Bochum. Es klingt verrückt. In der Windbranche macht sich Optimismus breit, aber Eickhoff in Bochum kündigt einen Teilausstieg an. Eine Ursachensuche.
Sie gehört zu den Pionieren der deutschen Windkraft-Branche. Aber nach einer jahrelangen Durststrecke hat die Eickhoff-Gruppe aus Bochum die Notbremse gezogen. Sie stellt die Serienproduktion von Windkraftgetrieben ein. „Kein Wunder“, heißt es in zahlreichen Reaktionen. Deutschen Windkraft-Unternehmen schlägt der Wind eher entgegen, als er ihnen Rückenwind verleiht. Eine Ursachensuche.
Krise in Windkraft-Branche trifft Eickhoff Bochum – mehr zum Thema:
- Das Bochumer Traditionsunternehmen Eickhoff steigt aus der Serienfertigung von Windkraftgetrieben aus.
- Das sind die Reaktionen auf die Entwicklung bei Eickhoff.
- Hoffnungsträger Wind: Eickhoffs Auf und Ab im Zeitverlauf.
Kritik aus Bochum Energiewende ist politisch gewollt, aber dilettantisch umgesetzt
„Das Beispiel Eickhoff zeigt, unter welch extremem Druck Unternehmen in der Windkraftindustrie aktuell stehen“, sagt Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet mit Sitz in Bochum. Die Politik habe es bislang versäumt, eine klare Perspektive für eine Branche zu formulieren, ohne die die Energiewende nicht gelingen werde.
Drastischer formuliert es Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände (AGV) Ruhr mit Sitz in Bochum: „Das Thema Energiewende ist politisch zwar gewollt, die Umsetzung ist aber bestenfalls dilettantisch und nicht konsistent. Wenn ich keine richtigen Rahmenbedingungen schaffe, dann darf man sich nicht wundern, wenn es in Deutschland offenbar keine Möglichkeit gibt, Windkraftanlagen zu bauen.“
Bürokratie macht Unternehmen zu schaffen
Eine der Hürden: „Hersteller und Betreiber leiden unter überbordender Bürokratie“, sagt Michael Bergmann. „Solange Genehmigungsverfahren für Windräder fünf oder mehr Jahre von der ersten Idee bis zur Umsetzung dauern, werden wir unsere ambitionierten Ziele bei den Erneuerbaren Energien nicht erreichen.“
Mit dieser Einschätzung steht der IHK-Chef nicht alleine da. Arbeitgeberverbände, Branchenverband, Gewerkschaft. Alle machen die gleichen Ursachen aus und blicken dabei vor allem nach Berlin. Die neue Bundesregierung habe glaubhaft versichert, dass sie den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Bau von Windkraft- und anderer Anlagen für Erneuerbare Energie voranbringen will, so Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes „Windenergie“ in Berlin. Jetzt gebe es eine wirkliche Perspektive für die Branche, in der sich deutlicher Optimismus verbreite. „Überall werden neue Mitarbeiter eingestellt. Aber vier Jahre große Koalition lasten als schwerer Stein auf der Branche.“
Zwei Standbeine zahlen sich einmal mehr aus
Und einigen geht der Atem aus, bevor der sich abzeichnende Aufschwung eintritt. Denn: So schön der deutliche Anstieg von Baugenehmigungen auch ist. Axthelm: „Bei den Unternehmen kommen Gesetze erst dann an, wenn sie in den Auftragsbüchern mit realen Zahlen hinterlegt sind. An dem Punkt sind wir eben noch nicht.“
Eickhoff gehört zu denen, die nicht mehr warten können. Das Traditionsunternehmen sieht sich gezwungen, zu handeln. „Das sind keine guten Nachrichten“, sagt Rouven Beeck, Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung, mit Blick auf die Werksschließung in Klipphausen und die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden dort und ihre Familien. „Wir hoffen, dass die Schließung des dortigen Eickhoff-Werkes möglichst wenig Auswirkungen auf den Bochumer Standort hat und die Arbeitsplätze hier erhalten bleiben. Dass das Unternehmen mit Bergbau und Windkraft auf mindestens zwei Standbeinen steht, zahlt sich jetzt aus.“
IG-Metall-Chef plädiert für gemeinsame Suche nach Lösungen
Stimmt. Das hat auch Ulrike Hölter, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte, gedacht, als sie vor einigen Jahren zum ersten Mal mit Eickhoff zu tun hatte. Aber: „Ich empfinde es als verrückt, dass ausgerechnet der Bereich, der in unserer Energiepolitik nach vorne kommen müsste, derjenige ist, der es anscheinend nicht schafft, Fuß zu fassen, und der Eickhoff tatsächlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, während der Bergbaubereich läuft. Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen.“
Es komme jetzt darauf an, dass Betriebsrat, Gewerkschaft und Geschäftsführung gemeinsam nach Lösungen suchen, um Entlassungen in Bochum zu verhindern. „Davon ist noch keine Rede. Aber natürlich gibt es Befürchtungen in der Belegschaft“, so Hölter. Sie kann sich vorstellen, dass Arbeitszeitmodelle oder „Brücken in den Ruhestand“ für ältere Mitarbeiter eine Lösung sein könnten.
Auch andere Unternehmen in der Windbranche habe Sorgen
Eickhoff ist auch nicht das einzige Unternehmen aus der Branche, das zu kämpfen hat. Die ZF Industriebetriebe Witten etwa, die ebenfalls Getriebe für große Windkraftanlagen herstellen, haben sich vor zwei Jahren von 100 Beschäftigten getrennt. Nordex in Rostock hat im Vorjahr die Produktion von Rotorblättern eingestellt. „Es hieß zwar, die werden doch bald gebraucht“, so Wolfram Axthelm vom Bundesverband „Windenergie“. „Aber auf ‚bald’ kann ein Unternehmen keine Entscheidungen treffen.“
Eines sei jetzt unabdingbar: „Es muss Tempo in die Genehmigungsverfahren kommen“, damit so schnell wie möglich Aufträge bei den Firmen landen.
Eickhoff hat schon früh die Windkraft als Chance begriffen
Eickhoff kann davon in Zukunft auch profitieren. Immerhin will es sich nicht ganz den Wind aus den Segeln nehmen lassen. Getriebe in kleiner Stückzahl sollen weiterhin hergestellt werden, auch das Servicegeschäft bleibt. Aber die Wertschöpfung des Unternehmens sinkt mit der Entscheidung, Klipphausen zu verlassen, ganz erheblich. Bis zu Dreiviertel des Gesamtumsatzes in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags entfielen zwischenzeitlich auf die Windsparte – einen erheblichen Teil davon hat bislang die Serienproduktion ausgemacht. Die aber geht bald zu Ende – voraussichtlich Ende des Jahres.
Schade. Zumal: „Eickhoff war immer ein wichtiges Unternehmen, weil es sehr früh in den Bereich Windenergie reingegangen ist und gesagt hat, da sehen wir eine gute Perspektive“, so Branchenexperte Axthelm.