Bochum. Aufstieg, Euphorie und zwei „Jahrhundertspiele“: Ein neues Buch dokumentiert die jüngsten Erfolge des VfL. Der Autor ist ein Bochumer Urgestein.
Roque Santa Cruz war begeistert. Zuletzt habe er alle Heimspiele des FC Bayern gesehen, sagte der ehemalige Stürmerstar der Münchener im vergangenen Jahr einem Bochumer Geschäftsmann. „Die meiste Stimmung haben dabei die Fans des VfL gemacht.“ Und das bei einer 0:7-Klatsche in der Arroganz-, ‘tschuldigung: Allianz-Arena.
Der Gruß von Cruz gen Castroper Straße zählt zu den Episoden, um die Günther Pohl sein 2019 erschienenes Buch „VfL Bochum für Klugscheißer“ erweitert hat. Der jetzt erschienene Band wartet mit weiteren „Populären Irrtümern und andere Wahrheiten“ (so der Titel) auf. „Immerhin waren die letzten zweieinhalb Jahren aufregend genug“, sagt der Sportjournalist, der die Spiele des VfL seit 1990 für Radio Bochum kommentiert. Mehr als 1000 waren es bisher.
VfL Bochum: Wie ein Spieler zur „Miss Istanbul“ wurde
Im ersten Buch plauderte Pohl aus dem Nähkästchen. Ein Highlight: der Damen-Besuch im Trainingslager im Allgäu. Im Mannschaftshotel erkundigen sich zwei leicht bekleidete junge Frauen nach zwei (nicht benannten) VfL-Spielern – just, als Trainer Rolf Schafstall an der Rezeption auftaucht. Die Mädels entschwinden. Schafstall klopft oben bei den Jungs an: „Hier ist euer Trainer. Ihr habt Besuch!“ Nur mit Mühe lässt sich Schafstall überreden, die Kicker nicht sofort nach Hause zu schicken.
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Oder die Miss-Wahl. Bei einer Türkei-Reise kehrt die Mannschaft abends in ein Varieté ein. Dort wird die „Miss Istanbul“ gekürt. VfL-Spieler Dirk Eitzert tritt mangels Frauen in der Reisegruppe an – und gewinnt!
Ganz so turbulent geht’s in der aktualisierten Fassung nicht zu. Lesestoff bietet sich der blau-weißen Fangemeinde gleichwohl reichlich.
Tops und Flops
Viele Niederungen und manche Höhen haben VfL-Fans in den vergangenen Jahrzehnten erlebt. Günther Pohl hat daraus die Flop- und Top-Spiele seit den 60er Jahren ausgewählt. Als letzter Eintrag bei den Niederlagen hat im neuen Buch die Pokal-Pleite 2018 in der ersten Runde bei der schier übermächtigen Weiche Flensburg (0:1) Bestand. Die Tops zieren jetzt zwei noch frische, aber schon legendäre Triumphe in der vergangenen Saison: das 4:2 daheim gegen die Bayern und der 4:3-Derbysieg in Dortmund.
Der Aufstieg
Die Rückkehr ins Oberhaus 2021 nimmt – na klar – breiten Raum in Pohls Aufzeichnungen ein. „Der 3:1-Sieg in Hamburg war der Schlüssel zum Erfolg. Danach wussten wir: Wir können aufsteigen“, wird Torhüter Manuel Riemann zitiert. Unvergessen ist der Abschied, den im Mai 2021 mehr als 5000 Fans dem Team bei der Abfahrt zum letzten Auswärtsspiel in Nürnberg bereiteten. Gänsehaut anne Castroper.
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Die Hommage
Ausführlich fällt die Würdigung von vier Persönlichkeiten aus, die den Verein laut Pohl „wieder stolz gemacht“ und maßgeblich zum Aufstieg beigetragen haben. Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Villis und Finanzchef Ilja Kaenzig sind bis heute im Amt. Das Ausscheiden von Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz war bei Drucklegung des Buches bereits bekannt. Der Rausschmiss des von Pohl hochgelobten Trainers Thomas Reis noch nicht. So schnelllebig ist der Profi-Fußball.
„Manu“: Die Mannschaftsleistung zählt
Torhüter Manuel Riemann weiß, wie sich der VfL Bochum die jüngsten Erfolge erarbeitet hat „Unsere Qualität war eine geschlossene Mannschaftsleistung. Uns zeichnet weniger aus, dass wir die besten Einzelkönner haben. Unsere Stärke ist es, gegen den Ball so zu arbeiten, dass es für jeden Gegner extrem unangenehm wird“, blickt „Manu“ im Buch von Günther Pohl auf die letzten zwei Jahre zurück.
Daran gilt es anzuknüpfen: Am Sonntag (15.30 Uhr) tritt der Spitzenreiter Union Berlin im Vonovia-Ruhrstadion an.
Zurück in Liga 1
Siehe oben: Die Siege gegen Bayern und in Dortmund sortiert der Autor als „zwei Jahrhundertspiele in einer Serie“ ein. „Es war wie im Rausch. Ich habe immer wieder auf die Anzeigentafel geschaut“, schwärmt Bayern-Torschütze Christian Gamboa. Das Sportschau-Tor des Jahres von Gerrit Holtmann ist die Kirsche auf einer Sahne-Saison, die von Spielern, Trainer und Fans bei einer denkwürdigen „Rettungs-Party“ im Bermudadreieck ihren spontanen Ausklang fand. Eine Boulevardzeitung titelte: „Bochum feiert, bis die Sonne verstaubt.“
Der Abschied
„Ohne Robert Tesche wären wir nicht hier“, weiß Dariusz Wosz. Der stets zurückhaltende und bescheidene Mittelfeldakteur war nicht nur mit seinen Toren entscheidend am Aufstieg beteiligt. „Er ist ein herausragender Mensch“, sagt Kapitän Toto Losilla. Günter Pohl widmet ihm ein eigenes Kapitel.
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Obwohl Robert Tesche in der 1. Liga nur noch selten zum Einsatz kam, bereiteten ihm Fans und Mannschaft Ende der vergangenen Saison einen bewegenden Abschied. Tesche: „Diese Momente werde ich nie vergessen.“
„VfL Bochum: Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“, Klartext-Verlag, 120 Seiten, 16,95 Euro.