Bochum-Langendreer. Der „Barbie“-Boom geht an Programmkinos wie Endstation in Bochum vorbei. Viele Sitze bleiben leer, die Sorgen nehmen zu. Woran das liegt.

Alle Welt rennt ins Kino! „Barbie“ und „Oppenheimer“ bescheren der Branche den besten Sommer seit Jahren. Nur die kleinen Programmkinos können kaum vom pinken Boom profitieren. Sinkende Besucherzahlen bringen das Endstation-Kino im Bahnhof Langendreer mittlerweile in echte Existenznot: „Uns trifft die volle Breitseite“, stellt Kinoleiterin Nina Selig zerknirscht fest.

Endstation-Kino in Bochum sorgt sich um seine Zukunft

Über 86 Plätze verfügt Bochums kleinstes Kino, das ebenso wie der benachbarte Kulturbahnhof im Jahr 1988 eröffnet wurde. Bis 2012 gehörten beide Einrichtungen zusammen, seither ist die Endstation ein eigenständiger Betrieb. „Alles außer Mainstream“, lautet das Motto. Gezeigt werden preisgekrönte Filmperlen und Dokus, Originalfassungen und Raritäten, es gibt Filmgespräche und Workshops. Für sein hochklassiges Programm, das eher selten auf den Massengeschmack schielt, wurde das Kino zigfach ausgezeichnet. Das Problem ist nur: Die Besucherzahlen sinken bedrohlich.

„Die Corona-Pandemie war für uns ein krasser Einschnitt, von dem wir uns an der Abendkasse nie richtig erholt haben“, sagt Nina Selig. Im vergangenen Jahr zählte das Endstation-Kino 33 Prozent weniger Zuschauer als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019. „Schon damals waren die Zahlen niedrig, aber das war richtig schlimm“, so Selig. Ins aktuelle Jahr sei das Kino zwar etwas besser gestartet, die Sorgen jedoch bleiben.

„Barbie“ ist in aller Munde: Die Komödie um die blonde Spielzeugpuppe beschert der Kinobranche in diesem Sommer einen ungeahnten Ansturm. Kleine Programmkinos wie die Endstation dürfen den Film hingegen erst ab Ende August zeigen – also über einen Monat nach Filmstart.
„Barbie“ ist in aller Munde: Die Komödie um die blonde Spielzeugpuppe beschert der Kinobranche in diesem Sommer einen ungeahnten Ansturm. Kleine Programmkinos wie die Endstation dürfen den Film hingegen erst ab Ende August zeigen – also über einen Monat nach Filmstart. © Warner Bros

Die Gründe dafür sind vielfältig: „Es gehen immer mehr Leute in die großen, dafür immer weniger in die kleinen Filme“, stellt die Kinoleiterin fest. „Die Schere klafft weiter auseinander.“ „Barbie“, der mit einer millionenschweren Marketing-Kampagne ausgestattet wurde, sei da ein gutes Beispiel: „Erst ab 25. August dürfen wir den Film überhaupt zeigen, vorher hat ihn der Verleih ausschließlich für die großen Kinozentren freigegeben. Bis wir endlich an der Reihe sind, haben ihn die meisten schon gesehen.“

Endstation startet Vier-Tage-Betrieb

Hinzu kommt das mannigfaltige Streaming-Angebot, das ganze Heerscharen von Filmen wie automatisch in die heimischen Wohnzimmer spült. „Ins Kino zu gehen ist einfach nicht mehr so besonders wie früher“, meint Nina Selig.

Um Kosten zu sparen, spielt die Endstation seit März nur noch im Vier-Tage-Betrieb. Während der Schulferien gab es jetzt erstmals seit vielen Jahren eine sechswöchige Sommerpause. Zudem verzichtet das Haus vorerst auf ein festes Monatsprogramm: „So können wir flexibler reagieren, wenn ein Film nicht gut läuft“, sagt Nina Selig.

Stuhlpaten unterstützen das Endstation-Kino

Vor rund einem Jahr erlebte das Endstation-Kino am Wallbaumweg 108 eine große Renovierungsaktion: Die alten Kinosessel wurden ausgetauscht und durch neue ersetzt. Möglich war dies durch eine Förderung des Bundes – sowie durch den Einsatz zahlreicher Stuhlpaten, die sich an den Kosten beteiligten.

Zahlreiche Stammbesucher, aber auch viele Menschen aus dem Stadtteil, von der Ruhr-Uni, aus dem Rathaus und der lokalen Politik machten mit. „Das war wundervoll und hat uns gezeigt, wie stark der Zusammenhalt hier weiterhin ist“, sagt Kinoleiterin Nina Selig. Das komplette Programm: endstation-kino.de

Workshops und Filmreihen laufen gut

Daneben gibt es auch einige Lichtblicke: So seien die Workshops, die die Endstation regelmäßig anbietet, oft in Windeseile ausgebucht. „Die Leute wollen Begegnungen, und sie wollen kreativ sein“, so Selig. Zu einer kurdischen und albanischen Filmreihe seien zuletzt Menschen aus dem ganzen Ruhrgebiet nach Langendreer gekommen, auch Gespräche mit Filmemachern und die Kinderprogramme würden weiterhin gut laufen. Neu im Programm ist eine monatliche Vorstellung für Menschen mit Autismus, bei denen der Ton während der Vorstellung etwas leiser läuft und Licht nicht komplett ausgeschaltet wird.

Ob all dies hilft, die kleine Endstation dauerhaft am Leben zu erhalten, ist ungewiss. „Es gibt Stimmen in der Branche, die glauben, dass die Zahl der Kinos in Deutschland in den nächsten Jahren um 30 Prozent schrumpfen wird“, sagt Nina Selig. „Ich kann nicht ausschließen, dass wir eines davon sein werden.“