Stiepel. In Bochum-Stiepel schließt zum Jahresende ein mehr als 100 Jahre altes Lokal. Personalmangel wird als Grund genannt. Noch ein Einzelfall?

Die Hoffnung stirbt zuletzt. „Natürlich wünschen wir uns, dass es im nächsten Jahr weitergeht“, sagt Eigentümer Lothar Becker. Doch aktuell sei kein Nachfolger in Sicht. Dem Haus Henkenberg in Stiepel droht nach mehr als 100 Jahren die Schließung.

„Geschmack und Qualität“: So wirbt das Lokal an der Henkenbergstraße für seine Steak-Spezialitäten. Am Zuspruch der Gäste liege es keinesfalls, dass das Restaurant zum 31. Dezember den Betrieb einstellen müsse, berichtet Lothar Becker. „Es fehlt an Personal.“

Aus für Bochumer Traditionslokal: Haus Henkenberg wurde 1921 eröffnet

Die Familiengeschichte der Beckers an der Henkenbergstraße reicht ins Jahr 1856 zurück. Anfangs bewirtschafteten sie einen Kotten. 1921 wurde die „Café-Wirtschaft Becker“ eröffnet. „Zu der Zeit hatten die Bochumer Segelflieger hier ihren Standort. Die Thermik galt als besonders gut. Zu den Flugtagen kamen Tausende Besucher“, schildert Lothar Becker.

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1926 wurde ein Alkoholausschank bewilligt. Dank mehrerer Um- und Anbauten avancierte die Gastwirtschaft zu einem der beliebtesten Ausflugsziele in der Region.

Pächter etablierten die Gaststätte als Steakhaus

Seit bald 50 Jahren setzt Lothar Becker (69) die Aufbauarbeit seiner Vorväter fort. In den 1980er Jahren errichtete er einen weiteren Anbau. Dass die Stiepeler Institution jemals wanken würde: unvorstellbar. Dann kam Corona. Und Familie Knezevic, die das Haus Henkenberg als Steakhaus etablierte, musste herbe Einbußen verkraften.

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Nach den Pandemie-Beschränkungen sei das Geschäft 2021 wieder gut angelaufen, betont Lothar Becker. Doch jetzt trete ein Missstand zutage, der der gesamten Gastronomie massive Sorgen bereitet: Es fehlt an Mitarbeitern.

Mitarbeiter sind nicht zu finden, beklagt der Eigentümer

Mindestens zehn, besser 15 Beschäftigte seien erforderlich, um einen Betrieb wie das Haus Henkenberg mit 200 Sitzplätzen innen und weiteren 200 Plätzen in der Außengastronomie zu führen. „So sehr sich die Pächter auch bemüht haben: Die sind nicht zu bekommen“, bedauert Becker.

Zwei Schließungstage (montags und dienstags) können die Nöte nicht lindern. „Auch meine Frau hat schon mitgeholfen“, sagt der Inhaber. Aber: Der Personalmangel im Service und in der Küche sei nicht zu kompensieren, ohne dass die Gäste unzumutbar lange Wartezeit in Kauf nehmen müssten.

Diese historische Karte zeigt das „Rasthaus Henkenberg“ in den 1920er Jahren.
Diese historische Karte zeigt das „Rasthaus Henkenberg“ in den 1920er Jahren. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Neuer Pächter aus der Gastronomie erscheint wenig wahrscheinlich

Die Konsequenz sei bitter, aber alternativlos. „Die Pächter haben den Vertrag nach fünf Jahren nicht mehr verlängert. Zum Jahresende ist Schluss. Erstmals nach 101 Jahren.“ Bis dahin bleibe das Haus Henkenberg zu den regulären Zeiten geöffnet.

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Wie es weitergeht? Lothar Becker weiß es nicht. Er hat einen Makler beauftragt. Ein Gastronom als Nachfolger, möglichst schon Anfang 2023, wäre ideal. „Aber das scheint bei den nachhaltigen Problemen in der Branche wenig wahrscheinlich. Wer will das jetzt schon machen?“ Ein Leerstand droht. Deshalb zeigt sich Becker auch für andere Nutzungen offen, „etwa für eine Kindertagesstätte“.

Dehoga-Sprecher wertet Schließung als Einzelfall

Thorsten Hellwig, Sprecher des NRW-Branchenverbandes Dehoga, wertet die Schließung des Stiepeler Restaurants als Einzelfall. „Die gesamte Gastronomie muss große Herausforderungen bewältigen. Zum Personalmangel kommen die Kostenexplosionen bei Energie und Lebensmitteln sowie die Corona-Spätfolgen“, so Hellwig.

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Vielfach werde jedoch versucht, durch Umorganisationen über die Runden zu kommen: etwa die Speisekarte zu reduzieren, die Öffnungszeiten einzuschränken oder die Arbeit in der Küche zu straffen. Hellwig: „Das gelingt in der Regel. Ein Lokal zu schließen, kann nur das letzte Mittel sein. Das beobachten wir zum Glück noch eher selten.“