Bochum. Walli teilt aus: In ihrem neuen Programm übt Esther Münch massive Kritik an der Kirche. Titel: „Ich glaub nich.“ Das sind die ersten Reaktionen.

„Im Herbst werden sie mich wohl steinigen“, sagte Esther Münch, als sie im Sommer im WAZ-Gespräch ihr neues, 18. Soloprogramm ankündigte. Titel: „Ich glaub nich“. Thema: Kirche und Religionen. Ganz so schlimm kommt’s nicht. Ihre Kritik an der Institution Kirche fällt aber so schonungslos aus, dass der katholische Stadtdechant Michael Kemper zu Bedenken gibt: „Ein eindeutiger Aufruf zum Austritt aus der Kirche wäre auch für eine Kabarettistin eine Grenzverletzung.“

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Im schwarzen Kittel mit Kettenmuster (nach der Pause sind es Totenköpfe) tritt Esther Münch als weithin bekannte Putzfrau Walli vor ihr Publikum: in Bochum zuletzt – ausgerechnet – als Gast der Kolpingsfamilie Westenfeld. Nie zuvor habe sie für ein Programm derart akribisch recherchiert, sagt die 63-Jährige. Nie zuvor sei sie über das Ergebnis ihrer Arbeit so entsetzt gewesen.

Kabarett in Bochum: Walli kanzelt ab und teilt gnadenlos aus

„Walli“ kanzelt ab, teilt gnadenlos aus, vor allem gegen die katholische Kirche. Spirituelle Verirrungen Marke „Astro TV“ übergießt sie noch mit Walli-typischem Spot. Doch schnell wird’s bitterernst. Wie könne es sein, dass zwar Gartenzwerge und Waffen, nicht aber gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden? Wie sei es möglich, dass „Brüder im Nebel“ jahrelang unbehelligt blieben, obwohl sie nichts anderes als Sex-Verbrecher an kindlichen Seelen sind? Warum ließen es der Staat und seine Bürger zu, dass die Kirchen mit ihrer Mithilfe jährlich Milliarden an neuem Vermögen scheffelten?

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Über „Tattergreise im Vattikan“ und „Trachtentruppen“ im Klerus schimpft Esther in der Walli-Rolle. Spätestens der zweite Teil gerät zur Generalabrechnung mit einer Amtskirche, deren „Schäflein“ in den Gemeinden viel Gutes tun und bewirken, deren oberste Repräsentanten für immer mehr Gläubige jedoch unglaubwürdig geworden seien.

Kabarettistin Esther Münch hat Stadtdechant Michael Kemper zu einer der nächsten Vorstellungen von „Ich glaub nich“ eingeladen.
Kabarettistin Esther Münch hat Stadtdechant Michael Kemper zu einer der nächsten Vorstellungen von „Ich glaub nich“ eingeladen. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Besucherin schreibt: Ich werde einen Termin beim Amtsgericht machen

Esther Münch hat die für sie einzig richtige Konsequenz gezogen und ist aus der (evangelischen) Kirche ausgetreten. Die eingesparte Kirchensteuer spende sie selbstbestimmt für wohltätige Zwecke. Als Aufruf, es ihr gleichzutun, will sie ihr Programm nicht verstanden wissen. Sehr wohl aber als Aufforderung zum kritischen Denken und Hinterfragen. „Was steckt hinter dem Vorhang? Welches System trage ich mit? Jeder muss dann selbst entscheiden, welche Schlüsse er daraus zieht.“

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Die Reaktionen nach den ersten fünf Vorstellungen seien durchweg positiv, berichtet Esther Münch. „Sie reichen von ,Sie sind aber mutig’ bis ,Endlich sagt es mal jemand laut’.“ Menschen kämen aufgelöst zu ihr und schilderten, wie sehr sie unter der Kirche leiden würde. Im Online-Gästebuch kündigt eine Besucherin an, nun „endlich einen Termin beim Amtsgericht zu machen“.

Stadtdechant will alsbald eine Vorstellung besuchen

Stadtdechant Michael Kemper, oberster Katholik in Bochum, respektiert ausdrücklich die künstlerische Freiheit. Die ende aber dort, wo explizit und ohne kabarettistische Einfärbung zum Austritt aus der Kirche aufgerufen werde. Ob das bei Walli so ist, kann Kemper alsbald selbst beurteilen: Esther Münch hat ihn zu einer der nächsten Vorstellungen eingeladen.

Neue Vorstellung ab Januar 2023

Mit ihrem neuen Soloprogramm „Ich glaub nich“ ist Esther Münch Anfang 2023 wieder in Bochum zu sehen: vom 13. bis 15. Januar im Haus Spitz in Stiepel sowie am 4. und 5. März im Zauberkasten im Gerthe.

Alle Infos und Termine gibt es auf esther-muench.de.

Derweil untermauern die Zahlen, dass immer mehr Menschen sagen: „Ich glaub nich.“ Die Austritte aus der katholischen Kirche haben sich 2021 verdoppelt. 1702 Menschen kehrten ihr 2021 in Bochum den Rücken. Im Vorjahr waren es 874. „Ich kann jeden sehr gut verstehen, der das in diesen Tagen tut“, sagte Propst Michael Ludwig Anfang des Jahres unter dem Eindruck immer neuer Missbrauchsskandale und sprach gegenüber der WAZ vom „Saftladen Kirche“.

Diese Bezeichnung hätte auch von Walli kommen können.