Bochum. 1997 sollte eine Stadtbahn entstehen, die Bochum und Gelsenkirchen verbindet. Daraus wurde nichts. Heute nutzen gut 13.000 Fahrgäste die Strecke.

„Die City wird zur Mega-Baustelle“, titelte die WAZ Bochum vor 25 Jahren. „Ab Montag wird in der Innenstadt bis weit ins nächste Jahrtausend gebuddelt, gebaggert und gebohrt. Der U-Bahn-Bau geht in seine letzte Phase.“ Am 28. Juli 1997 begann der Ausbau des Teilstücks zwischen Westring und Hauptbahnhof – die Bochumer Innenstadt erhielt dadurch in diesem Gebiet ein vollkommen neues Gesicht.

Stadtbahn U21 sollte Bochum und Gelsenkirchen verbinden

Ursprünglich sollte die damals geplante Stadtbahnstrecke U21 Bochum und Gelsenkirchen verbinden, doch es sollte anders kommen: Heute wird der Tunnelabschnitt von den Straßenbahnlinien 302 (Langendreer – GE-Buer), 310 (Witten – Höntrop) und 305 (Langendreer – Höntrop) befahren.

Auch sonst verlief bei dem Großprojekt nicht alles nach Plan. Die Bochumer WAZ schrieb vor 25 Jahren: „Rund 84 Mio. DM wird das 860 Meter lange Baulos E1 verschlungen haben, wenn es im Jahr 2003 in Betrieb geht.“ Als der Streckenabschnitt am 29. Januar 2006 tatsächlich in Betrieb ging, hatte er allerdings 92 Millionen Mark gekostet. Die Kosten teilten sich der Bund (60 Prozent), das Land NRW (30 Prozent) und die Stadt (zehn Prozent). Bauherr und Eigentümer ist alleine die Stadt Bochum.

Stadt beurteilt das Großprojekt aus heutiger Sicht sehr positiv

Und die beurteilt das Projekt trotz der Kostensteigerung, die aus heutiger Sicht vergleichsweise gering ausfällt, positiv. „Insbesondere, wenn man nicht nur das Baulos E1 alleine betrachtet, sondern das Gesamtprojekt Stadtbahn U21 (302/310) in Kombination mit der unterirdischen Linie 306 und den Boulevard und Rathaus-Vorplatz, hat sich der Bau gelohnt“, findet Stadtsprecher Peter van Dyk.

Auch interessant

„Durch den Bau der Stadtbahn entstand ein schneller, pünktlicher ÖPNV, eine Verknüpfung aller Straßen- und Stadtbahnen an einem Punkt (Hauptbahnhof) mit kurzen Umsteigemöglichkeiten untereinander und zur Deutschen Bahn. Die ganze Innenstadt wurde schienenfrei und war frei für neue Nutzungsmöglichkeiten wie den Boulevard. Der Rathaus-Vorplatz wurde doppelt so groß wie vorher. Übers Jahr verteilt, finden viele Veranstaltungen auf und mit dem Boulevard statt, die von den Bürgerinnen und Bürgern gerne angenommen werden.“

Zudem seien auch die neuen U-Bahnstationen echte Hingucker. „Die drei Bahnhöfe Rathaus-Süd, Lohring und Bochumer Verein/ Jahrhunderthalle wurden architektonisch sehr ansprechend gestaltet. Sie gewannen 2006 den Renault Traffic Design Award. Heute, 16 Jahre nach der Inbetriebnahme, haben sich die Bahnhöfe im Alltag bewährt. Sie wirken fast zeitlos schön und werden noch in aktuellen Reiseführern genannt.“

Neue U-Bahn korrigierte das Konzept der „autogerechten Stadt“ der 50er- und 60er-Jahre

Auch für die Fußgänger in diesem Gebiet habe sich einiges verbessert, betont van Dyk. „Willy-Brandt-Platz, Bongardstraße und Massenbergstraße waren bis zum Baubeginn eine vierspurige Stadtstraße mit zwei Straßenbahn-Gleisen in Mittellage, die auch von Autos befahren werden konnte. Die Gehwege waren mit circa drei Metern Breite eher schmal, der bauliche Zustand war dem Alter entsprechend abgenutzt. Insgesamt war dies das Ergebnis der ‚autogerechten Stadt‘ der 50er- und 60er-Jahre.“

U-Bahn-Bau dauerte neun Jahre

Begonnen wurde der Bau des letzten Teilstücks zwischen Westring und Hauptbahnhof (Baulos E1) im Juli 1997.

