Bochum. Die erste WAZ erschien am 3. April 1948. Gedruckt wurde sie in Bochum in der Druckerei des Bochumer Anzeigers. Ein Blick in die Geschichte.

Wenn Sie, liebe Leser, heute Ihre WAZ aufschlagen und sich über die Nachrichten und Ereignisse des Wochenendes informieren, ist das für Sie alle eine Selbstverständlichkeit. Die zuverlässige Zeitung, heutzutage, begleitet von den neuen digitalen Medien, dem Fernsehen, dem Rundfunk ist eine von vielen Nachrichtenquellen.

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Doch heute vor genau 75 Jahren sah die Welt ganz anders aus. Das Ruhrgebiet lag noch weitgehend in Trümmern. Es gab einige, wenige von den Besatzungsbehörden lizenzierte Zeitungen. Was fehlte, war ein Presseorgan, das unabhängig sowohl von Parteien als auch den Briten als Besatzungsmacht berichten konnte.

In diese Lücke sprang 1948 die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und der Sitz des Verlags war zunächst in Bochum, genauer gesagt im Haus des alten Bochumer Anzeigers, dem „Anzeiger-Haus“, das noch heute direkt neben dem Rathaus steht.

Wie eigentlich Bochum ins Spiel kam

Wie kam es, dass ausgerechnet in Bochum, weder die größte noch bedeutendste Stadt des Ruhrgebiets, die Wiege der WAZ stand? Eine Reihe von Zufällen und, ja, man muss es so sagen, ein kleines Wunder machte dies möglich. Doch einmal der Reihe nach:

Erich Brost (1903 - 1995), der Danziger Journalist, der nach London emigriert war, und mit den Briten nach Deutschland zurückkehrte, hatte sich, nachdem er zunächst erster Chefredakteur, der heute auch zur Funke Mediengruppe gehörenden NRZ wurde, entschlossen, eine eigene Zeitung zu gründen.

Sie sollte eben nicht, wie zu Beginn die NRZ oder auch die Westfälische Rundschau einer Partei verpflichtet sein. Der Sozialdemokrat erhielt die Lizenz Nr. 192, doch nur mit dem Ruhrgebietsjournalisten, dem Essener Jakob Funke (1901 - 1975), konnte der Coup gelingen.

Die allererste WAZ-Weihnachtsfeier 1948 in der Bochumer Charlotte-Bar mit (v.l.) Erich Brost, Jakob Funke, Anneliese Brinkmann, die später Brosts 2. Ehefrau wurde.
Die allererste WAZ-Weihnachtsfeier 1948 in der Bochumer Charlotte-Bar mit (v.l.) Erich Brost, Jakob Funke, Anneliese Brinkmann, die später Brosts 2. Ehefrau wurde. © WAZ

Er machte Jakob Funke zu seinem Teilhaber. Denn Funke war es, der die nötigen Kontakte und Verbindungen im Ruhrgebiet hatte. Jakob Funke lernte das Zeitungswesen von der Pike auf kennen, arbeitete er doch viele Jahre als Redakteur, später Chefredakteur des Essener Anzeigers.

Doch der Start stand zunächst auf der Kippe. Warum? Die vor der WAZ lizenzierten Zeitungen hatten bereits beinahe alle wenigen Druckkapazitäten in den arg zerrupften Städten des Kohlereviers in Beschlag genommen. Ohnehin waren viele Verlagshäuser komplett zerbombt. Da zu Beginn weder die finanziellen Mittel noch die technischen Möglichkeiten in der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Kauf einer eigenen, für die Zeitungsherstellung so wichtigen Rotationsmaschine vorhanden waren, gingen Brost und Funke auf die Suche.

Bochumer Zeitungen

Die erste WAZ erschien am 3. April 1948, einem Samstag. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Nur wenig bekannt ist, dass es am Tag zuvor eine sogenannte Null- oder Probenummer gegeben hat, die allerdings nur in kleiner Auflage, zu Kontrolle, ob alles zusammenpasste, erschien.

Damit das Team nicht einen Kaltstart hinlegen musste, übte die zusammen gewürfelte Mannschaft und erstellte eine solche Nummer, die sich heute noch im WAZ-Archiv befindet.

In Bochum erscheint heute nur noch eine Tageszeitung. Im Laufe der Geschichte hat es hier ein ganz vielfältiges Bild gegeben.

Die erste in Bochum erschienene Zeitung war übrigens der Märkische Sprecher, der von Druckmeister Wilhelm Stumpf gegründet wurde und erstmals 1829 erschienen ist.

Der Bochumer Anzeiger erschien erstmals am 21. November 1893. Er sollte rasch zur größten am Ort gedruckten Zeitung werden.

In der Geschichte unserer Stadt gab es weitere Blätter, wie die Bochumer Zeitung, die Westfälische Volkszeitung oder das NS-Organ, Westfälische Landeszeitung – Rote Erde.

