Bochum. Die Stadtwerke Bochum halten dank hoher Erlöse aus der Stromproduktion an ihrem Jahresplan fest. Viel hängt aber von der Solvenz ihrer Kunden ab.

Trotz Energiekrise: Die Stadtwerke Bochum halten an ihrem geplanten Jahresergebnis in Höhe von 66,2 Millionen Euro für 2022 fest. Möglich machen das hohe Erlöse aus der Stromproduktion. Die größte Unbekannte in allen Berechnungen allerdings ist die Solvenz der Kunden. Sollten zu viele Gas- und Stromabnehmer ihre Rechnungen für den bevorstehenden Winter nicht bezahlen können, wird das auch den städtischen Energieversorger hart treffen.

Stadtwerke Bochum profitieren von der eigenen Stromproduktion

Wer hätte das gedacht: Die Beteiligungen an der Steag und der Trianel-Meiler in Lünen hübschen die Bilanz der Stadtwerke Bochum auf. Der Strom aus den Kohlekraftwerken spült aktuell viel „Kohle“ in die Kassen der Unternehmen, an denen die städtische Tochter beteiligt ist. Die Millionen-Verluste aus der Vergangenheit dürften damit kaum wett zu machen sein, aber in der aktuellen Situation sind diese Erlöse willkommen.

Das gilt besonders für den Strom, den Wind- und Solarkraftwerke der Stadtwerke oder ihrer Partner erzeugen. Schon werden Rufe nach einer Abschöpfung der „Übergewinne“ der Betreiber laut. Die Bürger haben über die EEG-Umlage (Erneuerbare Energien Gesetz) den Aufbau der Parks mitfinanziert. Und Sonne und Wind sind schließlich nicht teurer geworden. Warum sollten die Haushalte in der aktuellen Lage also nicht an den Profiten beteiligt werden?

Hohe Kosten im Vertrieb fressen die Erlöse auf

„So einfach ist das nicht“, warnt Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Thiel. Die positive Entwicklung bei den Erlösen werde aufgefressen durch immens hohe Kosten im Vertrieb. „Wir kaufen Strom und Gas für unsere Kunden aktuell zu deutlich höheren Preisen ein, als wir diese kalkuliert haben.“ Die Kunden aber zahlten Monat für Monat den gleichen Abschlag, so der kaufmännische Chef der Stadtwerke.

Frank Thiel, Geschäftsführer der Stadtwerke, bezeichnet die aktuelle Energiekrise als „extrem schlimme Situation, die wahrscheinlich deutlich über das hinausgehen wird, was wir bei Corona erlebt haben“.
Frank Thiel, Geschäftsführer der Stadtwerke, bezeichnet die aktuelle Energiekrise als „extrem schlimme Situation, die wahrscheinlich deutlich über das hinausgehen wird, was wir bei Corona erlebt haben“. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Im Vertrieb fehlen allein im ersten Halbjahr 2,4 Millionen Euro, teilt der Energieversorger auf Anfrage mit, Im Netz liegen die Stadtwerke um 700.000 Euro hinter Plan. Ursache sind die explodierenden Einkaufskosten. Das Plus im Bereich Fernwärme und die positiven Ergebnisse aus den Beteiligungen an der Trianel GmbH sowie der Trianel Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG gleichen das weitgehend aus. Im Vergleich zu 2021 ist das Halbjahresergebnis sogar positiv (40,9 Mio Euro zu 40,1 Mio Euro).

Ein Anlass zur Freude sei dieses Zwischenergebnis nicht, sagt Thiel. „Das, was da auf uns zurollt, wahrscheinliche Insolvenzen von Unternehmen und hohe Preise für unsere Privathaushalte, ist eine extrem schlimme Situation, die wahrscheinlich deutlich über das hinausgehen wird, was wir bei Corona erlebt haben.“

Stadtwerke verhandeln mit den Banken über höhere Kreditlinien

Zurzeit profitiert die Stadttochter wie andere Versorger auch noch von Verträgen aus den Vorjahren. Jeweils ein Drittel der Margen an Gas und Strom werden zwei beziehungsweise ein Jahr vor dem Verkauf an die Kunden geordert. Bezahlt wird erst bei Lieferung – zu dem bei der Order gültigen Preis. Beim letzten Drittel indes sind die Preise explodiert.

„Wir haben im Winter immer einen hohen Liquiditätsbedarf“, so Thiel. „In diesem Jahr allerdings ist er wegen der extrem hohen Preise für Gas und Strom viel höher als in der Vergangenheit.“ Mit der Vereinbarung von höheren Kreditlinien und zusätzlichen Darlehen bei Banken versuchen die Stadtwerke das aufzufangen.

Dabei geht es um eine gefährliche Wette auf die Zukunft. Der Energieversorger geht nämlich in Vorleistung. „Das ist der Punkt, der gefährlich werden kann. Wir wissen natürlich nicht, ob unsere Kunden alle in der Lage sein werden, ihre Rechnungen zu bezahlen“, sagt Thiel. „Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr höhere Forderungsausfälle haben als in der Vergangenheit und das könnte uns natürlich auch wirtschaftlich treffen.“

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