Der Rohbau war Anfang 2004 fertig. Der gesamte Streckenabschnitt ging im Januar 2006 in Betrieb.

Durch die Fertigstellung wurde die Lücke im ersten Abschnitt zwischen der Rampe Lohring in der Wittener Straße und der Rampe Bessemer Straße in der Alleestraße geschlossen.

Die Stadtbahnanlagen sind baulich auf mindestens 80 Jahre ausgelegt. Für die Zukunft sind keine wesentlichen Änderungen geplant, allerdings werden irgendwann bauliche Renovierungen und technische Erneuerungen von elektrischen und maschinentechnischen Anlagen stattfinden, wie überall sonst auch.

An der Oberfläche soll es jedoch noch Veränderungen zur weiteren Verbesserung des Radverkehrs geben.

Ohne den Neubau würden die Stadtbahnen 302, 310, 305 und 306 wohl noch immer oberirdisch fahren – und dies 16 Mal pro Stunde in beide Richtungen. Insgesamt würde also 32 Mal pro Stunde – oder im Schnitt alle 110 Sekunden – eine Bahn den Bereich durchfahren. „Die Auswirkungen auf Fußgänger und Radfahrer wären eher negativ“, so der Stadtsprecher.

Doch auch die Passagiere der Bahnen müssten für die Fahrt deutlich mehr Zeit einplanen. „Oberirdisch müssten die Bahnen ziemlich langsam, maximal 20 Stundenkilometer, fahren, statt 60 im Tunnel.“ Hinzu kämen noch die Buslinien und der Restverkehr, der zudem wohl mit Ampeln geregelt werden müsste.

Gut 13.000 Fahrgäste täglich an Haltestellen innerhalb des Tunnels

Auch interessant

Diese Verzögerung würde eine Menge Bochumerinnen und Bochumer sowie Berufspendler aus anderen Städten betreffen. Im Schnitt steigen rund 13.600 Fahrgäste an einem Werktag an den Haltestellen innerhalb des Tunnels in die Linien 302, 310 und 305 ein. Vor der Corona-Pandemie waren es im Schnitt sogar 15.300 Fahrgäste täglich. In Zukunft dürften diese Zahlen wieder ansteigen. Direkt am Bahnhof Rathaus-Süd ist das Haus des Wissens in Planung und etwas weiter südlich steht das Viktoria Karree kurz vor der Fertigstellung. Diese beiden Projekte werden sicherlich weitere Fahrgäste anlocken, die dann ebenfalls an den Tunnel-Baustellen ein- und aussteigen.

Decke des U-Bahnhofes wurde komplett als Betondeckel hergestellt

Bevor jedoch Fußgänger, Radfahrer und Bahn-Fahrgäste von der unterirdischen Streckenführung profitieren konnten, musste von 1997 bis 2006 in Bochum erst einmal viel gebaut, renoviert und umgeplant werden. Gesperrt wurden in dieser Zeit unter anderem die Straßen Westring, Bongardstraße, Brückstraße, Hans-Böckler-Straße und Westring. Der Bau wurde durch die Verwendung eines Betondeckels als Decke des neuen U-Bahnhofs beschleunigt. Erst nachdem er eingebaut war, wurde unter ihm die Grube für die neue Station ausgehoben. Dadurch wurde es möglich, die Oberfläche schneller fertigzustellen und wieder nutzbar zu machen. Anschließend wurden der Rathausplatz und später die Bongardstraße neu gestaltet.