Bochum. Gut 300 Menschen haben in der Bochumer Innenstadt für mehr Platz für Radfahrende demonstriert. Sie wollen eine Spur des Innenstadtrings für sich.
Gut 300 Fahrräder haben am Freitagnachmittag bei einer rollenden Demo den Bochumer Innenstadtring erobert. Eskortiert von zahlreichen Motorrädern und Einsatzwagen der Polizei nutzten die Radfahrenden unter regelmäßigem Klingeln die rechte der beiden Fahrspuren. Denn das fordern die Veranstalter der Demo auch für die Zukunft und ab sofort: dass einer Fahrstreifen des kompletten Innenstadtringes nur für Radfahrende reserviert wird.
Auf allen Zufahrtsstraßen wie zum Beispiel der Herner, Dorstener und Wittener Straße gab es wegen der Demo längere Autostaus. „Damit habe ich keine Probleme“, sagt ein wartender Autofahrer. „Ich schon“, widerspricht sein Beifahrer. „Das können Sie ruhig in den Artikel mit reinschreiben“, sagt er dem Reporter. Ein Passant auf der Massenbergstraße zeigt den vorbeifahrenden Demo-Teilnehmern sogar den Scheibenwischer und schüttelte immer wieder den Kopf.
„Lasst uns gemeinsam gesellschaftlichen Druck aufbauen“
Aufgerufen hatte das in der Öffentlichkeit noch fast unbekannte „Bündnis Zukunftsfähiges Bochum“, dem klima- und sozialpolitische Initiativen angehören. Das Programm wurde u.a. vom Fahrrad-Bündnis Radwende, Verdi und Fridays For Future begleitet. Die Mobilitätswende geht ihnen nicht schnell genug. „Lasst uns gemeinsam gesellschaftlichen Druck aufbauen, damit wir autozentrierte Städte beenden“, ruft Mitorganisator Stefan Roth in einer flammenden Rede den Menschen auf dem Rathausvorplatz zu. Dort hatte die 45-minütige Rundfahrt mit einem kleinen Musik- und Kulturprogramm begonnen.
Mit scharfen Worten geißelt Roth, dass die Politik in den vergangenen Jahrzehnten den Radfahrern und Fußgängern immer mehr Lebensraum weggenommen hätten. „Wir haben immer mehr Platz an die Autos abgegeben. „Hier in Bochum ist das besonders extrem. Die Politik bekämpft dieses kriminelle Verhalten nicht.“ Vor allem die Grünen und die SPD kritisiert er. Indem Autos den Verkehrsraum weiter beherrschen würden, schließe man andere, umweltfreundlichere Verkehrsteilnehmer aus. „Das ist alles andere als sozial gerecht.“
Auch kleine Straßen innerhalb des Rings sollen autofrei werden
Ein weiterer Fahrrad-Aktivist kritisiert, dass Autos „nahezu überall“ parken und fahren dürften. Bei gut 370.000 Einwohnerinnen und Einwohnern seien in Bochum rund 265.000 Fahrzeuge zugelassen. „Das ist eine erschreckende Zahl.“
Die rollende Fahrraddemo führt auch durch viele kleine Nebenstraßen innerhalb des nördlichen Innenstadtringes, etwa den Imbuschplatz und die Stühmeyerstraße. Denn das Bündnis Zukunftsfähiges Bochum fordert auch, dass sämtliche Straßen innerhalb des Ringes grundsätzlich autofrei werden. „Wir haben ja einige autofreie Straßen in der Innenstadt, etwa Bongard- und Massenbergstraße“, sagt Stefan Roth. „Dieses Konzept wünschen wir uns auch für weitere Straßen in der Innenstadt.“
Eine Vertreterin der Klimaschutzbewegung „Health for Future“ (Gesundheit für die Zukunft) fordert die Demo-Teilnehmenden zu einem freiwilligen Tempolimit auf. „Unsere Regierung kriegt das nicht hin.“ Dabei würde die Mehrheit so ein Limit begrüßen. „Wir fahren freiwillig langsamer und kommen trotzdem ans Ziel.“
Demo ist „ein freundliches Aufrütteln“
Dies sind die Forderungen der Radwende
Das Bündnis Radwende Bochum bekräftige auf der Demo ihre Forderungen, die sie schon seit dem Jahr 2020 erhebt.
– Radwege auf allen Radialen und dem Ring bis 2025 sowie auf allen Hellwegen und Velorouten bis 2030.
– Tempo 30 überall dort, wo es keine Radwege gibt.
– Adäquate Erhöhung des Budgets für den Radverkehr im städtischen Haushalt.
– Einstellung von mehr Radverkehrsbeauftragten.
– Mehr Stellplätze und Servicestationen für Räder.
– Bessere Instandhaltung und Wartung von Radwegen.
– Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen.
– Konsequentes Vorgehen gegen das Parken auf Radwegen.
Auch Karl-Heinz Hüsing von der Radwende macht bei der Demo mit. Im Vorfeld hatte er erklärt: „Es ist ein besorgniserregender Trend, dass die Politik in Sachen Mobilitätswende ihre eigenen Ziele zugunsten einer autozentrierten Politik zurückstellt: In Bochum wurde das Ausbauziel für den Radverkehrsanteil 2030 von 25 auf 15 Prozent reduziert. Das können wir nicht unkommentiert stehen lassen.“
Auch eine Bochumerin auf einem selbstgebauten, mit Solarenergie angetriebenem E-Tandem fährt bei der Demo mit. Sie verstehe dies als „ein freundliches Aufrütteln“, dass sich in der Verkehrspolitik etwas ändern müsse. Und ein kleines Beispiel nennt sie auch: Radwege müssten breiter werden, etwa für Lastenräder und Räder mit Anhängern.
Die Demo verlief ruhig und friedlich. Keine besonderen Vorkommnisse – so die Polizei.