Bochum. Katastrophen sind bei der Stadt Bochum längst Alltagsthema. Wissenschaftler helfen. Eine Erkenntnis: Nicht jede Hilfe in der Krise ist auch eine.

Vor Jahren undenkbar, heute Alltag: Die Bewältigung von Katastrophen und Krisen steht bei der Stadt Bochum täglich auf der Tagesordnung. Wissenschaftler aus Dortmund begleiten das Bestreben, immer besser und effizienter mit den sogenannten „Lagen” umzugehen.

Wissenschaftler begleiten Stadt Bochum beim Katastrophenschutz

Krieg, Klima, Corona – die Katastrophen und Krisen der vergangenen Jahre zeigen viele Gesichter. Um zum Beispiel bei Stromausfall, Starkregen oder Sturm bestmöglich reagieren und agieren zu können, arbeiten die Stadt Bochum und örtliche Partner mit der Technischen Universität Dortmund zusammen. SysKa heißt ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (kurz: BMBF) mit 45.000 Euro gefördertes Projekt. SysKa steht für „Integration systemischer Kritikalität in die Katastrophenschutzplanung”.

„Das hört sich sperrig an, ist im Prinzip aber leicht zu erklären”, sagt Stadtdirektor Sebastian Kopietz. „Es geht unter anderem darum, Ereignisketten zu identifizieren und untersuchen, um diese im Katastrophenfall schnell unterbrechen zu können.” Als Beispiel nennt der oberste Krisenmanager Bochums einen Starkregen, bei dem eine Unterführung voll Wasser laufe und in der Folge ein Kurzschluss in einer Trafostation für einen Stromausfall in einem Krankenhaus sorgt. Es könnte ebenso aber auch U-Bahn und Ampeln lahmlegen und ein Verkehrschaos entstehen.

Stadtwerke Bochum testen Luftfeuchtesensoren in Trafostationen

Feuchtesensoren können beim Katastrophenschutz helfen – oder wie hier im Bild als Teil einer Smart City das Vertrocknen von Bäumen verhindern.
Feuchtesensoren können beim Katastrophenschutz helfen – oder wie hier im Bild als Teil einer Smart City das Vertrocknen von Bäumen verhindern. © Stadt Bochum

Derartige „Domino- und Kaskadeneffekte” im Bereich der Kritischen Infrastruktur (Kritis) stehen im Fokus des seit 2021 laufenden Projektes SysKa. Zur Kritis gehören Krankenhäuser, Umspannwerke, Verteilerstationen, Feuerwachen, Polizeistationen, Mobilfunkmasten, Wasserpumpwerke und wichtige Verkehrsknotenpunkte wie Hauptbahnhof und Autobahnen.

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Entsprechend sind die Partner ausgewählt: Polizei, Feuerwehr, Stadtwerke, Hilfsorganisationen wie DRK, THW und ASB, Katholisches Klinikum Bochum, Bergmannsheil, Kitas und Altenheime. Die Stadtwerke testen zum Beispiel Luftfeuchtesensoren in ihren Trafostationen, um rechtzeitig ein Ereignis wie den zuvor geschilderten Stromausfall verhindern zu können.

„Wir haben anhand von diversen Szenarien und Analysen unsere Stromstationen in hochwassergefährdeten Gebieten innerhalb Bochums definiert”, teilt Sprecher Christian Seeger auf Anfrage mit. Sukzessive würden diese nun mit Feuchtigkeitssensoren ausgestattet. Die Sensoren werden dann über Funk Daten wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur übertragen. „Anhand dieser Daten sollen frühzeitig Schutzmaßnahmen für das Bochumer Stromnetz getroffen werden”, sagt Seeger.

Amateurfunker können beim Ausfall des Mobilfunknetzes helfen

„Bei einem Stromausfall werden die Folgen in Sekundenschnelle sichtbar, dabei gibt es sicher die meisten zu untersuchenden Effekte”, sagt Prof. Stefan Greiving (TU Dortmund). Aber auch bei Treibstoffmangel oder einer möglichen Rationierung von Strom und Gas seien vergleichbare Ereignisketten und Folgen denkbar und daher Gegenstand der Untersuchungen.

Krankenhaus-Alarmpläne seien dabei ebenso ein Thema wie beispielsweise die Zusammenarbeit mit Amateurfunkern, um sich gegen den Ausfall des Mobilfunknetzes zu wappnen. Auch die Koordination von freiwilligen Helfern sei ein wichtiges Thema. Nicht alles, was gut gemeint sei, sei auch gut.

„Erinnern Sie sich nur an die Leute, die nach dem Sturm Ela 2014 in den Baumarkt gefahren sind, sich Kettensägen gekauft haben und dann völlig unkoordiniert geholfen haben”, sagt Greiving. „Auch nach der Flut im Ahrtal 2021 seien freiwillige Helfer mit Baggern ausgerückt. In beiden Fällen war dies nicht nur gefährlich für die Helfer, sondern auch nicht immer so geboten.

Fördermittel für nächste Phase werden im Februar vergeben

Greiving hofft, dass Mitte Februar Fördermittel für die Hauptphase des Projektes freigegeben werden. Vier Jahre lang sollen dann konkrete Sicherheitslösungen für die verschiedensten Lagen erarbeitet werden. Dazu gehören soll auch eine große öffentlichkeitswirksame Übung.

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Übungen und Planspiele gab es bereits in der Vergangenheit. „Im Moment bleibt fürs Üben aber wenig Raum, wir befinden uns ständig in einer Lage”, sagt Kopietz. Die Verwaltung profitiere dabei vom bereits 2018 ins Leben gerufenen Kommunalen Krisenmanagement. „Wir haben nicht erst in der Krise angefangen, uns über Krisen Gedanken zu machen.

„Seit 2020, „mit dem Auftreten erster Corona-Fälle in Deutschland”, tage mittlerweile regelmäßig, anfangs täglich, derzeit wöchentlich, der städtische Krisenstab. „Das ist eine riesige Herausforderung für die Verwaltung. Wechselseitig haben bislang mehr als 500 Beschäftigte dort mitgearbeitet”, so Kopietz. „Teilweise mussten wir innerhalb von Stunden reagieren und neue Vorgaben umsetzen. Ich denke an Coronaverordnungen, die uns freitags um 22 Uhr mit Wirkung zum Samstag erreichten.”

Dieser Dominoeffekt ist nicht in Bochum zu lösen.