Bochum-Weitmar. Kaum zu glauben, aber wahr: Noch vor 50 Jahren hatte längst nicht jeder Mensch in Bochum-Weitmar ein eigenes Telefon. Warum sich das änderte.

1972 verkündet die Post, dass alle Weitmarer, die einen Telefonanschluss wünschen, diesen innerhalb der nächsten zwei Jahre bekommen sollen. 24.000 neue Anschlüsse in den kommenden Jahren verspricht die Post den wartenden Weitmarern am 30. August 1972. Der Mangel an Telefonanschlüssen in dem Stadtteil soll damit bis spätestens 1974 behoben sein.

Dazu sollen zwei neue Vermittlungsstellen eingerichtet werden: eine für Weitmar-Mitte (an der Dürerstraße mit 8000 Anschlüssen im Endausbau) und eine für Weitmar-Neuling (Aloysiusstraße, 16.000 Anschlüsse).

1972 hatten nicht einmal 5000 Weitmarer ein Telefon

Für den Stadtteil bedeutet die telefonische Erschließung einen Quantensprung. Gerade einmal 4916 „Fernsprechteilnehmer“ gibt es dort zu diesem Zeitpunkt. In ganz Bochum, das damals (noch ohne Wattenscheid) 340.000 Einwohner hat, verfügen knapp 60.000 Menschen über ein eigenes Telefon.

Hans Georg Bock (86) gehört zu den wenigen Privilegierten, die damals schon über einen eigenen Apparat verfügen. „Als wir 1968/69 unsere Eisdiele in Weitmar eröffnet haben, gab es dort schon Telefon“, erinnert er sich. „Viele Weitmarer Geschäftsleute hatten bereits einen Anschluss.“ Privatpersonen mit eigenem Anschluss waren zu der Zeit aber noch die große Ausnahme.

Erster Gesprächspartner wohl ein Lieferant

Auch für Hans Georg Bock war der Apparat in der Eisdiele sein erstes eigenes Telefon. „Das war schon etwas Besonderes und hat vieles erleichtert“, sagt er. „Das Telefon hat mir viele Wege erspart. Plötzlich konnte man ganz einfach mit den Lieferanten sprechen. Sonst hätte ich immer hinfahren müssen. Das Geschäft hat auf jeden Fall davon profitiert.“

An seinen ersten Gesprächspartner kann er sich nach so langer Zeit hingegen nicht mehr erinnern. „Meine Eltern können es nicht gewesen sein, denn die hatten kein Telefon“, überlegt er. „Und auch sonst kannte ich privat eigentlich niemanden.“ Anders war das mit der Familie seiner Frau, die bereits „an der Strippe“ war. „Da haben wir auch Privatgespräche geführt. Ich vermute aber, dass der erste Gesprächspartner wohl ein Lieferant gewesen sein wird.“

Das Briefeschreiben bleibt auf der Strecke

Durch das geschäftliche Telefon eröffnen sich für Bock damals mehr und mehr neue Möglichkeiten. „Das Telefon war eine echte Hilfe“, sagt er. „Und die Kommunikation war immer gut, es hat Spaß gemacht. Es gab auch noch keine nervenden Werbeanrufe und kaum einen geschäftlichen Hintergrund. Es war schon ein wichtiger Schritt, dass man die Leute jetzt einfach anrufen konnte. So ist das Briefeschreiben zwar ein bisschen auf der Strecke geblieben, aber insgesamt war das schon sehr positiv“, findet Bock.

Ein altes Telefon aus den 50er Jahren in der Vitrine des Telekom-Museums.
Ein altes Telefon aus den 50er Jahren in der Vitrine des Telekom-Museums. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

„Soweit ich mich erinnere, gab es damals auch keine Leute, die der neuen Technik skeptisch gegenüberstanden“, sagt der 86-Jährige. „Im Gegenteil: Irgendwann wollte das jeder haben. Es gehörte dann irgendwie dazu, war wohl auch so etwas wie ein Statussymbol. Es war schon gut, wenn man nicht mehr zum Nachbarn oder zur Telefonzelle laufen musste, um zu telefonieren, sondern sagen konnte: Ich habe ein eigenes Telefon!“

„Es stand einfach nur da und konnte keine Fotos machen“

Mit heutigen Smartphones hatten die Telefone von damals allerdings noch nichts zu tun. „Heute würde man darüber wohl eher lachen“, sagt Bock. „Das Telefon stand einfach nur da, man konnte damit nur telefonieren. Es konnte keine Fotos, keine Selfies machen. Später gab es trotzdem einen echten Boom. Da hat die Post dann gegen Aufpreis bunte Telefone angeboten und welche mit längeren Schnüren. Spätestens da war das eigene Telefon dann für viele schon eine Art Statussymbol.“

Bis es soweit war musste in Weitmar allerdings erst einmal die nötige Infrastruktur für die neue Technologie geschaffen werden. Der Ausbau erfolgte damals schrittweise. Zunächst kamen 1973 mit der neuen Vermittlungsstelle an der Dürerstraße 3100 „Strippen“ hinzu. Ein Jahr später folgten 3220 Anschlüsse, die über die Stelle „Weitmar-Neuling“ zugeschaltet wurden.

Telefonanschlüsse für alle interessierten Weitmarer

In vielen Haushalten dürfte die Freude am 30. August 1972 groß gewesen sein, als die Post die großflächige telefonische Erschließung des Stadtteils ankündigte. Die Bochumer WAZ berichtete damals über die geplanten neuen Vermittlungsstellen und schrieb: „So wird es in Weitmar voraussichtlich in den nächsten Jahren keinen Mangel an Fernsprechern mehr geben, vorausgesetzt, dass die Kabelleger nachkommen und von den beiden Vermittlungen aus jedes Haus an die Fernsprechstrippe genommen wird.“