Bochum. In stark unterzuckertem Zustand hatte ein Autofahrer einen Radfahrer in Bochum umgefahren. Er starb. Das war fahrlässige Tötung, sagt das Gericht.
Der 69-jährige Radfahrer hatte keine Chance. Er fuhr auf einem Radweg und wurde plötzlich von einem Auto voll erfasst. Der Radfahrer starb am Unfallort. Der Autofahrer (22) wurde am Mittwoch wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.
Der Student aus Bochum hatte kurz vor dem Unfall eine starke Unterzuckerung gehabt, seit seinem achten Lebensjahr ist er Diabetiker. Vor dem Unfall hätte er laut Urteil aber wissen müssen, dass er wegen seiner Zuckerkrankheit nicht mehr fahrtüchtig war. Trotzdem setzte er sich ans Steuer. Er wolle nicht sagen, dass dies „Harakiri oder russisches Roulette“ gewesen sei, sagte Richter Axel Deutscher – „aber das kommt der Sache nahe.“
Radfahrer wurde gegen die Windschutzscheibe geschleudert
Am 18. Januar 2022 gegen 17 Uhr fuhr der Radfahrer auf dem Radweg der Dorstener Straße in der Innenstadt zwischen Brückstraße und Nordring. Dann gab es einen lauten Knall: Ein Kleinwagen, der in derselben Richtung unterwegs war, kam nach rechts ab und prallte mit so großer Wucht gegen den Radfahrer, dass dieser gegen die Windschutzscheibe flog und danach auf die Fahrbahn stürzte. Eine halbe Stunde später starb er am Unfallort.
Tödlicher Unfall- Wie Radfahrer Straßenbahnschienen fürchtenDer Autofahrer war kurz vor dem Aufprall wegen seiner Unterzuckerung bewusstlos geworden. Völlig steuerungslos fuhr er noch 100 Meter mit recht zügigem Tempo weiter und prallte an einer Ampel auf ein stehendes Auto und stoppte. Dabei wurde niemand verletzt.
Implantierte Armsonde war defekt – trotzdem setzte sich der Autofahrer ans Steuer
Staatsanwaltschaft wollte härtere Strafe
Der Oberstaatsanwalt wollte ein Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung und eine dreijährige Führerscheinsperre.
Der Verteidiger wollte es bei einer Geldstrafe bewenden lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Im Prozess sagte auch ausführlich eine Diabetologin aus und informierte über die Tücken dieser Krankheit.
Der Student, der Insulin spritzt, kam damals aus Dortmund und wollte eigentlich zu einem Vorstellungsgespräch in einem Gasto-Betrieb in der Bochumer Innenstadt. Bereits vor Fahrtantritt bemerkte er, dass seine implantierte Armsonde, die den Zuckerspiegel misst, defekt war. An der Kreuzung Castroper Straße/Nordring spürte er, dass irgendwas mit seinem Zucker nicht stimmt. Er entschied sich, auf seinen Termin zu verzichten und nach Hause zu fahren, um die Sonde zu wechseln. Kurz darauf verletzte er einen Menschen tödlich.
Richter: Angeklagter hätte das Auto stehen lassen sollen
„Warum haben Sie das Auto nicht stehen lassen?“, fragte Richter Deutscher. Antwort: „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass mir so etwas passiert.“ Und weiter: „Es tut mir unfassbar leid, was passiert ist. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen.“
Seit dem Unfall ist er seinen Führerschein los. Frühestens in 21 Monaten bekommt er ihn zurück, entscheid das Gericht.
Das Unfallopfer wurde im Prozess nicht vertreten, es hatte keine Angehörigen mehr.