Bochum. Das „Haus des Wissens“ in Bochum ist umstritten; wegen immenser Baukosten. Die stören eine kritische Initiative nicht. Wohl aber etwas anderes.

160 Millionen Euro, vielleicht sogar mehr. Kritikern sind beim Haus des Wissens (HdW), dem Vorzeigeprojekt der Stadt Bochum in der Innenstadt, vor allem die rasant steigenden Baukosten ein Dorn im Auge. Zu ihnen gehört die Initiative „Stadt für Alle“ nicht. Im Gegenteil, sie spricht von „gut investiertem Geld“ und einer „sozialen Rendite“. Aber das Netzwerk sieht Schwächen, die aus seiner Sicht dringend abgestellt werden müssen.

Haus des Wissens: Kritikern fehlt echte Debatte über die Nutzung

Zu allererst ist es die mangelnde Beteiligung der Bochumerinnen und Bochumer. „Es gibt ein architektonisches Konzept, aber es gibt noch kein wirklich inhaltliches Konzept“, sagt Rainer Midlaszewski von „Stadt für Alle“. „Wie wird das ganze Haus bespielt, wer darf rein, wer darf nicht rein? All diese Fragen spielen eine Rolle. Und daran sollten die Bürger beteiligt werden.“

Es habe zwar Infoveranstaltungen gegeben, „bei denen man mal ein paar Zettel mit Hinweisen an eine Wand kleben durfte, und dieser kleine Wettbewerb um die Namensgebung“. Das ersetze aber keine wirkliche Debatte. Auch mit der mittlerweile eröffneten sogenannten Baubude gelinge das nicht. „Es gibt eine Simulation. Man kann ein paar Fragen loswerden. Es gibt ein paar hübsche Fotos; aber nichts darüber hinaus“, sagt Anna Lina Heimrath von der Initiative.

Ideen einbringen für eine Stadtentwicklung, die die Interessen von Bürgern berücksichtigt, das haben sich Anna Lina Heimrath (Mitte) und die Initiative „Stadt für alle“ auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört, sich bei Stadtrundgängen zu informieren.
Ideen einbringen für eine Stadtentwicklung, die die Interessen von Bürgern berücksichtigt, das haben sich Anna Lina Heimrath (Mitte) und die Initiative „Stadt für alle“ auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört, sich bei Stadtrundgängen zu informieren. © Stadt für alle | Rainer Midlaszewski

Bürgerbeteiligung sieht anders aus, argumentieren die Kritiker, die gleichwohl einräumen, selbst keine breite Gruppe zu repräsentieren. Sie hätten bei den Infoveranstaltungen versucht, Ideen einzubringen. Auch mit Britta Freis, der Projektkoordinatorin des Haus des Wissens, habe es einen regen Austausch gegeben. „Aber wir sind abgeblitzt. Es ist zu nichts Konkretem gekommen.“ Und das sei bedauerlich. Allmählich entstehe der Eindruck, Interesse und Beteiligung würden als Einmischung missverstanden.

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Stadt sagt, Ideen und Anregungen werden sorgfältig geprüft

Beteiligung sei sehr wohl möglich, kontert die Stadt. „Rückmeldungen aus der Stadtbevölkerung werden grundsätzlich sehr ernst genommen und fließen in die Planungen zur zukünftigen Nutzung ein“, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Die beteiligten Institutionen und die Programmdirektion würden davon erfahren. „Dazu zählen auch das Feedback, das in Veranstaltungen gegeben wurde, sowie Vorschläge, die über die Beteiligungsplattform ‘bochum-mitgestalten’ eingegangen sind.“

Baubude informiert über Haus des Wissens

Die Konzeption sowie das Raum- und Funktionsprogramm für das Haus des Wissens (HdW) wurden 2019 mit zahlreichen Beteiligten entwickelt und mit breiter Mehrheit vom Rat der Stadt beschlossen. „Damit ist das grundlegende Konzept entstanden, das als Kern die VHS und die Stadtbücherei mit ihren Angeboten und Zielgruppen umfasst“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk.

