine eigene Wohnung zu beziehen oder ambulant betreutes Wohnen zu machen, dann kommt man in die Lothringer Straße. Das ist der Plan.“
Stadt setzt auf neue Konzept
Bochum hatte im vergangenen Jahr ein neues Konzept für die Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen beschlossen. Mit der Wohnungsnotfallhilfe soll eine differenzierte Betreuung der Betroffenen gelingen, so die Verwaltung. Angestrebt werde außerdem eine Trennung von geflüchteten und wohnungslosen Menschen in den Unterkünften.
Nach der Anmietung von „Haus Gloria“ sollen 30 bislang an der Herzogstraße untergebrachte Obdachlose zur Lothringer Straße umziehen. Die Einrichtung stünde dann ausschließlich für bis zu 120 Flüchtlinge zur Verfügung. „Diesen Platz brauche wir auch“, so die Sozialdezernentin.
Was grundsätzlich die Suche nach geeigneten Standorten betrifft, so befürchtet sie auch künftig Widerstände. Es heiße oft, „man muss natürlich für die Leute sorgen, aber bitte nicht bei uns.“
100 weitere Plätze für Obdachlose werden noch gesucht
Der Bedarf nach Platz für „ordnungsrechtlich untergebrachte Menschen“, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt, ist rapide gestiegen: von 61 (2015) auf 340 (2023). Daher werden, so Britta Anger, weitere Häuser benötigt. Etwa 100 Plätze sollen noch geschaffen werden. Nicht in einer Einrichtung, sondern, so die Dezernentin, am besten in fünf Häusern mit je 20 Plätzen.
Die Entscheidung, ob das Haus an der Lothringer Straße angemietet wird, treffen die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses am 20. September.