Bochum/Hattingen. Nach einem Revolverschuss in einen Oberschenkel steht ein Firmenchef in Bochum vor Gericht. Es soll um eine Schutzgelderpressung gehen.
Das Geschoss aus dem Revolver drang durch den kompletten linken Oberschenkel. Am helllichten Tag, mitten auf dem Gelände einer Tankstelle in Bochum-Wattenscheid. Getroffen wurde ein 44-jähriger Essener. Der mutmaßliche Schütze steht seit Dienstag vor dem Landgericht. Hinter dem Verbrechen sollen eine Schutzgelderpressung und eine Morddrohung stecken.
Am Nachmittag des 23. Juli 2022, so der Anklagevorwurf, trafen sich der 49-jährige Angeklagte aus Hattingen, seit vielen Jahren Chef eines Transportunternehmens, und der 44-jährige Mann auf dem Gelände der Aral-Tankstelle an der Berliner Straße. Es war 16.15 Uhr. Beide kamen mit einem Pkw. Als sie ausstiegen, kam es zum Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte seinen Trommel-Revolver ergriff und abdrückte. Ihm sei „die Sicherung durchgegangen“, sagte sein Verteidiger vor der 8. Strafkammer.
Nach Revolverschuss den Tatort verlassen, dann aber freiwillig der Polizei gestellt
Nach dem Schuss stieg der 49-Jährige wieder in seinen SUV und fuhr Richtung Hattingen davon. Nach wenigen Kilometern, am Zeppelindamm, stellte er sich der Besatzung eines Streifenwagens, indem er mit Lichthupe auf sich aufmerksam machte. Danach kam er zunächst in U-Haft. Zum Prozess erschien er aber als freier Mann.
Er sagt, dass er von dem 44-Jährigen erpresst worden sei, und schildert eine Vorgeschichte, die vor rund vier Jahren begonnen habe und viele Fragen aufwirft. Sein Sohn sei damals von Türstehern nicht in diverse Clubs reingelassen worden, weil er von Beruf Polizeibeamter sei und deshalb dort „nichts zu suchen“ habe. Um seinem Sohn zu helfen, habe er Kontakt zu dem 44-Jährigen geknüpft, der unter Türstehern eine Menge zu sagen haben soll. Vom reinen Äußeren her könnte das passen, denn der Mann ist breitschultrig und sehr kräftig.
Angebliche Drohung, die ganze Familie umzubringen
Bochum- Zwölf Jahre Haft für Schüsse wie im Mafia-FilmIm Laufe der Jahre, so der Angeklagte, bezahlte er dem 44-Jährigen immer wieder mehrere Tausend Euro, als „Geschenk“ – insgesamt rund 10.000 bis 15.000 Euro. Dann soll der Mann aus der Türsteherszene einen rund 40.000 Euro teuren Lkw aus der Transportfirma gefordert haben. Dies habe er aber abgelehnt. „Ich kann das nicht.“ Daraufhin habe der 44-Jährige „10.000 Euro Schutzgeld“ gefordert und gedroht, ihn, seine Kinder und die ganze Familie umzubringen.
„Haben Sie gedacht, der macht seine Drohung wahr?“, fragte Richter Stefan Culemann. Antwort: „Ja. Ich habe Angst gehabt. Ich weiß, zu was die fähig sind.“
Der 44-Jährige habe ihn damals zu der Tankstelle bestellt, fuhr der Angeklagte fort. „Wenn ich nicht komme, schneidet er mir den Kopf ab.“ Er habe dann einen Revolver eingepackt, der einem verstorbenen Verwandten gehört habe. Geladen war er mit Schrotpatronen und „Teilmantelflachkopfgeschossen“. Auf dem Tankstellengelände eskalierte dann alles.
Angeklagter sagt, sein Gegenüber sei ebenfalls bewaffnet gewesen
Tankkunde war Zeuge des Geschehens
Ein Tankkunde (49) war damals Augenzeuge unmittelbar nach dem Schuss. „Er stand mit einem Revolver da, wie man das aus einem Film kennt“, sagt er über den Angeklagten. Dann habe er sich sofort gesagt: „Jetzt musst du hier weg!“ Er fuhr sofort mit seinem Pkw weg, um sich in Sicherheit zu bringen.
Der Verteidiger zu dem Zeugen: „Es tut uns leid, dass Sie das mitbekommen haben.“
Vorgeworfen werden dem Angeklagten versuchte schwere Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz, denn er hatte keine Erlaubnis, eine Waffe zu führen.
Das Gericht hat vier weitere Termine bis 28. April festgesetzt.
Laut dem Verteidiger wollte der 49-Jährige den Kontrahenten gar nicht verletzten, er habe nur „zwischen die Beine gezielt, aber versehentlich das Bein getroffen“. Es sei „ein Fehlschuss“ gewesen. Außerdem behauptet der Angeklagte, dass sein Gegenüber seinerseits bewaffnet gewesen sei, mit einer Pistole in einer Bauchtasche. Ob dass stimmt, ist unklar. Bisher hat der 44-Jährige im Prozess nichts gesagt.
Ein Polizeibeamter, der damals am Einsatzort war, berichtete, dass sich der Schwerverletzte „sehr wortkarg verhalten“ habe; es schien, als sei die Polizei für ihn unerwünscht. „Das kam mir komisch vor.“
Der Prozess wird fortgesetzt.