Nach dem Krieg waren außer der WAZ, unter anderem die Westfälische Rundschau und die Ruhrnachrichten in Bochum mit eigenen Redaktionen vertreten.

Und sie wurden fündig. Und zwar beim Bochumer Anzeiger, der bis kurz vor Kriegsende vom Verlag Laupenmühlen & Dierichs herausgegeben wurde. Thomas Laupenmühlen besitzt ein Dokument, über seinen Großvater Wilhelm Laupenmühlen: „Er kam Anfang des Krieges auf die Idee, zwei dicke Mauern vor und hinter die Vomag und die Koebau (Rotationsmaschinen, d. R.) aufstellen zu lassen, und diese verhinderten, daß die Splitter der Bomben, die in den Betriebshof fielen, die Maschinen zerstörten“.

Der Innenhof des Bochumer Anzeigers nach dem schweren Luftangriff  auf Bochum am 4. November 1944. Deutlich zu sehen ist links unten die doppelte Ziegelwand, mit der Wilhelm Laupenmühlen die Rotationsmaschine dahinter vor der Zerstörung bewahrte.
Der Innenhof des Bochumer Anzeigers nach dem schweren Luftangriff auf Bochum am 4. November 1944. Deutlich zu sehen ist links unten die doppelte Ziegelwand, mit der Wilhelm Laupenmühlen die Rotationsmaschine dahinter vor der Zerstörung bewahrte. © LD / Stadt Bochum

Nur diesen Rotationsmaschinen ist es zu verdanken, dass die WAZ gleich von Beginn an mit der hohen von den Engländern freigegebenen Auflage von 250.000 erscheinen konnte.

Die spätere Ehefrau von Erich Brost, die gebürtige Bochumerin Anneliese, geb. Brinkmann erinnerte sich Jahre später: „’Es gibt eine neue Zeitung!’ haben die Leute in Bochum gerufen, als wir mit der WAZ das erste Mal auf die Straße gingen. Am Rathausplatz in Bochum riss man uns die Zeitung aus der Hand. Es war wunderbar. Ein unglaubliches Gefühl war das damals!“

Bis in die 50er Jahre hinein wurde ein Großteil der Auflage der rasant wachsenden WAZ neben dem Rathaus gedruckt. Zeitzeugen erzählten gerne schmunzelnd, dass das Wummern und Brummen der Rotation bis ins Rathaus, gleichsam als ständige Erinnerung an das wache Ohr der Presse, zu hören gewesen sei.

Diese seltene Aufnahme aus den 30er Jahren zeigt die Rotationsmaschine (Hintergrund) auf der die ersten WAZ-Ausgaben ab 1948 gedruckt wurden. Den Raum gibt es heute noch im Hinterhaus des ehemaligen Bochumer Anzeigers. Er wird als Archivraum der Stadt Bochum genutzt
Diese seltene Aufnahme aus den 30er Jahren zeigt die Rotationsmaschine (Hintergrund) auf der die ersten WAZ-Ausgaben ab 1948 gedruckt wurden. Den Raum gibt es heute noch im Hinterhaus des ehemaligen Bochumer Anzeigers. Er wird als Archivraum der Stadt Bochum genutzt © . | Archiv Weeke

Jakob Funke, der von Beginn an als Verlagsmanager fungierte, während Erich Brost die Redaktion leitete, gestaltete den Aufbau der WAZ. Es kamen auch in schwierige Zeiten, als etwa 1949 viele sogenannte Alterverleger wieder auf dem Markt drängten. Durch geschicktes Verhandeln gelang es Brost und Funke, vorübergehend den Verlag des Bochumer Anzeigers und den Verlagsfachmann Rolf Ippen in eine WAZ-Gesellschaft als Teilhaber einzubinden, wodurch das aus WAZ-Perspektive durchaus bedrohliche neuerliche Erscheinen des Anzeigers verhindert wurde. Jahrelang jedoch stand der Titel „Bochumer Anzeiger“ groß auf der 1. Seite der Bochumer Gesamt-WAZ-Ausgabe.

1953 zog der WAZ-Verlag nach Essen um

Erst 1953 wechselte der WAZ-Verlag in seine neue Zentrale nach Essen. Doch ein bedeutender Teil der mittlerweile stark gestiegenen WAZ-Auflage wurde weiter bei Laupenmühlen & Dierichs gedruckt. L&D, zog 1961 mit ihrem Betrieb vom Rathausplatz zur Hüttenstraße um. Auch die Bezirks- und Lokalredaktion Bochum arbeiteten jahrelang von dort aus.

Erst als die damalige WAZ-Mediengruppe ihr neues Druckzentrum in Hagen eröffnete, endete Anfang der 80er Jahre die jahrzehntelange enge Verbindung zwischen WAZ und LD.