Bochum-Hamme. Wie hat sich die „Speckschweiz“, das Viertel rund um die Schmechtingstraße entwickelt? Dieser Frage sind Bochumer Hobbyhistoriker nachgegangen.
Als Kind hat Hobbyhistoriker Reinhard Kammertöns auf dem Hammer Friedhof Grablichter gestohlen, heute erinnert er sich gern zurück an solche Jugendspäße. Es waren die persönlichen Erfahrungen, die die „Geschichtsgruppe Speckschweiz“ dazu brachten, sich die Geschichte ihres Viertels genauer anzusehen. Die sogenannte Speckschweiz, das Quartier zwischen Herner-, Feldsieper- und Dorstener Straße in Bochum-Hamme entstand bereits vor über 100 Jahren. Nun ist aus der Recherche ein Buch entstanden.
Hobbyhistoriker veröffentlichen Buch über die Speckschweiz in Bochum-Hamme
Andrea Wirtz, Initiatorin der Gruppe, beugt sich über Fotoalben mit historischen Bildern, die ehemalige Bewohner der Schmechtingstraße zeigen. Treffpunkt der Gruppe ist ein Altbau in Bochum-Hamme. „Dieses „Dieses Haus wurde 1889 gebaut“ sagt Ruth Raeder, die die Redaktion der Gruppe übernahm. Genau in der Zeit also, in der die Speckschweiz entstand und die bis heute den Stadtteil maßgeblich mitprägt. Fünf Jahre lang forschte das fünfköpfige Team an Geschichten aus dem Viertel. Wie richtige Historikerinnen und Historiker seien sie dabei vorgegangen, erzählt Kammertöns. Die Gruppe habe recherchiert, gelesen und Interviews mit Zeitzeugen und -Zeuginnen geführt.
Die Schmechtingstraße war Lebensmittelpunkt
Fokus der Recherche war die Schmechtingstraße, die ehemalige Einkaufsmeile des Viertels mit Geschäften und Handwerksbetrieben. „Anhand dieser nur 300 Meter langen Straße lässt sich die Geschichte des Ruhrgebiets nacherzählen“ sagt Magdalena Rolf, die ebenfalls an der Recherche beteiligt war. Bekleidungsgeschäfte, Bäckereien und sogar mehrere Kneipen soll es dort gegeben haben. Frauen verkauften Lebensmittel direkt aus den Fenstern heraus, der Wohnraum waren überfüllt. In den 38 Häusern sollen zwischenzeitlich bis zu 1000 Personen gelebt haben, so die Geschichtsgruppe.
Als Arbeiterviertel wurde die Speckschweiz um die Jahrhundertwende in Windeseile aus dem Boden gestampft, um der schnell wachsenden Bevölkerung Platz zu bieten. Viele Familien zogen in die Stadt, damit die Männer in den Zechen arbeiten konnten. Das Viertel war beliebt, weil gleich vier Zechen in der Nähe lagen: Die Zechen Präsident, Constantin, Carolinenglück und der Bochumer Verein. Von dieser Zeit erzählt das Buch, das ab Freitag im Handel erhältlich ist: von der Gründung des Viertels gegen Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu seiner Umgestaltung in der Nachkriegszeit.
GLS-Treuhand förderte das Projekt mit einem Stipendium
Die Gruppe will zurückzuschauen. „Mit unserem Buch wollten wir die Anfänge des Viertels würdigen, aber auch die Frage stellen: Was können wir aus der Vergangenheit lernen?“, erklärt Andrea Wirtz. Heute seien Ideen wie die „10-Minuten-Stadt“, in der alle wichtigen Services innerhalb von wenigen Minuten zu erreichen sind, wieder im Trend – also genau das, was die Schmechtingstraße früher zu bieten hatte, so die Gruppe.
Gefördert wurde das Projekt vom Stipendium der GLS Treuhand für Hobbyhistorikerinnen und -historiker. Dass schließlich sogar ein Buch gedruckt werden konnte, ermöglicht der Druckkostenzuschuss des LWL. Am Freitag wird das Buch feierlich veröffentlicht. Im Theater der Gezeiten an der Schmechtingstraße 38-40, wo sich die Gruppe gründete, findet ab 18 Uhr eine Veranstaltung mit Sektempfang, Autorengespräch und einer Diskussionsrunde statt. Anmelden muss man sich nicht, doch wer kommen möchte, sollte pünktlich sein, die Veranstalter rechnen mit viel Publikum.