Bochum. Etwa eine Stunde sollen OGS-Mitarbeitende in Bochum ein Kind (11) in die pralle Sonne gesetzt haben – als Strafe. Jetzt ermittelt die Polizei.

Sabrina und Ronald Prante sind schockiert: Mitarbeitende der OGS an der Cruismannschule in Bochum hätten ihren Sohn Leandro (11) für über eine Stunde in die pralle Sonne gesetzt – als Strafe, weil er sich zur Abkühlung bei dem heißen Sommerwetter eine Flasche Wasser über den Kopf geschüttet hat. Nun ermittelt die Polizei wegen Nötigung und fahrlässiger Körperverletzung.

Am Dienstag, 20. Juni, habe sich der Vorfall im Offenen Ganztag der Cruismannschule ereignet. Leandro besucht die Förderschule in Riemke seit einiger Zeit. Der Junge hat das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) und eine Intelligenzminderung, wird im Schulalltag von einer Integrationskraft begleitet. „Um 15 Uhr verabschiedete sich seine Integrationskraft bei ihm, da sie Feierabend hatte. Als sie das Schulgelände verlassen hatte, hat mein Sohn sich mit seiner Wasserflasche übergossen, um sich abzukühlen“, berichtet Sabrina Prante im Gespräch mit der WAZ.

Vorwurf gegenüber Bochumer OGS: Kind zur Strafe in die pralle Sonne gesetzt

Das habe einer mitarbeitenden Person sehr missfallen, woraufhin diese einen Stuhl herausgeholt und in die pralle Sonne gestellt hätte. Leandro sei zu diesem Stuhl gezerrt worden, mit den Worten: „Wir schütten uns hier kein Wasser über den Kopf, du bleibst hier sitzen, bis um 16 Uhr der Schulbus kommt.“ Zwischendurch hätten andere Kinder die Erziehenden darauf aufmerksam gemacht, dass der Elfjährige schon sehr rot im Gesicht sei – auch darauf hätte es aber keine Reaktion gegeben.

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Leandro sei mit einem Sonnenbrand und -stich nach Hause gekommen. Nachdem er sich in der Nacht mehrmals übergeben habe, habe seine Mutter mit ihm einen Arzt aufgesucht. Das bestätigt ein Attest des Kinderarztzentrums in Gelsenkirchen, das unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es: „Der oben genannte Patient befand sich heute, den 21. Juni 2023, aufgrund eines Sonnenstichs in unserer Behandlung.“

Daraufhin hat die Familie aus Wattenscheid eine Anzeige wegen „Nötigung“ und „Fahrlässiger Körperverletzung“ gestellt. Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt die Polizei, dass derzeit ermittelt würde, es liefen Vernehmungen. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, könne die Polizei allerdings keine Details nennen.

Körperlich hat sich Leandro mittlerweile wieder von dem Vorfall erholt, doch der Schock bei dem Elfjährigen sitzt weiterhin tief.
Körperlich hat sich Leandro mittlerweile wieder von dem Vorfall erholt, doch der Schock bei dem Elfjährigen sitzt weiterhin tief. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

So äußern sich OGS-Träger und Schule

Unsere Redaktion hat den Träger „JuS“, ein Betreuungsverein für Jugendhilfe und Schulprojekte, der für vier offene Ganztagsschulen in Bochum zuständig ist, gebeten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen: „Zum Schutz unserer Mitarbeiter und der von uns betreuten Kinder geben wir grundsätzlich keine Presseerklärungen ab“, lautet die knappe Rückmeldung.

Die stellvertretende Schulleiterin der Cruismannschule, Friederike Beck, erklärt auf Anfrage: „Die Schulleitung (...) ist über die Vorgänge in Kenntnis. Die originäre Zuständigkeit beziehungsweise die Verantwortung für das weitere Vorgehen liegt beim Träger der OGS. Unsere Schule und die OGS sind im Dialog.“

Die Familie Prante hat sich nun einen Anwalt zur Hilfe genommen. Die Eltern hätten Angst, ihren Sohn nach den Sommerferien wieder in die OGS zu geben. Zudem berichten sie auch von verbalen Angriffen gegenüber den Kindern. „Mein Mann und ich haben ein paar Mal das Gespräch mit den Erziehern gesucht, doch leider kommt (...) keine Einsicht. Sie stellen die Kinder als Lügner hin, obwohl es auch Zeugen für die Vorfälle gibt“, so Sabrina Prante, die Konsequenzen fordert.