Bochum. Eine neue Online-Weltkarte führt die angeblich berühmtesten Persönlichkeiten einer Stadt auf. In Bochum steht eine Nazi-Größe ganz weit oben.
Die berühmtesten Söhne und Töchter einer Stadt per Mausklick entdecken: Das verspricht eine neue virtuelle Weltkarte. Auch für Bochum werden vermeintlich bekannte Frauen und Männer aufgeführt, versehen mit einem Listenplatz. Eine „wissenschaftliche Katastrophe“ nennt das der Historiker Hans H. Hanke. Ganz vorn in Bochum rangiert eine Nazi-Größe.
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„Notable People“ (zu deutsch: bemerkenswerte Personen) heißt die viel beachtete Online-Karte, die von dem finnischen Designer Topi Tjukanov entwickelt wurde. Basis sind die Einträge über den Geburtsort auf Wikipedia und Wikidata. Die Bekanntheit eines Menschen – verstorben oder lebend – werde anhand der Länge der Einträge und der Anzahl der Aufrufe ermittelt, heißt es.
Historiker hält Online-Weltkarte für „wissenschaftliche Katastrophe“
Allein diese Herangehensweise hält Hans H. Hanke für äußerst fragwürdig. „Wissenschaftlich ist das reinstes Stückwerk, unvollständig und irreführend“, sagt der Vorsitzende der Bochumer Kortumgesellschaft auf WAZ-Anfrage und stellt der Netz-Karte ein vernichtendes Urteil aus. Hinzu komme: Die Auswahl der Namen sei „erstaunlich rechtslastig“.
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Dafür spricht der Zoom auf das Bochumer Stadtgebiet. Zur Spitzengruppe der „Notable People“ gehört demnach Hans Fritzsche. 1900 in Bochum geboren, war er ab 1933 Leiter des Nachrichtenwesens in der Presseabteilung des Reichspropagandaministeriums von Joseph Goebbels. „Durch seine wöchentliche Sendung ,Hier spricht Hans Fritzsche’ war er vielen Hörern des Reichsrundfunks bekannt“, heißt es auf Wikipedia. Nach dem Krieg wurde Fritzsche zu neun Jahren Arbeitslager verurteilt. Er starb 1953 in Köln.
Nazi-Propagandist rangiert vor Nationalspieler Leon Goretzka
Laut „Notable People“ ist der Nazi-Propagandist einer der berühmtesten Bochumer. Mit Platz 15.960 im Wiki-Ranking steht er demnach noch vor dem aus Bochum stammenden Fußball-Nationalspieler Leon Goretzka (Platz 19.221). Hoch bewertet wird zudem der Heavy-Metal-Musiker Axel Rudi Pell (Platz 22.792).
Mit Adalbert von der Recke-Volmerstein (einer der Gründungsväter der Diakonie), dem Chemiker und Nobelpreisträger Manfred Eigen oder der SPD-Politikerin und Gewerkschafterin Ilse Brusis ploppen die Namen honorabler Persönlichkeiten auf der Weltkarte auf. Manch andere sind selbst einem Profi wie Hans H. Hanke kaum bis gar nicht bekannt.
Viele Persönlichkeiten der Stadtgeschichte tauchen nicht auf
Diskutieren lässt sich über den Promi-Status von Hans-Jürgen Bradler, der in den 70er Jahren beim VfL Bochum das Tor hütete, den Sportlehrer und Fußballtrainer Uli Maslo oder Monika Pieper von der Piratenpartei. Als „irritierend“ empfindet Hanke hingegen die „Würdigung“ weiterer Nazi-Größen wie den NSDAP-Politiker Julius Merz und den Generalleutnant der Waffen-SS Fritz Katzmann.
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Bochum habe so viele großartige Persönlichkeiten hervorgebracht: „von Louis Baare bis Ottilie Schonewald, von Anneliese Brost bis Peter Scholl-Latour und noch etliche mehr. Warum fehlen sie alle auf der Karte?“, fragt Hans H. Hanke und bemängelt: „Man hat Wikipedia-Daten genommen und sie einfach über die Weltkugel geschüttet.“
Warum Herbert Grönemeyer auf der Bochum-Karte fehlt
Bestenfalls, so der Historiker, könne die Karte zum Anlass genommen werden, die eher merk- als denkwürdige Promi-Riege sukzessive zu vervollständigen. Ein Name wird in Bochum aber auch künftig nicht auftauchen. Herbert Grönemeyer, vielfach als bekanntester Sohn der Stadt gehandelt, ist ein gebürtiger Göttinger.