Bochum. Früher war sie Teil einer Eisenhütte. Heute steht die „KoFabrik“ in Bochum für Themen der Zukunft. So etwa für die Ausbildung von IT-Experten.
Ein Haus mit Geschichte und ein Thema mit Zukunft. Das passt, dachte sich Dalia Das 2020. Eigentlich wollte sie für ihr Start-up-Unternehmen aus der IT-Branche schon damals einen Mietvertrag in der „KoFabrik“, einst Teil einer Eisenhütte in der Innenstadt von Bochum, unterzeichnen. Corona machte ihr einen Strich die Rechnung. Aber jetzt hat sie den deutschlandweit sechsten Standort von „neue fische“ eröffnet.
Gründerin von „neue fische“ ist Tochter indischer Einwanderer
„Ich bin ganz aufgeregt“, gesteht die 46-Jährige. Schließlich ist es der erste Standort ihres Unternehmens in ihrer Heimat, dem Ruhrgebiet. „Ich bin als Tochter indischer Einwanderer im Ruhrgebiet aufgewachsen und die Menschen hier haben mich geprägt. Es erfüllt mich mit Stolz und Demut, nun knapp fünf Jahre nach Gründung mein Konzept auch in meine alte Heimat zu bringen.“ Aufgewachsen ist sie in Recklinghausen, studiert hat sie Internationale Betriebswirtschaft in Dortmund, gearbeitet danach weltweit. Bis zu ihrer Babypause 2016. Zurück ins Berufsleben ist die ehemalige Bertelsmann-Managerin zwei Jahre später dann mit ihrem eigenen Unternehmen gekommen. Und das beschäftigt sich mit der Ausbildung von Quereinsteigern in die Informationstechnologie – oder mit dem Fischen künftiger Fachleute.
96.000 Stellen in der IT-Branche sind unbesetzt
Etwa 96.000 Stellen in der IT-Branche sind derzeit unbesetzt, so der Branchenverband Bitkom. „neue fische“ will dabei helfen, die immer größere Nachfrage nach digitalen Talenten zu bedienen. „Einige Fische, die wir ausgebildet haben, arbeiten auch schon erfolgreich in Bochumer Unternehmen", sagt die Gründerin bei der Vorstellung des neuen Standorts an der Stühmeyerstraße.
Bitkom begrüßt nach eigenen Angaben „niedrigschwellige Weiterbildungsangebote“. Zur Stärkung der Innovationskraft der Wirtschaft seien digitale Grundfertigkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wichtig. „Kurzfristige Abhilfe gegen den IT-Fachkräftemangel kann eine stärkere finanzielle Förderung von praxisnahen Coding Schools und Bootcamp-Kursen für Quereinstiege schaffen.“ Unternehmen wie „neue fische“ könnten dies übernehmen.
Ruhrgebiet ist als Standort ein „Muss“
Das Ruhrgebiet ist als Standort eines sogenannten Bootcamps aus Sicht von Dalia Das ein „Muss“ – nicht zuletzt wegen der vielen Start-ups in der Region, aber auch wegen der Nähe zu Universitäten. Absolventen, die Zusatzqualifikationen benötigen, und Abbrecher, die eine neue Perspektive suchen, sind potenzielle IT-Experten. Erste große Unternehmen würden sich mittlerweile auch in Sachen Fortbildung an die junge Firma wenden. Sie soll Beschäftigte weiterqualifizieren.
Einige Tausend IT-Experten hat der noch junge Anbieter auf dem Ausbildungsmarkt nach eigenen Angaben bereits ausgebildet. 92 Prozent finden nach dem drei- bis sechsmonatigen Programm, das von bundesweit etwa 100 Experten betreut wird, anschließend einen Job im IT-Umfeld, heißt es. „Wer einmal den Einstieg in einen digitalen Beruf geschafft hat, muss sich um seine Zukunft keine Sorgen machen“, sagt Gründerin Dalia Das. Wert lege sie vor allem auf den Praxisbezug. „Wir erarbeiten Lehrplänen und -abläufe, die sehr nah an dem tatsächlichen Arbeitsleben dran sind. Es geht immer gleich an die Umsetzung.“
Mehr Frauen für die IT-Branche ausbilden
Vor allem mehr Frauen möchte sie fit für die IT-Branche machen. „35 Prozent unserer Teilnehmer sind weiblich“, so Das – ein Anteil, der um ein Vielfaches höher ist als bislang der Anteil von Frauen in der Branche. Etwa 500 Frauen sollen allein in diesem Jahr qualifiziert werden.
Unterschiedliche Finanzierungsmodelle
Finanziert werden kann die IT-Ausbildung durch staatlich geförderte Bildungsgutscheine, durch Arbeitgeber oder die Teilnehmer selbst.„Wir haben ein einkommensabhängiges „Späterzahlmodell“ eingeführt“, so Unternehmerin Dalia Das. So könnten auch Personen ohne Anspruch auf einen Bildungsgutschein an der Ausbildung teilnehmen und diese dann bezahlen, wenn sie einen Arbeitsplatz gefunden haben.
Am Ende hätten Absolventen nicht nur ein Zertifikat vorzuweisen. Vielmehr entwickle jeder ein Abschlussprojekt, ein „digitales Gesellenstück“, so die Unternehmerin. Den Begriff habe sie aus dem Handwerk „geklaut“, gesteht sie. Mit einer selbst entworfenen und funktionstüchtigen App, die online eingesehen werden könne, habe jeder bei Vorstellungsgesprächen etwas Handfestes vorzuweisen – und eben nicht nur ein Stück Papier.
Vorbereitung auf die neue Arbeitswirklichkeit
Zwei Seminarräume hat „neue fische“ in der „KoFabrik“ gemietet und von der Bochumer Innenarchitektin Anja Bartkowiak einrichten lassen. „Das hier ist genau die Räumlichkeit, die wir gesucht haben“, sagt die neue-fische-Chefin. Dort kommen die Teilnehmer in den ersten Wochen zusammen, ehe die Ausbildung aus der Ferne fortgesetzt wird. „Das ist ja auch die neue Arbeitswirklichkeit, gerade in den digitalen Berufen. Wir haben in der Pandemie gelernt, dass dieses Arbeiten auch bestimmte Kompetenzen braucht. Und die konnten wir sehr gut vermitteln.“