Mit der konkreten Ausgestaltung von Inhalten befasse sich seit 2021 die Programmdirektion. Das Gremium setzt sich zusammen aus Helle Timmermann (VHS-Leitung), Britta Freis (Leitung Projektbüro), Meheddiz Gürle (Direktion Stadtbücherei) und Prof. Dr. Jürgen Bock als Vertreter für den Wissensverbund UniverCity).

Die sogenannte Baubude am HdW ist dienstags von 10 bis 13 Uhr und donnerstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Dort können sich die Bochumerinnen und Bochumer über die bauliche und inhaltliche Entwicklung informieren. Ein digitaler Rundgang gewährt Blicke in die Zukunft.

Die Plattform ist eine neue Form der Beteiligung, die in den vergangenen Wochen ausprobiert worden sei: Unter https://bochum-mitgestalten.de/ seien alle Bochumerinnen und Bochumer eingeladen, sich über Projekte der Stadt zu informieren, diese zu diskutieren und eigene Vorstellungen einzubringen. „Die Umsetzung von Wünschen kann die Stadt Bochum zwar nicht immer garantieren – sehr wohl aber, dass die Ideen und Anregungen sorgfältig geprüft und in die Überlegungen einbezogen werden“, so van Dyk.

Konflikte zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung befürchtet

Nutzungskonflikte sehen die Kritiker durch den Bau der Markthalle direkt neben bzw. am Haus des Wissens. Sie stehen ihr kritisch gegenüber. „Die Markthalle ist ein kommerzieller Konsumort in diesem öffentlichen Gebäude“ Aber nicht alle, die sich dort aufhalten werden, wollen und/oder können konsumieren.“ Ein solcher Konsumort widerspreche dem öffentlichen und nichtkommerziellen Charakter eines Lern- und Begegnungsorts, der das Haus des Wissens sein soll.

Konfliktpotenzial sehen Rainer Midlaszewski und seine Mitstreiter von „Stadt für Alle“ zwischen der kommerziellen Markthalle und dem nicht-kommerziellen Haus des Wissens.
Konfliktpotenzial sehen Rainer Midlaszewski und seine Mitstreiter von „Stadt für Alle“ zwischen der kommerziellen Markthalle und dem nicht-kommerziellen Haus des Wissens. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Der kommerzielle Betrieb der Markthalle hat keinen Einfluss auf die Offenheit des Hauses“, versichert die Stadt. Das Haus des Wissens werde ein Ort, „an dem es keinen Verzehrzwang gibt“. Über den Haupteingang können Besucher auf alle Ebenen des Gebäudes gelangen, ohne die Markthalle zu durchlaufen. Eigene Getränke oder Essen dürfen mitgebracht werden. Zudem wird durch Wasserspender kostenfrei Trinkwasser zur Verfügung gestellt und es wird ein kostengünstiges Kaffeeangebot außerhalb der Markthalle geben.

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Kritiker befürchten, Haus des Wissens könnte ein „Kulturpalast“ werden

Die Kritiker bleiben skeptisch. Auch wenn viele Weichen mittlerweile gestellt sind, wollen sie weiter für mehr Beteiligung und einen offenen Blick auf mögliche Nutzungen des Hauses streiten. „Warum gibt es nicht so etwas wie eine empirische Sozialforschung?“, fragt Anna Lina Heimrath. „Wir haben das Gefühl, dass ganz wenige Menschen nur mitgenommen werden. Und das ist bei so einem Riesenprojekt dann doch sehr dürftig.“ Und: Auf keinen Fall dürfe das Gebäude ein „Kulturpalast“ werden, in den sich niemand hineintraue, weil alles schick und neu ist und in dem möglicherweise einige Gruppen nicht gerne gesehen werden könnten.