Bochum. Von da Vinci bis Rembrandt: Viele Frauen standen berühmten Malern Modell. In „Vor aller Augen“ im Kunstbunker Bochum bekommen sie eine Stimme.
Kennt noch jemand Hendrickje Stoffels? In der Kunstwelt bekannt wurde sie als Haushälterin und spätere Geliebte von Rembrandt, beide hatten eine Tochter. Dem Künstler stand Stoffels für viele seiner Werke Modell: darunter für „Die Badende im Fluss“, das sie im hochgezogenen Kleid durch kniehohes Wasser gehend zeigte. Doch wie mag diese Frau wohl getickt haben? Antworten darauf gibt es in dem Theaterabend „Vor aller Augen“, den die fantastische Schauspielerin Friederike Becht im Kunstbunker in Bochum als Solo zeigt.
Eindrucksvolles Solo mit Friederike Becht in Bochum
Die etwa 80-minütige Aufführung basiert auf dem gleichnamigen Roman der Schweizer Autorin Martina Clavadetscher, die darin vielen Frauen eine Stimme verleiht, die gemeinhin bloß angeschaut werden. Für die Ewigkeit gemalt von Vermeer, van Gogh oder Kirchner ist es ihr Schicksal, auf weltberühmten Gemälden ein überaus stummes Dasein zu fristen. Das Buch umfasst 19 Episoden, in der Regie von Stephan Schmieding behutsam auf die Bühne gebracht werden sieben von ihnen.
Und so steht Friederike Becht als Hendrickje Stoffels tatsächlich wie einst auf dem Gemälde barfuß in einem Becken voll Wasser – und meckert: über ihre erfolglosen Lebensgefährten, für den es schon lang nicht mehr rund läuft, über ihren Job als Dienstmädchen und über drohende Gewitterwolken, die sich über beiden zusammenbrauen. „Nach dem großen Erfolg mit der ‚Nachtwache‘ war er irgendwie ratlos geworden“, meint sie. „Er malte und malte und malte – immer nur mich!“
Als „Dame mit dem Hermelin“ auf der Bühne
Kurz später (hier müssen die Zuschauer ziemlich auf der Hut sein) schlüpft Becht bereits in die nächste Rolle. Direkt zu Beginn wird sie in einem schweren Holzkasten als „Die Dame mit dem Hermelin“ auf die Bühne geschoben, die Leonardo da Vinci in edler Robe und mit Hermelin im Arm zeigte. Für einige Zeit verharrt Becht in der berühmten Pose, tatsächlich besitzt sie sogar ein wenig Ähnlichkeit mit jener Cecilia Gallerani, die hier einst porträtiert wurde. Es folgt das „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ und so weiter. Henning Nierstenhöfer begleitet das Spiel mit wehmütigen Klängen auf der Posaune.
Dem wilden Ritt durch die Kunstgeschichte folgen die Zuschauer mit großem Interesse. Dabei ist es nicht immer ganz leicht, die einzelnen Stationen direkt den jeweiligen Werken zuzuordnen. Wen genau Becht alles verkörpert, wird erst ganz am Ende in einer kleinen Diashow offenbart. Auch wenn man nicht jedes Gemälde und jede dargestellte Person sofort erkennt, sollte man etwas Lust am Rätselraten durchaus mitbringen.
Schauspielerin zeigt enorme Strahlkraft
„Vor aller Augen“ ist weit mehr als ein Abend für Kunstexperten. Wie Friederike Becht all diesen Figuren eigenständiges Profil verleiht und jeder Frau eine Stimme, eine Haltung und ein Gesicht gibt, zeigt eindrucksvoll, welch enorme Strahlkraft sie besitzt. Man schaut ihr bei ihren vielen Verwandlungen einfach gerne zu.
Eine weitere Hauptrolle spielt der Kunstbunker selbst. Im zweiten Teil unternehmen die Zuschauer einen Gang durch die erste Etage, die seit etwa einem Jahr vom Bochumer Künstlerbund für wechselnde Ausstellungen genutzt wird. Die verwinkelten Räume bieten ideale kleine Spielflächen, die Becht und Regisseur Schmieding clever nutzen. Am Ende ein eindrucksvolles Bild: Becht gibt die kranke Valentine Godé-Darel, die Ferdinand Hodler kurz vor ihrem Tod in ihrem Bett malte. Hier liegt sie in einer Badewanne. Schon die Generalprobe riss die Besucher von ihren hölzernen Hockern.
Weitere Vorstellungen im August
„Vor aller Augen“ ist wieder am Donnerstag und Freitag, 17. und 18. August, jeweils um 19.30 Uhr im Kunstbunker (Baarestraße 68) in Stahlhausen zu sehen. Eintritt frei. Eine vorherige Anmeldung ist nötig: tickettailor.com/events/outofthewoods
Weitere Vorstellungen gibt es am 11. und 12. August auf Burg Lede in Bonn. Ab 17. November wird die Aufführung im Theater Duisburg gespielt.