Laer. Rund 4,8 Millionen Euro lassen sich die Stadtwerke ihr neues Umspannwerk in Bochum-Laer kosten. Die WAZ erhielt einen exklusiven Einblick.
Von außen betrachtet sieht das funkelnagelneue Umspannwerk der Stadtwerke Bochum in Laer in etwa so aus wie eine überdimensionale Umkleideeinrichtung, wie sie landauf, landab neben Sportplätzen zu finden sind. Doch der erste Eindruck täuscht. Das Häuschen hat es in sich: der langgestreckte, weiß getünchte Bau steckt voller digitaler Schalttechnik. „Von hier aus versorgen wir künftig nicht nur das neue Gewerbegebiet Mark 51/7, sondern auch die Stadtteile Laer, Werne und Langendreer mit Strom“, sagt Holger Rost, Geschäftsführer der Netzgesellschaft der Stadtwerke.
Stadtwerke Bochum haben neues Umspannwerk in Laer gebaut
Die Stadtwerke haben der WAZ einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen dieser Anlage gewährt. Bisher übernimmt ein Schalthaus aus den 60er Jahren diesen Job. Das weitläufige Gelände markiert den Endpunkt einer 220 Kilovolt (kV)-Leitung des Höchstspannungsnetzbetreibers Amprion, die dort von der Eon-Tochter Westnetz auf 110 kV reduziert werden. Die mächtigen grün gestrichenen und stetig brummenden Transformatoren geben eine Ahnung von der Spannung, die hier anliegt.
Verteilung dorthin, wo der Strom benötigt wird
Kurz gesagt: Über die Hochspannungsfreileitungen wird der Strom von den Kraftwerken herantransportiert, um vor Ort kleinteiliger dorthin verteilt zu werden, wo er benötigt wird. Ganz gleich, ob es sich beim Endabnehmer um eine Familie mit ihrem Bedarf, einem Handwerksbetrieb oder einem großen Bürogebäude handelt.
Stadtwerke betreiben 15 Umspannwerke in Bochum
Die Stadtwerke Bochum betreiben in Bochum insgesamt 15 Umspannwerke. Der Neubau in Laer ist der erste seit Jahrzehnten. Kein Wunder, denn das neue Umspannwerk in Laer kostet rund 4,8 Millionen Euro. Auf dem Gelände der Anlage werden einmal mehr als 20 Kilometer neue Strom- und Telekommunikationsleitungen verbaut sein.
Sind die Arbeiten im Laufe des Jahres 2024 in Laer komplett abgeschlossen, gibt es schon den nächsten Umbaukandidaten. In Linden ist ebenfalls ein Umspannwerk in die Jahre gekommen. Es muss dort ebenfalls neu gebaut werden.
Nötig sind die modernen Anlagen auch, um mit dem sich rasch verändernden Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger mitzuhalten. Der Stromverbrauch wird zunehmen, etwa durch die Elektromobilität. So werden die E-Fahrzeuge von DHL auf dem Mark 51/7-Gelände alle auch vor Ort aufgeladen. Dazu braucht es ein stabiles und leistungsfähiges Stromnetz.
Wesentlich unspektakulärer kommt da das Umspannwerk der Stadtwerke, gleich nebenan daher. Es stellt die Schnittstelle zwischen Hochspannung und Mittelspannung zur Einspeisung in das 400-Volt-Ortsnetz dar. Hinter den graublauen Schaltkästen im Innern des neuen Gebäudes verbirgt sich eine Mischung aus bewährter Technik und moderner Einrichtung. „Hier sehen wir 42 Schaltfelder, die später bestimmten Straßen zugeordnet werden“, so Stefan Klenke, der die Abteilung für die Umsetzung des Projektes leitet.
Mit einem passenden Spezialschlüssel lässt sich ein solcher Schrank öffnen. Eine Dreifach-Sammelschiene aus Kupfer läuft über den Schaltschränken vorbei. Hier kommt sozusagen der Strom an, der dann in den darunterliegenden Schränken auf die Ortsnetz-Spannung reduziert wird.
Sicherer Umgang auch bei Störungen im Stromnetz
Das neue Umspannwerk ist in der Lage, sicherer als bisher auch mit Kurzschlusssituationen umzugehen. Irgendwann im Jahr 2024 wird die Anlage komplett an das Netz angeschlossen sein. Im Normalbetrieb braucht sich niemand in dem Gebäude aufzuhalten, es wird gesteuert und überwacht von der Verbundleitstelle der Stadtwerke in Hamme.
Für den Fall, dass etwas durch einen Bagger oder andere Ursachen ein Stromkabel beschädigt wird, reagiert die Anlage. Die bei einem Kurzschluss entstehende Hitze und die Energie wird durch einen Druckentlastungskanal abgeleitet. Die Temperaturen bringen Kupfer zum Schmelzen. Menschen sollten sich tunlichst dann nicht in der Nähe aufhalten.
Das für den Laien nur schwer durchschaubare System, welches die Fachleute behände mit reichlich technisch fremd klingenden Fachbegriffen zu beschreiben wissen, entschlüsselt sich ein wenig, wenn wir es mit dem Sicherungskasten vergleich, der in jeder Wohnung, jedem Flur oder Haus hängt. Nichts anderes ist die Aufgabe der Schaltschränke. Nur, dass hier nicht ein Kühlschrank, sondern vielmehr gleich eine ganze Straße mit möglicherweise bis zu Hunderten Haushalten an der „Sicherung“ hängt.
Verbundleitstelle überwacht und steuert die Anlage
Aus der kilometerweit entfernten Verbundleitstelle in Hamme, lässt sich das „Innenleben“ des Umspannwerks in Laer, wie auch das seiner 14 Geschwister jederzeit darstellen. Bei Bedarf sind Fehleranalysen und Reaktionen aus der Distanz möglich. Um jedoch Schäden an Kabeln vor Ort oder auch in einem der Schaltkästen zu beheben, bleibt der Mensch die letzte Instanz.
Am Bau des neuen Werkes in Langendreer war ein Team von bis zu 80 Fachleuten der Stadtwerke und ihrer Tochterfirmen beteiligt. „Das muss eine eingespielte Mannschaft sein, sonst geht es nicht“, weiß Projektleiter Holger Breuner, der sich auf seine Mannschaft verlassen kann.
Und wenn dann später doch einmal in einer Straße etwas passiert, („Ja, der Bagger, das ist unser größter Feind“, ruft jemand mit einem Augenzwinkern dazwischen) ist es wieder ein speziell ausgebildeter Fachmann oder eine Fachfrau, der oder die die Stromunterbrechung so kurz wie möglich hält. Zuletzt lagen die Stadtwerke Bochum mit unplanmäßigen Stromunterbrechungen (Zahlen von 2021) bei 9,5 Minuten pro Endverbraucher. Pro Jahr versteht sich. Der Bundesdurchschnitt lag im gleichen Zeitraum bei 12,7 Minuten.