Bochum. Über 8000 Objekte finden sich in den Beständen des Kunstmuseums Bochum, viele wurden nie genau erfasst. Die Inventur ist echte Detektivarbeit.
Die Skulptur ist schwarz, schwer und aus Bronze, tragen kann man sie nur zu zweit. Doch wo kommt sie her? Wer hat sie gemacht? Fest steht nur: Seit Ewigkeiten lagert das gute Stück in den Tiefen des KunstmuseumsBochum – zusammen mit weiteren über 8000 Werken der eigenen Sammlung. Diese jetzt sorgfältig zu katalogisieren und fürs Internet fit zu machen, das ist das ehrgeizige Ziel des neuen Ausstellungsprojekts, das einen sinnfälligen Titel trägt: „Inventur“.
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Kunstmuseum Bochum sichtet die eigene Sammlung
Tatsächlich schaut es in der ersten Etage des Museums gerade aus wie auf einem riesigen Kunstmarkt. Ein großer Teil des städtischen Kunstbesitzes wurde aus dem Keller mit dem Fahrstuhl in den großen Saal geschafft, wo jetzt Regale mit unzähligen Bildern, Skulpturen und Objekten aneinandergereiht sind. „Einige dieser Objekte haben im Laufe der Jahre ihren Namen verloren. Bei manchen wissen wir gar nicht, woher sie stammen“, erzählt Museumsleiterin Noor Mertens. Diesen vielen Geheimnissen irgendwie auf die Spur zu kommen, gleicht der berühmten Sisyphusarbeit.
Führungen durch die Inventur-Ausstellung
Öffentliche Führungen finden an jedem Sonntag um 11 Uhr im Kunstmuseum (Kortumstraße 147) statt. Die Kosten sind im Eintrittspreis enthalten. Treff an der Museumskasse.
Das Team der Inventur trifft sich mittwochs um 18 Uhr zu öffentlichen Gesprächen. So berichten die Grafikerinnen Bart de Baets und Sandra Kassenaar am Mittwoch, 30. November, von ihren Ideen für das neue Gestaltungskonzept des Museums (in englischer Sprache). Am 7. Dezember ist der Künstler Oriol Villanova zu Gast, der das Forum mit zahllosen Postkarten verziert hat.
Natürlich ist die Kunstsammlung in früheren Jahren bereits inventarisiert worden. Es gibt Schränke voller Karteikästen, dazu mit Hand geschriebene Inventarbücher, die bis in die 50er Jahre zurückreichen. „Wir haben auch eine uralte Excel-Liste“, erzählt Kunsthistorikerin Victoria Haas. Doch all die vielen Schätze einmal grundlegend zu sichten, einzeln zu fotografieren und anschließend für hoffentlich alle Zeiten in eine Datenbank einzugeben: Das ist jetzt der kniffelige Job von Victoria Haas und ihren drei Kolleginnen, die an einem großen Tisch mitten im Saal sitzen und sich jedes Kunstwerk einzeln vorknöpfen.
Detektivarbeit mit Sachverstand
Da fällt auch die oben schon erwähnte schwarze Skulptur in ihr Blickfeld. Kein Schild, kein Hinweis, keine Gravur weist auf den Künstler hin, der sie gemacht haben könnte. „Ich tippe auf den Bildhauer Otto Gutfreund“, meint Noor Mertens. Kunsthistorischer Sachverstand ist bei solch einer Detektivarbeit von einigem Vorteil.
Und so beginnt die Suche, um der Herkunft der Skulptur auf die Schliche zu kommen. Quellen werden gewälzt, auch die alten Ausstellungskataloge werden bemüht. „Wir bitten immer wieder auch ältere Mitarbeiter um Rat“, sagt Victoria Haas. Nach längerer Fahndung taucht tatsächlich ein Gutachten auf, in dem mehrere Skulpturen von Otto Gutfreund verzeichnet sind. „Eine davon könnte es sein.“
Sind einige Werke womöglich Opfer der NS-Raukunst?
Wenn die Identität zweifelsfrei ermittelt ist, werden die Bilder und Objekte einzeln in das Computerprogramm „Museum plus“ eingegeben. Die Maße, das Material und mögliche Inschriften und Signaturen werden festgehalten, jedes Stück wird von mehreren Seiten fotografiert. Auch eine sogenannte Provenienz (also die Herkunftsforschung) wird betrieben: Könnte es also sein, dass einige Teile der Sammlung aus Raubkunst der NS-Zeit stammen und demnach völlig zu Unrecht dem Museum gehören? „Das ist alles möglich, aber bislang ist uns ein solcher Fall noch nicht begegnet“, sagt Victoria Haas.
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Jeder Besucher kann sich beteiligen
Die Museumsbesucher sind dazu aufgerufen, sich an der Inventur zu beteiligen. Einige Teile der Ausstellungshalle sind öffentlich zugänglich. Bei regelmäßigen Führungen und Themenabenden erhält man tiefere Einblicke in die Sammlung. „Wer etwas beizutragen hat, kann sich jederzeit bei uns melden. Wir sind für jeden Rat dankbar.“ Denn mittlerweile gibt es schon zwei Regale mit komplett ungelösten Fällen: also mit Kunstwerken, die einfach nicht zuzuordnen sind.
Geöffnet bis 19. März: Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr, Mi. von 12 bis 20 Uhr.