Bochum. Die „Rente mit 63“ ist irreführend, warnt ein Bochumer Krupp-Mitarbeiter. Sehr wohl gebe es kräftige Abschläge. Das bestätigt die Rentenkasse.

„Eine Mogelpackung“, kritisiert Bernd Lange. „Die SPD macht falsche Versprechungen.“ Der Wattenscheider meint: die sogenannte Rente mit 63. Die nimmt er Ende 2023 nach dann mehr als 46 Beitragsjahren in Anspruch. „Anders als uns die Politiker weismachen wollen, müssen Neu-Rentner wie ich dabei sehr wohl kräftige Abschläge schlucken. Das ist in der Öffentlichkeit und sogar bei vielen Betroffenen viel zu wenig bekannt“, warnt Bernd Lange.

In Bochum wächst die Zahl der Arbeitnehmer, die vorzeitig in den Ruhestand gehen. Jede zweite der 4045 bewilligten Altersrenten 2022 erfolgte vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Allein 881 Frauen und Männer nutzten nach 45 Beitragsjahren die Chance zur Frührente.

Rente mit 63: Beim Bochumer Kruppianer ist die Vorfreude getrübt

Die ergreift auch Bernd Lange (Jahrgang 1960). 1977 fing er bei den Krupp-Stahlwerken in Bochum als Azubi an. Über 40 Jahre arbeitete er als Verfahrensmechaniker, zuletzt als Disponent auf der Warmbreitbandstraße. Immer im Schichtdienst. 2019 unterschrieb er einen Altersteilzeitvertrag. Heißt: Vier Jahre weniger Lohn, dafür die letzten zwei Jahre in der passiven Phase.

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Von Andreas Rorowski und Jürgen Stahl

Die endet für den Höntroper am 31. Oktober 2023, kurz nach seinem Geburtstag. Zeitlich passt alles: Mit dann 63 Lebens- und mehr als 46 Versicherungsjahren beginnt die Rente, drei Jahre und vier Monate vor dem regulären Ruhestand. Doch die Vorfreude ist getrübt. Bernd Lange erwarten kräftige Abschläge. Darauf will er im WAZ-Gespräch aufmerksam machen.

Rentenversicherung bestätigt: „Rente mit 63“ ist irreführend

Jörg Grabenschröer, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Westfalen, bestätigt: „Leider wurde in der Öffentlichkeit bei Einführung der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte der Begriff ,Rente mit 63’ geprägt, was sich fälschlicherweise in vielen Köpfen und sogar in aktuellen Diskussionen bis in die heutige Zeit gehalten hat.“

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Der Renten-Sprecher klärt auf: Entscheidend ist neben den 45 Beitragsjahren das Alter. „Wer vor 1953 geboren wurde, konnte die Altersrente abschlagsfrei ab 63 erhalten. Für von 1953 bis 1963 geborene Versicherte wird diese Altersgrenze schrittweise um jeweils zwei Monate pro Jahrgang angehoben. Vom Geburtsjahrgang 1964 an liegt die Altersgrenze dann bei 65 Jahren. Wer früher in Rente geht, muss (...) Abschläge in Kauf nehmen.“

Vor einem Antrag auf Frührente sollte man sich rechtzeitig informieren und beraten lassen, empfiehlt die Deutsche Rentenversicherung Westfalen.
Vor einem Antrag auf Frührente sollte man sich rechtzeitig informieren und beraten lassen, empfiehlt die Deutsche Rentenversicherung Westfalen. © dpa

Abschläge von der regulären Rente werden für 40 Monate fällig

Deren Berechnung sei „eine Ungerechtigkeit“, grollt Bernd Lange. „Mich ärgert, dass man nun zwar bis zum 65. Lebensjahr früher in Rente gehen kann. Bei meinem Jahrgang würden bis dahin Abschläge für 16 Monate fällig. Zugrunde gelegt wird aber die 67er-Tabelle – mit Abschlägen für 40 Monate.“

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Die Minus-Rechnung des Kruppianers verdeutlicht es: Rund 2000 Euro brutto würde er als Rentner ab März 2027 beziehen. Für jeden der 40 Monate bis zum regulären Renteneintritt werden ab November 0,3 Prozent gestrichen. Macht zwölf Prozent, „also mehr als 200 Euro weniger“.

Renten-Sprecher: Vor dem Antrag rechtzeitig informieren und beraten lassen

Bei wie vielen der 881 Ü-45-Frührentnern in Bochum 2022 die Abschläge vorgenommen wurden, vermag Versicherungssprecher Jörg Grabenschörer nicht zu sagen. Eine dringende Empfehlung hat er aber parat: „Vor der Beantragung sollte man sich rechtzeitig informieren und beraten zu lassen. Das geht auch vor Ort in Bochum.“ Infos auf deutsche-rentenversicherung.de/Westfalen.

Bernd Lange erkennt als langjähriger IG-Metall-Vertrauensmann an: „Die ,Rente mit 63’ war von der SPD seinerzeit sicher gut gemeint.“ Die Fallstricke seien aber weithin unbekannt. „Das muss sich ändern.“