Bochum. Vor 100 Jahren wurden im Bochumer Gefängnis die letzten Todesurteile vollstreckt. Es ging um schwere Verbrechen. Alle starben durch das Handbeil.

Die Urteilsvollstreckung auf dem Innenhof des königlich-preußischen Zentralgefängnisses war sehr blutig. Die Todeskandidaten schrien. Dann fiel das Handbeil über ihrem Hals. Vor 100 Jahren wurden in dem Gefängnis an der Krümmede die letzten Exekutionen vollzogen.

Im Herbst wird die JVA Bochum 125 Jahre alt. Unzählige menschliche Dramen haben sich dort ereignet und ereignen sich regelmäßig immer noch. Die Enthauptungen zählen zu den düstersten.

Raubmord mit 1,68 Millionen Mark Beute

Es waren drei Lohngeldräuber, denen auf dem Innenhof vor Haus 2 die letzte Stunde schlug. Am 24. August 1920 hatten sie auf der Horneburger Chaussee in Erkenschwick eine Kutsche überfallen, die Bargeld-Löhne für Tausende Bergleute der Zeche Emscher-Lippe in Datteln transportierte – 1,68 Millionen Mark. Die Täter – zwei Bochumer und ein Marler – waren maskiert und kamen mit einem Auto. Mit einer Waffe erschossen sie den Kutscher und seine Begleiter, einen Bürovorsteher und einen Buchhalter. Wenig später wurden die Verbrecher gefasst und vom Bochumer Schwurgericht zum Tode verurteilt.

Der frühere JVA-Seelsorger Alfons Zimmer mit einem Buch von Günter Rohert (früherer JVA-Verwaltungsleiter) zur Geschichte der JVA Bochum. Darin sind die Ereignisse aus 1922 kurz beschrieben.
Der frühere JVA-Seelsorger Alfons Zimmer mit einem Buch von Günter Rohert (früherer JVA-Verwaltungsleiter) zur Geschichte der JVA Bochum. Darin sind die Ereignisse aus 1922 kurz beschrieben. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Ein Gnadengesuch lehnte das preußische Staatsministerium am 18. April 1922 ab. Das hieß, dass binnen der nächsten 24 Stunden die Strafen vollstreckt werden mussten. Einer der Täter „wankte bleichen Antlitzes“, als er die Nachricht erfuhr, wie es in einer Chronik hieß. Ein anderer sagte: „Das ist grausam.“

Bochumer JVA-Seelsorger recherchierte die Geschichte der letzten Hinrichtungen

Der Bochumer Alfons Zimmer (65), der bis vor wenigen Wochen katholischer Seelsorger in der JVA war, hat die Ereignisse in der Literatur und im Stadtarchiv recherchiert. Eine Quelle ist auch der „Märkische Sprecher“, eine Kreiszeitung für Bochum. „Ich glaube, es ist keiner da, der die Geschichte erzählt. Es ist aber wichtig, sie zu erzählen“, sagt Zimmer. Weil es in seelsorgerischer Hinsicht interessant sei und weil „das Thema Todesstrafe heute immer mal wieder aufflackert“.

Vor 75 Jahren- Häftlinge starben im Bombenhagel in der ZelleIm Kaiserreich gab es nur alle paar Jahre im Bochumer Gefängnis Hinrichtungen, diesmal waren es gleich drei an einem Morgen. Die Mitgefangenen wurden extra auf die Seite des Zellentraktes verlegt, die der Richtstätte abgewandt war, damit sie die schaurige Prozedur nicht mit ansehen konnten. Trotzdem herrsche große Unruhe im Gebäude.

Ein vierter Räuber wurde begnadigt: Todesstrafe wurde in lebenslanges Zuchthaus umgewandelt

In der Nacht davor wurden die Räuber jeweils von einem katholischen Geistlichen betreut. Sie legten die Beichte ab und beteten, schrieben Abschiedsbriefe und bekannten sich schuldig. Die tödlichen Schüsse gestand aber keiner; geschossen habe ein vierter Täter, der Fahrer des Tat-Autos. Dieser war zunächst ebenfalls zum Tode verurteilt worden, dies aber im Wege einer Begnadigung in eine lebenslange Zuchthausstrafe geändert worden.

Letzte Exekution auf deutschem Boden war 1981

Zwar waren in der Krümmede auch während der NS-Zeit viele Menschen eingesperrt, die zum Tode verurteilt wurden. Sie starben aber unter Guillotinen unter anderem in Dortmund, Köln und Wolfenbüttel.

Auch nach dem Krieg fanden in Deutschland Hinrichtungen statt – unter anderem starben Hunderte Kriegsverbrecher. 1949 wurde die Todesstrafe mit dem Grundgesetz verboten. Die letzte Exekution auf heutigem deutschen Boden gab es 1981 in der DDR.

Um 4 Uhr früh besuchten die drei Todgeweihten noch eine letzte Messe, teilweise knieend. Einer erklärte: „Hochwürden, wenn Sie mir doch helfen könnten, dass meine Kinder nicht den Weg beschreiten, den der Vater gegangen ist.“ Zuvor hatte er seine Manschettenknöpfe hinterlassen, als Andenken für seine Ehefrau.

Bei der Hinrichtung läutete das Armensünderglöckchen

Auf dem Innenhof der Anstalt wurde ein Holzblock aufgestellt. Es war 6 Uhr früh. Das Armensünderglöckchen läutete. Ein Scharfrichter stand bereit. Seine Helfer hielten die Verurteilten, die sich heftig wehrten, fest. Dann trennte der Henker ihren Kopf auf dem Holzblock ab. Alles geschah kurz hintereinander und dauerte neun Minuten. Sägemehl band das Blut.

Am 19. Dezember 1922 wiederholte sich so eine Hinrichtung in der Krümmede. Ein Bergmann aus Hordel, der nach einem Einbruch in Weitmar einen Schutzpolizisten vor dem Präsidium an der Hattinger Straße erschossen hatte, wurde geköpft. „Seitdem sind nach zivilen Justizurteilen keine Hinrichtungen im Bochumer Gefängnis mehr bekannt“, sagt Zimmer.