Langendreer. Im Handwerk herrscht Fachkräftemangel. So sucht ein Friseur in Bochum händeringend Mitarbeiter. Er findet keine. Das hat Folgen – auch privat.

Seine Entscheidung, sich selbstständig zu machen, hat er nie bereut. „Doch dass es so schwer sein würde, Mitarbeiter zu finden, hätte ich niemals gedacht“, sagt Gerrit Kohlmann. In Langendreer führt der 38-Jährige einen Friseursalon. Die Nachfrage der Kundinnen und Kunden ist groß. Allein: Es fehlt an Personal. Das ist die Regel. „Das gesamte Friseurhandwerk leidet darunter“, weiß Innungsobermeister Edgar Pferner.

Fachkräftemangel: Friseur fand bisher nur eine Halbtagskraft

Fünf modern eingerichtete Bedienungsplätze, Massagesessel für die Haarwäsche, ein alter Motorroller als Blickfang: Stylisch kommt „Gerrit Kohlmann Hairdesign“ an der Hauptstraße 207 daher. Vor drei Jahren startete der Friseurmeister als Existenzgründer. Beruflich auf eigenen Beinen zu stehen: „Das war immer mein Ziel.“

Größe und Ausstattung des Salons waren und sind darauf ausgerichtet, als Team zu arbeiten. Drei Angestellte: Das schwebte Kohlmann vor. Doch die ersten eineinhalb Jahre war er ein Einzelkämpfer an Kamm und Schere. Erst im Frühjahr 2022 gelang es, eine Friseurin als Halbtagskraft zu gewinnen.

Kunden in Langendreer werden auch noch um 20 Uhr bedient

Seither geht nichts mehr. Arbeitsagentur, Zeitungsanzeigen, Aufrufe auf der Internetseite, Aushänge im Schaufenster: „Die Zahl der Bewerber seit 2020 lässt sich an zwei Händen abzählen. Mal passte es fachlich nicht, dann waren die Interessenten nicht bereit, auch samstags zu arbeiten“, schildert Kohlmann. Die Arbeitsagentur informiere ihn zwar regelmäßig über Termine für Vorstellungsgespräche. „Aber bisher ohne Resonanz.“ Bewerbungen für eine Ausbildung gab es exakt: null.

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Die Folgen für den Jungunternehmer sind massiv. Geschäftlich und privat. Um den Salon gewinnbringend zu führen, gilt für ihn: Arbeiten bis zum Anschlag. Der Terminplan dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 14 Uhr ist eng getaktet. Kunden werden mitunter noch bis 20 Uhr bedient.

Zwei Wochen Urlaub im Jahr – mehr ist zeitlich nicht drin

Auch für den Montag – ursprünglich Ruhetag – nimmt Gerrit Kohlmann Termine entgegen, um den Bedarf zu decken. Dabei muss er sich auf die Stammkunden beschränken. Ein spontaner Haarschnitt? Kaum möglich. Potenzielle Neukunden müssen längerfristig auf einen Termin warten. „Das tut als Geschäftsmann richtig weh.“

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Bleibt der Sonntag. Na ja, in Teilen. Die Buchführung muss erledigt, Waren bestellt, weitere Büroarbeiten gestemmt werden. Aber wenigstens im Urlaub ist doch Entspannung angesagt, oder? „Im letzten Jahr habe ich erstmals seit 2020 zwei Wochen Ferien gemacht“, sagt Gerrit Kohlmann. Die gönne er sich auch in diesem Sommer. „Mehr ist zeitlich nicht drin.“

Edgar Pferner (hier ein Archivbild) weiß als Obermeister der Friseur-Innung Bochum: Viele Betriebe suchen vergeblich Personal.
Edgar Pferner (hier ein Archivbild) weiß als Obermeister der Friseur-Innung Bochum: Viele Betriebe suchen vergeblich Personal. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Frau und Familie leisten wertvolle Unterstützung

Dankbar ist er seiner Frau und seiner Familie für die großartige Unterstützung. „Ohne die ginge es nicht.“ Dass die vierjährige Tochter ihren Papa viel zu selten sieht, ist für Gerrit Kohlmann gleichwohl „ganz bitter“. Gut weggesteckt hat er indes, dass keine Zeit mehr für Hobbys bleibt. „Früher hab’ ich gern Fußball gespielt. Das ist vorbei.“

Zusätzliche Mitarbeiter würden die Dauerbelastung lindern, dank weiterer Kunden auch die Einnahmen erhöhen. „Ich freue mich über jede Anfrage, ob Voll- oder Teilzeit“, sagt Kohlmann (www.gerritkohlmann-hairdesign.de).

Immer mehr Betriebe müssen Öffnungszeiten einschränken

Edgar Pferner kann dem Kollegen nur wenig Hoffnung machen. 100 Mitglieder hat die Friseurinnung Bochum, der er als Obermeister vorsteht. „Nahezu überall herrscht Fachkräftemangel. Das führt – wie auch in der Gastronomie – immer häufiger dazu, dass Betriebe ihre Öffnungszeiten einschränken müssen.“

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Die florierende Schattenwirtschaft sei ein Problem, das intensiver bekämpft werden müsse. Lösen lasse sich das Dilemma aber nur über die Ausbildung, so Pferner. Die Azubi-Zahlen im Friseurhandwerk seien trotz gestiegener Löhne deutlich gesunken. Ausgeschöpft werden müsse nun das große Potenzial bei Flüchtlingen und weiteren jungen Menschen mit Migrationshintergrund. „Dazu müssen bürokratische Hürden abgebaut und die Integration verbessert werden“, fordert Pferner. Kreishandwerksmeister Michael Mauer bekräftigt: „Wir brauchen die Zuwanderung, um unsere Stellen zu besetzen! Sie ist alternativlos.“

Jungunternehmer bleibt zuversichtlich: „Aufgeben ist keine Option“

Gerrit Kohlmann bleibt zuversichtlich, in Langendreer alsbald Verstärkung zu gewinnen. Trotz aller Schwierigkeiten übe er seinen Beruf mit Liebe, Freude und Leidenschaft aus. „Aufgeben ist keine Option.“